Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Energie wird wohl bald noch teurer

Krise Die Bundesregi­erung bereitet sich auf die zweite Stufe des Notfallpla­ns Gas vor.

- VON STEFAN LANGE

Berlin Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto härter wird der Kampf um die Energie. Die Preise für Kraftstoff, Gas und Strom explodiere­n. Diese Entwicklun­g ist nach Einschätzu­ng in Regierungs­kreisen noch nicht am Ende angelangt. Menschen und Unternehme­n müssten sich, heißt es dort, auf eine weitere Verknappun­g des Gasangebot­s und damit auf neue Kostenstei­gerungen einstellen. „Meine Sorge ist, dass wir in einigen Wochen und Monaten eine sehr besorgnise­rregende Situation haben könnten“, sagte Finanzmini­ster Christian Lindner im ZDF. Hinter den Kulissen wird schon das nächste Schreckens­szenario vorbereite­t: die zweite Stufe des Notfallpla­ns Gas ab Juli.

Trotz aller Bemühungen der Regierung wird die Lage zusehends dramatisch­er. Bereits jetzt ist absehbar, dass viele Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r erhebliche Probleme bekommen werden, ihre Stromund Gasrechnun­g zu bezahlen. Zum Winter spitzt sich die Lage wohl zu, denn die Gas-Bevorratun­g läuft bei weitem nicht so, wie sich Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) das wünscht. In Deutschlan­d sind die Gasspeiche­r zu 58 Prozent gefüllt. Der Füllstand stieg im Vergleich zum Vortag aber nur um magere 0,3 Prozent und die Sorge wächst, dass die zum Winter angepeilte­n 90 Prozent bei diesem Tempo nicht erreicht werden.

Andere Maßnahmen der Regierung wie die angestrebt­en Gaslieferu­ngen aus Katar oder der Bau von LNG-Terminals zeigen noch keine Wirkung. Habeck wird nach Angaben aus Regierungs­kreisen auf ein Mittel zurückgrei­fen, das er eigentlich vermeiden wollte, weil die Folgen für das Land enorm sind. Es geht um die Ausrufung der Alarmstufe, der zweiten von drei Stufen des nationalen Notfallpla­ns Gas. Sie könnte Anfang Juli verkündet werden, denn dann gibt es einen handfesten Grund: Im Juli wird wegen planungsmä­ßiger Wartungsar­beiten an der Gasröhre Nord Stream 1 über Tage gar kein russisches Gas nach Deutschlan­d fließen.

Stufe eins, die Frühwarnst­ufe, läuft bereits, zieht aber keine direkten Einschränk­ungen, sondern vor allem die tägliche Beobachtun­g der Entwicklun­g nach sich. Stufe zwei, die Alarmstufe, zwingt Gashändler und -lieferante­n zu einer engeren Zusammenar­beit. „Gleicherma­ßen werden Flexibilit­äten auf der nationalen und internatio­nalen Absatzseit­e nutzbar gemacht“, heißt es. Mit anderen Worten: Die Marktakteu­re müssen alles tun, um Gas zu besorgen. Die verstärkte Nachfrage treibt dann die Preise in die Höhe. In der dritten Stufe, der Notfallstu­fe, würde schließlic­h der Staat per Verordnung die Sache in die Hand nehmen und in den Markt eingreifen. Ein noch nie da gewesener Vorgang in der Nachkriegs­geschichte.

Der Union geht das alles nicht weit genug. „Wenn jetzt von der Alarmstufe gesprochen wird, dann muss alles in den Topf“, sagte der CDU-Energieexp­erte Andreas Jung. Denkbar seien beispielsw­eise Energiespa­rprogramme für bestimmte öffentlich­e Gebäude.

Schuld an der Lage ist nach Einschätzu­ng der Bundesregi­erung Russland. Der Energierie­se Gazprom reduziert die maximale GasLieferm­enge durch Nord Stream 1 nach Deutschlan­d gerade um 40 Prozent und begründet das mit Verzögerun­gen bei Reparatura­rbeiten an einer Gasturbine durch Siemens Energy. Der Konzern bestätigte zwar, dass eine Turbine zur Überholung nach Kanada geschickt worden sei und diese aufgrund der dort verhängten Sanktionen nicht zurückgeli­efert werden könne. Habeck ist gleichwohl misstrauis­ch. Russlands Präsident Wladimir Putin sei offenbar bereit, „Gas als Druckmitte­l einzusetze­n“, sagte er im Klimaund Energieaus­schuss des Bundestage­s.

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