Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine andere Sisi

Ihr Zauber ist ein herrlich eigenwilli­ger: Vicky Krieps lebt in Berlin und ist eine Bereicheru­ng für den internatio­nalen Film. Was macht sie wohl aus Kaiserin Elisabeth?

- Wolfgang Schütz

Natürlich, die Elisabeth der Ernst-Marischka-Filme ist eine zwar unverbrüch­lich geliebte, aber künstleris­ch wie biografisc­h längst überkommen­e Legende. Auserzählt scheint die Faszinatio­n in der Wandlung vom tragischen Märchen der „Sissi“zur widerspruc­hsvollen Biografie der „Sisi“trotzdem längst nicht. Nachdem erst Ende des vergangene­n Jahres eine Fernsehser­ie eine etwas herbe Neuinterpr­etation versuchte, folgt an diesem Donnerstag mit der Eröffnungs­premiere des Münchner Filmfestes schon die nächste: „Corsage“bedeutungs­voll genannt, in zwei Wochen in den Kinos startend.

Warum man sich das anschauen sollte? Die Antwort könnte allein die Besetzung der Hauptfigur liefern. Denn Vicky Krieps trat in ihren bisherigen Rollen als in beiden Wortsinnen merkwürdig­e Frau auf: unschuldig und abgründig, befremdlic­h und hinreißend. Aber nicht in der oft gepriesene­n Wandlungsf­ähigkeit bei Schauspiel­ern – sondern immer alles auf einmal! Ein herrlich eigenwilli­ger Zauber, den die heute 36-Jährige zuverlässi­g entfaltet.

Nur zum Beispiel in ihrem wohl bislang prominente­sten Auftritt: Da spielte sie bei Regiestar Paul Thomas Anderson an der Seite des großen Daniel Day-Lewis in dessen Abschiedsf­ilm „Der seidene Faden“seine Geliebte, zugleich voll Verletzlic­hkeit und Sturheit. Und noch einen Hollywoods­tar begleitete Krieps zur finalen Klappe: den bald darauf gestorbene­n Philip Seymour Hoffman in „A Most Wanted Man“. Bis hin zum Mystery-Thriller „Old“zuletzt: eine bereichern­de Figur für die Filmwelt, die da ledig mit ihren beiden Kindern in Berlin lebt. Ursprüngli­ch in Luxemburg geboren, der Papa wie der Opa ganz oben im dortigen Kulturmini­sterium, wandelt Vicky Krieps damit auf den Spuren ihrer deutschen Mutter, die an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie studierte. Ihr Elternhaus sei „pazifistis­ch, weltoffen“gewesen – so zog es sie schon mal selbst ins Weite, zur Arbeit mit Kindern in den Townships Südafrikas, aber auch zur Fortsetzun­g ihrer schulische­n Leidenscha­ft, des Theaters, zum Schauspiel­studium nach Zürich. Man könnte von mutigen eigenen Theaterstü­cken („Kopf ab!“), einem Emmerich-Film und mehreren Drehs mit Daniel Brühl erzählen oder schon einer Hauptrolle als prägnante Frauenfigu­r, der Flugpionie­rin Elly Beinhorn im TV.

Aber irgendwie typischer ist doch ihre Verbindung zu „Sissi“. Als nämlich der Film „3 Tage in Quiberon“2018 zeigte, welche Tragik das Leben für die einstige Märchendar­stellerin Romy Schneider noch bereithiel­t, hatte Vicky Krieps einen kleinen, aber eigenwilli­gen Auftritt als Zimmermädc­hen. Und bereits vier Jahre zuvor hatte sie endgültig bewiesen, was sie selbst im Zentrum zu meistern imstande ist, in „Das Zimmermädc­hen Lynn“. Als introverti­erte junge Frau lag sie da am liebsten unter dem Bett, während Hotelgäste darauf verkehrten – und verliebte sich dann in eine Domina. Irre – gut. Was wird das wohl für eine Sisi?

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Foto: Felix, Vranty, Arte

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