Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Immer wieder Wendler

Promis Der einstige Speditions­kaufmann ist zum Schlager- und Reality-Star aufgestieg­en. Und tief gefallen. Jetzt wird er 50 – und scheint ganz in seiner Verschwöru­ngswelt zu leben.

- (Jonas-Erik Schmidt, dpa/AZ)

Dinslaken Wo ist Michael Wendler? Nun, auf michaelwen­dler.de schon mal nicht. Auf der Seite „entsteht eine neue Internetpr­äsenz!“, erfährt man – und ein bisschen klingt es wie eine Drohung. Auf Instagram, dem Medium der schönen Bilder? Auch nicht. Der Kanal des Ex-Schlagerst­ars wurde ja gesperrt. Auf Facebook? Auffindbar. Der letzte Eintrag ist aber mehr als ein Jahr alt.

Also landet man bei Telegram, jenem Netzwerk, das zur Zuflucht für Menschen geworden ist, die Verschwöru­ngserzählu­ngen verbreiten. Dort brodelt, raunt und schreit ein Wendler-Kanal nur so vor sich hin. „WER JETZT NICHTS MERKT IST NICHT MEHR ZU RETTEN“, liest man – natürlich in Großbuchst­aben. Das ist Wendlers Welt, in der er sich völlig verloren zu haben scheint. Abgedrifte­t.

Wenn man herausfind­en will, was ihn umtreibt, muss man sich in die Untiefen des Internets begeben. Denn Anfragen verlaufen im Sande. Früher war das mal anders. Früher genügte es bisweilen, einfach den Fernseher einzuschal­ten, um auf dem Laufenden zu sein – schon war da „der Wendler“, wie ihn seine Fans nannten und nennen. An diesem Mittwoch wird der selbst ernannte „König des Popschlage­rs“50 Jahre alt: Der König jedoch ist gestürzt, wenn man so will. Und das sehr tief. Sein Fall erzählt dabei auch viel darüber, wie – und das ist keine Plattitüde – aus Spaß Ernst werden kann, wie schmal der Grat zwischen beidem ist. Früher nämlich galt der singende Speditions­kaufmann aus Dinslaken als Phänomen. Seine Texte waren nicht die ausgeklüge­ltsten; seine Fans störte das nicht, im Gegenteil. Der Wendler brachte ein bisschen von der sonnigen Stimmung des Ballermann­s ins Großraumdi­sco-Milieu NordrheinW­estfalens. Er sang „Sie liebt den DJ“, haute sich auf die Brust und sagte Sätze wie: „Durch den Bau meiner Ranch wird Dinslaken zu einem kleinen Dallas.“

Dieses Breitbeini­ge („Ich bin die geilste Sau der Welt“) fasziniert­e schließlic­h viele Menschen. Klar: Wenn sich jemand hinstellt und behauptet, er sei der Größte, guckt man hin. Erst recht, wenn Schlagzeil­e um Schlagzeil­e ein solches Leben begleitet. Eine hieß: „Tausende Wendler-CDs in Altkleider­container entdeckt“. Der Wendler wurde zunehmend zur schillernd­en Figur. Was jedoch Behauptung war und was Realität, das blieb mitunter unklar. Und gerade das machte ihn zu einem perfekten Kandidaten für Realitysho­ws, in denen man alles will, nur keine Langweiler: Dschungelc­amp, „Schlag den Star“, „Promi Big Brother“, „Sommerhaus der Stars“, überall war er dabei.

Zum Promi-Phänomen wurde er endgültig, als die fast 30 Jahre jüngere Laura Müller aus Tangermünd­e an der Elbe in sein Leben trat. Es folgte eine öffentlich­e Liebelei, Videos aus der gemeinsame­n Wahlheimat Florida, ein Playboy-Shooting Lauras und eine standesamt­liche Trauung. Zur Geschichte Michael Wendlers gehört das Knallige – und ein Knall: Im Herbst 2020 äußerte er sich in einem irritieren­den Video zur Corona-Politik in Deutschlan­d.

In dem warf er der Bundesregi­erung „grobe und schwere Verstöße gegen die Verfassung und das Grundgeset­z“vor und bezeichnet­e TV-Sender als „gleichgesc­haltet“. Seine zu dem Zeitpunkt 295.000 Instagram-Fans rief er auf, den verschlüss­elten Nachrichte­ndienst Telegram zu nutzen. „Alle anderen Portale sind zensiert.“Wendler war im Klub der prominente­n Verschwöru­ngsgläubig­en angekommen – neben Kochbuchau­tor Attila Hildmann und Sänger Xavier Naidoo.

Der Sender RTL, der ihn als Juror für die Castingsho­w „Deutschlan­d sucht den Superstar“verpflicht­et hatte, distanzier­te sich umgehend und unmissvers­tändlich. Nach einer weiteren Äußerung von Wendler über Deutschlan­d als „KZ“wurde er komplett aus bereits gedrehten Folgen herausgesc­hnitten. „KZ Deutschlan­d??? Es ist einfach nur noch dreist, was sich diese Regierung erlaubt!“, hatte er geschriebe­n – und dann behauptet: „KZ“sei eine Abkürzung für „Krisen Zentrum“gewesen. Er meinte nicht ein Konzentrat­ionslager wie im Dritten Reich? Wer’s glaubte…

In diesem Verschwöru­ngssound ging es immer weiter und weiter. Michael Wendler schwadroni­erte von einer „Fake-Pandemie“und „Medienzens­ur“, von „verrückten Eliten“– und verlor Werbepartn­er und Einnahmen.

Schlagzeil­en macht er in Klatschpor­talen bis heute. Für größeres Aufsehen sorgte unter anderem eine nicht abgesproch­ene Werbung für Pumpernick­elbrot, mit der er die Güterslohe­r Firma Mestemache­r unangenehm überrascht­e. Auf Instagram hatte er Dosen-Pumpernick­el als „Langzeitle­bensmittel zur Krisenvors­orge“beworben und auf die Webseite des Kopp Verlages mit seinem verschwöru­ngsideolog­ischen Sortiment verwiesen.

Wendler jedenfalls, inzwischen in den USA lebend, erklärte der Bild im vergangene­n Jahr, er wolle wieder Musik machen und nach Deutschlan­d kommen. Konzertter­mine sind aber nicht bekannt. Seine Frau Laura hat einen InstagramK­anal mit mehr als 500.000 Followern und bewirbt dort auch einen „Die Wendlers“-Account beim Erotikport­al Onlyfans.

Wer sich im Internet auf Spurensuch­e begibt, stößt neben Klatschber­ichten und Videos auf einen Videoschni­psel, in dem Wendler verwegen in die Kamera schaut und singt: „Egal!“Der Clip wird nach wie vor gerne geteilt, offensicht­lich, weil diese Botschaft zu vielen Lebenslage­n passt. Auch zu seiner?

 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa (Archivbild) ?? Michael Wendler mit Laura Müller – seiner heutigen Frau – nach einem Auftritt in der RTL‰Tanzshow „Let’s Dance“im Februar 2020. Damals war der selbst ernannte „König des Popschlage­rs“noch gut im Musik‰ und TV‰Geschäft unterwegs.
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa (Archivbild) Michael Wendler mit Laura Müller – seiner heutigen Frau – nach einem Auftritt in der RTL‰Tanzshow „Let’s Dance“im Februar 2020. Damals war der selbst ernannte „König des Popschlage­rs“noch gut im Musik‰ und TV‰Geschäft unterwegs.

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