Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Volkshochschule bleibt ein Ort der Begegnung“
Interview Corona hat bei der Augsburger Vhs digitale Angebote gestärkt. Marina Bilotta-Gutheil möchte aber, dass ihr Haus Treffpunkt bleibt. Was sich die neue Vorsitzende vornimmt.
Sie leiten seit April die Augsburger Volkshochschule. Wie tief sind Sie bereits in Ihre neue Aufgabe eingedrungen?
Marina BilottaGutheil: Ich konnte mir einen guten Überblick verschaffen, nicht zuletzt dank des guten Einarbeitungskonzepts meines Vorgängers Stefan Glocker. Auch hatte ich die Gelegenheit, viele unserer Kooperationspartnerinnen und -partner bereits kennenlernen zu dürfen und an einigen städtischen Arbeitskreisen und Veranstaltungen teilzunehmen.
Sie kommen von der Münchner Vhs und haben dort den Programmbereich Jugend und Ausbildung mit rund 60 Hauptamtlichen geleitet. Wird sich dieser Bereich künftig stärker im Augsburger Programm niederschlagen? BilottaGutheil: Es gibt in Augsburg bereits ein breites Bildungsangebot für Jugendliche. Deshalb ist es mir wichtig, zunächst zu erfahren, wo weiterer Bedarf besteht, um Doppelungen zu vermeiden. Wir bemühen uns derzeit um eine Trägerzulassung für Jugendintegrationskurse mit dem Ziel, jungen Menschen mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen die Möglichkeit zu geben, sich Deutschkenntnisse bis zum Niveau B1 anzueignen. Diese Kurse enden mit einem Zertifikat, das für die Aufnahme einer Ausbildung oder eine erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt unabdingbar ist.
Kommt das von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermisste Programmheft wieder?
BilottaGutheil: Wir suchen nach einer Lösung für ein neues Programmheft. Von unserem Magazin „Schorsch“werden wir uns wieder verabschieden. Um den Wunsch unserer Teilnehmenden zu erfüllen, planen wir als Zwischenlösung Anfang September eine Beilage in der Augsburger Allgemeinen. In diesem kleinen „Heft“finden die Augsburgerinnen und Augsburger viele Kur
se aus dem aktuellen Herbstprogramm 2022/23. Im Frühjahr 2023 soll es dann ein neues Vhs-Programmheft mit QR-Codes geben.
Die Corona-Pandemie hat auch die Augsburger Vhs seit Frühjahr 2020 wiederholt ausgebremst. Inwieweit beeinflusst sie weiterhin Ihre Arbeit? BilottaGutheil: Die Pandemie hat auch die Vhs-Arbeit verändert. Wir haben in den Lockdown-Zeiten rasch auf digitale Angebote umgestellt. Dabei hat uns sehr geholfen, dass wir uns bereits seit einigen Jahren mit der Digitalisierung in der Bildungsarbeit beschäftigen. Durch Corona hat die Digitalisierung dann einen deutlichen Schub erfahren. Natürlich stehen auch wir – wie viele andere Kulturund Bildungseinrichtungen – vor der Herausforderung, dass wir nicht nur einen Teil unserer Teilneh
menden wieder zurückgewinnen, sondern gerade auch durch die neuen Formate ein noch breiteres Publikum ansprechen möchten. Und auch bei uns hat sich der eine oder andere Dozierende während der Pandemie beruflich neu orientiert oder ist in Ruhestand gegangen, sodass wir neue Kursleitungen suchen.
Corona hat Online-Angebote forciert. Werden die digitalen Angebote künftig stärker vertreten sein?
BilottaGutheil: Ja, neben OnlineKursen wollen wir zukünftig auch mehr Kurse in „hybrider“Form anbieten. So kann man flexibel entscheiden, ob man in Präsenz oder digital am Kurs teilnehmen möchte. Gleichzeitig aber bleibt die Volkshochschule ein Ort der Begegnung, wo sich Menschen in dieser Stadt treffen, um sich Wissen anzueignen sowie Kompetenzen zu erwerben, und dies zu moderaten Preisen.
Welchen Weg muss Erwachsenenbildung einschlagen, um attraktiv für die Menschen zu bleiben?
BilottaGutheil: Wir leben in Zeiten von erheblichen Umbrüchen und Veränderungen. Solche Zeiten sind immer mit Unsicherheit und Ungewissheit verbunden, aber auch mit Chancen. Bekannte Begegnungsorte wie die Vhs bieten Räume zum Treffen, zum Austausch und zur Information. Man lernt ungewohnte Perspektiven kennen und sieht Möglichkeiten der persönlichen, der beruflichen sowie der gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Damit ist die Vhs ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung der Stadtgesellschaft. Es ist auch eine gute und wichtige Entscheidung der Stadt, zukünftig in
Lechhausen und Oberhausen VhsStandorte zu planen, um „Bildung für alle Bürgerinnen und Bürger nah am Wohnort“anzubieten.
Mit Ihrem Amtsantritt hat sich die Rechtsform der Vhs geändert. Sie sind jetzt Vorständin, daneben gibt es im Verein einen Aufsichtsrat, dessen Vorsitzende die amtierende Bildungsreferentin Martina Wild ist. Wie hat diese Konstellation die Struktur der Vhs verändert?
BilottaGutheil: Mit der Satzungsänderung ist die Vhs „näher an der Stadt“, der Austausch ist so besser möglich. Ich bin mit der Aufsichtsratsvorsitzenden in regelmäßigem Kontakt, um auch bildungspolitische Vorstellungen der Stadt Augsburg in der Erwachsenenbildung umsetzen zu können.
Und wie weit sind die Überlegungen gediehen, die Augsburger Vhs mit den beiden Volkshochschulen der Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg zusammenzuführen?
BilottaGutheil: Es gibt Gespräche. Wir wollen uns regelmäßig treffen.
Hatten Sie schon Zeit, einen Kurs bei der Vhs zu besuchen?
BilottaGutheil: Leider noch nicht. Sobald ich Zeit finde, würde ich gerne an der einen oder anderen Führung teilnehmen, um beispielsweise mehr über den jüdischen Friedhof in Kriegshaber oder über Pfersee zu erfahren.
Marina BilottaGutheil, 58, hat spa nischitalienische Wurzeln und kam als Sechsjährige mit ihren Eltern von Barce lona nach Bayern. Bevor die SozialPä dagogin und Betriebswirtin die Leitung der Augsburger Volkshochschule über nahm, war sie viele Jahre bei der Vhs München tätig. BilottaGutheil ist verhei ratet und hat einen erwachsenen Sohn.