Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sie wurde zur Gersthofer Persönlichkeit
Porträt Gertrud Öttl ist die Erfinderin des Kol-La-Männchens und hat sich viele Jahre für andere Menschen eingesetzt. Nun feierte die Künstlerin ihren 90. Geburtstag.
Gersthofen Ohne sie gäbe es das KolLa-Männchen – das quirlige Symbol der Gersthofer Faschingssitzungen nicht. Und auch sonst hat Gertrud Öttl Jahrzehnte lang zum Leben der Stadt beigetragen. Nun feierte die Grafikerin und Malerin ihren 90. Geburtstag. Dabei war es zunächst nicht vorgezeichnet, dass sie einmal Gersthoferin werden würde.
Gertrud Öttl, geboren im Juni 1922, stammt nämlich aus Clausthal-Zellerfeld im Harz, einer Stadt im niedersächsischen Landkreis Goslar. „Mein Vater war Chemiker, und wir zogen nach Leuna, als ich vier Jahre alt war“, erzählt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Nach dem Krieg floh ihr Vater, der in der Leitung einer Firma für synthetische Treibstoffe arbeitete, vor den Russen.
„In Bayreuth fanden wir bei den Großeltern Unterschlupf.“In der Festspielstadt ergab es sich gleichsam von selbst, dass sie mit der Musik von Richard Wagner aufwuchs, die sie bis heute sehr schätzt. „Meine Lieblingsoper ist der ,Tannhäuser‘.“Mit elf Jahren erlebte sie zum ersten Mal eine Oper im Festspielhaus – im Kommunionkleid. Weil eine Tante im Kartenbüro der Festspiele arbeitete, kam sie oft in den Genuss von Vorstellungen. Und als Schülerin sang sie dort in den „Meistersingern“im berühmten „Wach auf“-Chor mit.
Als der Vater schließlich zu den damaligen Farbwerken Hoechst nach Gersthofen wechselte, kam sie ebenfalls an den Lech. Sie entschloss sich, das Singen nicht intensiv weiterzuverfolgen, und studierte dann in München auf der Modeschule. „In der damaligen Zeit hatte ich an der Akademie, wohin ich eigentlich wollte, wegen der zahlreichen männlichen Mitbewerber keine Chance.“
Im Zug nach München begegnete sie erstmals ihrem späteren Mann, dem Architekten Hermann Öttl. „Er sah, dass ich eine Kunstmappe mit dabeihatte und war sofort interessiert.“
1957 haben die beiden schließlich geheiratet. Im Lauf der Zeit bekam das junge Paar zwei Söhne und zwei Töchter. Zunächst arbeitete sie
noch in Augsburg mit Kurt Glaser: „Dieser hat angefangen, Karikaturen in die Werbung zu bringen, und ich habe seine Skizzen dann umgesetzt.“Doch nach dem zweiten Kind sei dies nicht mehr gegangen.
So kam sie schließlich zum Malen, blieb dabei aber stets beim Figürlichen. Ihr Mann Hermann Öttl wurde ein renommierter Architekt, der unter anderem in Gersthofen den Bau der Pfarrkirche Maria, Königin des Friedens sowie die Renovierung des denkmalgeschützten Gasthofs Strasser verantwortete. „Wenn mein Mann bei wichtigen Wettbewerben mitgemacht hat, habe ich manchmal seine Pläne mit Farbe ausgearbeitet.“
Selbst blieb sie bei der Malerei. „Mich hat die Mode immer interessiert als Geschichte, denn in der Kleidung zeigt sich die Entwicklung der Freiheit“, ist sie überzeugt. „Je lässiger sie wurde, desto freier wurde die Gesellschaft. Jetzt haben wir viel Freiheit, und das ist schön.“Deswegen haben sie Trachten und volkstümliche Kleidung nicht interessiert. „Da gab’s mir zu viele Zwänge.“
Große Wertschätzung bei den Gersthoferinnen und Gersthofern errang sich Gertrud Öttl durch vielfältige Einsätze für Vereine und Organisationen. Unter anderem ist sie Mitbegründerin und war lange Vorsitzende des Gersthofer Kulturkreises und auch in der Jury des Gersthofer Kunstpreises. Jahrelang malte sie gemeinsam mit Seniorinnen. Zuletzt engagierte sie sich für den Gersthofer Helferkreis, der die Asylbewerber in der Stadt betreut. Doch inzwischen musste sie dies aufgeben.
Einen dauerhaften Platz in der Gersthofer Geschichte erwarb sie sich durch ihren Einsatz für die Gersthofer Kol-La-Faschingssitzungen. „Sie war verantwortlich für das Kol-La-Männchen“, erklärte Zweiter Bürgermeister Reinhold Dempf, als er Gertrud Öttl zum Geburtstag gratulierte.
Und er muss es wissen: Denn Dempf selbst war das erste Kol-LaMännchen überhaupt. Viele Jahre gestaltete die Künstlerin auch jeweils den Kol-La-Faschingsorden. Diese Aufgabe hat sie aus Altersgründen inzwischen aufgegeben. Doch das Bühnenbild der närrischen Sitzungen basiert bis heute auf ihren Entwürfen.
Die künstlerische Arbeit hat sie ebenfalls beendet. „Ich habe nicht mehr das erforderliche Gefühl in den Fingern, um zu malen und zu zeichnen.“Stattdessen kümmert sie sich heute mehr um ihren großen Garten mitten in Gersthofen.
Gefeiert hat Gertrud Öttl ihren 90. Geburtstag ganz privat im Kreise der Familie. „Mit Verwandten sowie vier Kindern, zehn Enkelkindern und sechs Urenkeln – insgesamt 40 Personen – war da ganz schön was los.“Demnächst folgt noch die Feier mit der Verwandtschaft ihres 1999 gestorbenen Mannes.