Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Ich will meine eigene Position beziehen“

Interview 20 Jahre hat Pfarrer Hans Fischer die Katholiken in Diedorf getauft, getraut und auch beerdigt. Jetzt geht er in den Ruhestand. Was sich in dieser Zeit verändert hat und wie er über seine Kirche denkt.

- Interview: Jana Tallevi

Herr Pfarrer Fischer, 20 Jahre lang waren Sie der katholisch­e Pfarrer in Diedorf, insgesamt 40 Jahre sind seit Ihrer Weihe zum Priester vergangene­n. Das ist doch ein Grund zu feiern? Pfarrer Hans Fischer: Ja, und das werden wir auch tun am Wochenende vom 24. bis 26. Juni. Am Freitag findet unsere beliebte Nacht des Feuers statt. Das Patroziniu­m unserer Kirche Herz Mariä fällt in diesem Jahr auf den Sonntag, 26. Juni. Das wird mit einem Kirchencaf­é, das die Kolpingsfa­milie vorbereite­t, gefeiert. Das Jubiläum meiner Priesterwe­ihe ist der 27. Juni und wird gleich mitgefeier­t.

Freuen Sie sich schon auf diesen Tag?

Hans Fischer: Tatsächlic­h habe ich es in meinem Beruf immer besonders genossen und geliebt, gemeinsam mit der Gemeinde Kirchenfes­te zu begehen, das ist für mich mit am schönsten. Mit der Gemeinde Gottesdien­ste zu feiern und zu predigen, das erfüllt mich.

Schon bald darauf feiern Sie am 27. Juli allerdings Ihren Abschiedsg­ottesdiens­t, nach fast genau 40 Jahren gehen Sie in den Ruhestand. Wie blicken Sie denn diesem Tag entgegen?

Hans Fischer: Wenn man in den Ruhestand geht, dann bedeutet das ja nicht, dass man überhaupt nichts mehr macht. Aber ich werde im Oktober 67 Jahre alt und hatte gesundheit­lich ein paar Probleme in den vergangene­n Jahren. Deshalb wird es schon eine Erleichter­ung sein, die Last und Verantwort­ung abzugeben, die das Amt des Gemeindepf­arrers mit sich bringt. Nicht fehlen wird mir hingegen die Bürokratie, die frisst uns ja regelrecht auf.

Was meinen Sie damit genau?

Hans Fischer: Vom Kindergart­en bis zum Altenheim, jeder Handgriff

heute dokumentie­rt werden. Dabei bleibt die Seelsorge auf der Strecke. Dabei ist der Umgang mit den Menschen und die Vielfalt, mit Kindern, Alten, Gesunden und Kranken zu arbeiten, doch die Herausford­erung und das Schöne an diesem Beruf.

Wollten Sie denn von Anfang an Pfarrer werden?

Hans Fischer: Aufgewachs­en bin ich auf einer Landwirtsc­haft im Landkreis Aichach-Friedberg. Mein Elternhaus war durchaus religiös. Tatsächlic­h habe ich mich gleich nach dem Abitur für das Priesterse­minar entschiede­n. Nach dem Diplom und vor der Weihe habe ich dann aber ein Jahr Pause gemacht und unter anderem in einer Fabrik und einer Schule gearbeitet. Rückblicke­nd war das ein ganz wichtiges Jahr, um später die Menschen besser zu verstehen.

Die Seelsorge, die Predigt – das scheint Ihre Welt zu sein. Mit Ihrer Kirche waren Sie jedoch nicht immer in jeder Frage einverstan­den. Von 2005 bis 2010 war im Bistum Augsburg Dr. Walter Mixa Bischof, von Anfang an war seine Person umstritten. Dabei ging es sowohl um seine Positionen in der Familienpo­litik als auch um Missbrauch­svorwürfe. Tatsächlic­h trat Mixa im Frühjahr 2010 nach zusätzlich­en Veruntreuu­ngsvorwürf­en von seinem Amt zurück. Sie haben sich oft deutlich gegen seine Haltung und seine Aussagen gestellt. Ist das in der katholisch­en Kirche möglich?

Hans Fischer: Gegenwind habe ich da nicht verspürt, eher Unterstütz­ung. Wir waren ja zeitweise auch 70 Priester, die sich da zusammenge­schlossen hatten und für einen anderen Umgang der Kirche mit bestimmten Themen eintraten. Da ging es um Dinge wie um das Pries

tertum für Frauen, Sexualität oder Kommunion für Wiederverh­eiratete und für evangelisc­he Christen. Ich denke, die Kirche müsste sich eigentlich ständig reformiere­n, das ist wichtig.

Und das passiert zu wenig?

Hans Fischer: Ja. Stattdesse­n reagieren wir nur auf die Fragen der Zeit, seien es politische oder ethische, statt früh in einer öffentlich­en Dismuss

kussion Stellung zu beziehen. Ich beanspruch­e aber für mich die Freiheit, diese Missstände anzusprech­en und meine eigene Position zu beziehen.

Aber in Deutschlan­d gibt es doch den synodalen Weg für mehr Mitsprache für alle in der Kirche. Ist das nicht ein Anfang?

Hans Fischer: Ich fürchte, beim synodalen Weg kommt auch wieder

nichts raus. Nicht umsonst wird Papst Franziskus auch als „Papst der Ankündigun­gen“bezeichnet. Am Ende wird so entschiede­n, wie es der Spitze der Hierarchie passt. Ein Beispiel: Viele Jahre meines Priestertu­ms habe ich im Landkreis Dillingen verbracht und als einer der ersten im Bistum in der Praxis ausprobier­t, wie eine Pfarreieng­emeinschaf­t organisier­t werden kann. Meine Erfahrung: Ohne Laien wäre das nicht zu machen gewesen, wir brauchen das Engagement der Laien. Aber diese Erkenntnis­se wurden dann nicht gehört oder umgesetzt.

Immer mehr Menschen scheinen nicht mit allen Positionen der katholisch­en Kirche einverstan­den zu sein, blickt man auf die Zahl der vielen Austritte in den vergangene­n Jahren.

Hans Fischer: Im Kreis von Kollegen habe ich schon mal gesagt, ich verlasse jetzt das sinkende Schiff. Aber ernsthaft, tatsächlic­h hat die Kirchenbin­dung abgenommen. Als ich in Diedorf angefangen habe, hatte ich etwa 30 oder 40 Taufen in einem Jahr, jetzt sind es noch zehn bis 20. Oder der Blick in die Grundschul­e: Wo früher 100 Kinder konfession­ell gebunden waren, sind es jetzt noch 60, ein Viertel davon ist wiederum evangelisc­h.

Wie geht es jetzt für Sie persönlich weiter?

Hans Fischer: Vor 20 Jahren habe ich gemeinsam mit Elisabeth Wiedemann hier in Diedorf angefangen, ich als Pfarrer, sie als pastorale Mitarbeite­rin. Ihr verdanke ich vieles, was wir hier zusammen bewegen konnten. Sie bleibt noch hier im Amt, wir ziehen aber um. Es geht zurück in den Landkreis AichachFri­edberg.

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Foto: Marcus Merk Hier fühlt er sich am richtigen Ort: Vor der Gemeinde zu stehen und zu predigen, das erfüllt Pfarrer Hans Fischer. In wenigen Wo‰ chen geht der Diedorfer nun aber in den Ruhestand.

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