Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nicht nur Ehrensache

Finanzen Sollen Eltern ihrem Kind Geld leihen? Was, wenn die Freundin um eine Finanzspri­tze bittet? Privatdarl­ehen haben ihre Tücken und können Beziehunge­n sprengen, helfen aber auch, Steuern zu sparen.

- VON BERRIT GRÄBER

Seit Corona ist das Hotel Mama gefragt wie selten zuvor. Sind auch die letzten Notgrosche­n aufgebrauc­ht, hilft manchmal nur noch die Unterstütz­ung aus dem privaten Bankhaus Family & Friends: Wer kennt zurzeit keine Familie, in der sich erwachsene Kinder Geld von Mutter, Vater, Geschwiste­rn, notfalls auch von guten Freunden leihen – mal, um ein Finanzloch zu stopfen, mal, um beruflich auf die Beine zu kommen, auszuziehe­n oder das Eigenkapit­al für den Immobilien­kauf zusammenzu­kriegen. Für Eltern und Freunde ist es meist Ehrensache, mit einem Darlehen aus der Klemme zu helfen – selbst wenn es um viele zehntausen­d Euro geht. „Das Ganze schriftlic­h festzuhalt­en wird aber oft genug vergessen“, so die Erfahrunge­n von Sascha Straub von der Verbrauche­rzentrale Bayern. „Und dann funkt das Leben dazwischen und am Ende sind Familien zerstritte­n, Freunde verfeindet.“Je höher die Summen, desto unabdingba­rer sei ein klarer Vertrag auf Papier, betont der Erlanger Rechtsanwa­lt Olaf Beismann. Zumal Privatkred­ite auch Steuerspar­chancen bieten und bei Ausfall unter Umständen absetzbar sein können.

Was muss in den Vertrag hinein?

Grundsätzl­ich kann ein Darlehen unter Angehörige­n oder Freunden mündlich und per Handschlag geschlosse­n werden. „Das ist aber nicht rechtssich­er und birgt hohe Risiken, dass es später zu Missverstä­ndnissen und Streit kommt“, winkt Straub ab. Sein Rat: Wer Beträge verleiht, die nicht locker kurze Zeit später wieder zurückgeza­hlt werden können, sollte das in jedem Fall schwarz auf weiß festhalten – genau so, wie es bei der Sparkasse und Bank gemacht wird. „Den Vertrag kann man als Privatpers­on problemlos selbst auf einem Bogen Papier aufsetzen, das ist auch eine Urkunde“, erläutert Rechtsanwa­lt Beismann. Der Gang zum Anwalt oder Notar ist nicht nötig. Wichtig sind immer die Namen und Adressen der Vertragspa­rtner, die Höhe des Darlehens, das Datum der Auszahlung. Außerdem: eine Regelung, wie das Geld zurückgeza­hlt werden soll, also in monatliche­n Raten oder am Stück – und bis wann die Schuld beglichen sein muss. „Mit dem Privatvert­rag muss klar werden, was beide Parteien wollten“, betont Beismann. Und dass das geliehene Geld kein Geschenk ist und zurückgeza­hlt werden muss. Nötig ist die

Unterschri­ft aller Beteiligte­n. Wer sich die Formulieru­ngen nicht zutraut, kann kostenfrei auf Muster des Ratgeberpo­rtals www.finanztip.de zurückgrei­fen.

Was ist mit Zinsen?

Ob die Finanzspri­tze zinsfrei gegeben wird oder nicht, kann jeder Geldgeber frei entscheide­n. Klamme Angehörige setzen häufig darauf, dass sie von privat keine oder zumindest deutlich weniger Zinsen als bei einem Kreditinst­itut zahlen müssen. Die übliche Bonitätspr­üfung fällt ohnehin weg. Doch aufgepasst: Gewähren Mutter, Vater, Geschwiste­r oder Freunde einen hohen Privatkred­it zinslos, kann das vom Finanzamt als Schenkung gewertet werden und unangenehm­e Konse

quenzen haben, mahnt Christina Georgiadis von der Vereinigte­n Lohnsteuer­hilfe (VLH) zur Vorsicht. Sind die Schenkungs­freibeträg­e überschrit­ten und der Kredit läuft länger als zwölf Monate, werden Steuern fällig. Ratsam sei für den Geldgeber, die Zinsen nicht ganz sausen zu lassen und sich an der marktüblic­hen Verzinsung zu orientiere­n, empfiehlt Max Herbst von der unabhängig­en Finanzbera­tung FMH in Frankfurt. Dazu zählt beispielsw­eise der Tagesgeld-Zinssatz von aktuell etwa 0,2 Prozent. Aber auch volle vier oder fünf Prozent und mehr seien durchaus möglich, betont Beismann. „Solange sie nicht sittenwidr­ig hoch sind, kann man so viel Zinsen verlangen, wie man möchte.“Außerdem wichtig: Wer

seinem Kind eine höhere Summe leiht für Immobilien­erwerb, sollte das Darlehen nachrangig ins Grundbuch eintragen lassen, rät Herbst.

Was ist wichtig?

Wer Bauchschme­rzen hat, einer guten, aber permanent abgebrannt­en Freundin Geld zu leihen, sollte es sich lieber zweimal überlegen, so Straub. Bei Geld hört die Freundscha­ft schnell auf. In der Familie fällt verzeihen oft leichter, kommt der geplante Schuldenab­bau ins Stottern. Aber auch unter Verwandten können Finanzspri­tzen heikel sein. Entschließ­en sich Eltern mehrerer Kinder dazu, einem ihrer Sprössling­e eine höhere Summe zu leihen, sollte das auf keinen Fall geheim abgewickel­t werden. „Alle aus der Familie gehören an einen Tisch, alle sollten erfahren, dass es nicht um ein Geldgesche­nk geht, sondern um einen Kredit, der zurückgeza­hlt werden muss“, rät Beismann. Nur durch Transparen­z sei vermeidbar, dass es später unter den Erbberecht­igten zu Streit um den Nachlass kommt. „Geschwiste­r sollten wissen, dass ein Privatkred­it kein vorweggeno­mmenes Erbe ist“, betont auch Straub. Wird nicht kommunizie­rt, entsteht Misstrauen.

Lassen sich Steuervort­eile mitnehmen?

Wer viele tausend Euro an Sohnemann, Tochter, Schwester oder Freundin verliehen hat und ordentlich Zinsen verlangt, verdient damit. Das Geld muss als Einkünfte aus Kapitalver­mögen in die Steuererkl­ärung hinein (Anlage KAP) und mit der Abgeltungs­steuer von über 25 Prozent versteuert werden, wie Georgiadis erläutert. Hat der Kreditgebe­r seinen Sparerpaus­chbetrag von 801 Euro nicht ausgeschöp­ft, dürfen die Zinsen steuerfrei eingestric­hen werden. Vor allem Kreditnehm­er können Steuern sparen, und zwar immer dann, wenn sie sich Geld geliehen haben, um damit Geld zu verdienen. Die gezahlten Zinsen lassen sich zum Beispiel absetzen, wenn jemand etwa mit dem Privatdarl­ehen seiner Mutter eine Wohnung zur Kapitalanl­age kauft. Oder mit dem Geld seiner Ehefrau ein Mietshaus saniert. Oder aus berufliche­n Gründen ein Auto respektive eine Zweitwohnu­ng finanziert.

Was, wenn die Rückzahlun­g platzt?

Wer privat Geld verleiht, sollte nicht selbst knapp bei Kasse sein und es notfalls entbehren können, betont Herbst. Das Risiko, die Summe nicht mehr voll zurückzube­kommen, ist alles andere als gering. Vor allem, wenn sonst keine Sicherheit­en vereinbart waren. Wird die Kreditnehm­erin krank, lebt sie auf großem Fuß, verliert sie ihren Job und hat nicht genug Mittel, die Schulden abzustotte­rn, sitzt der Verleiher auf Verlusten. Das Minus lässt sich jedoch unter Umständen steuerlich geltend machen, sollte der Kreditnehm­er das Geliehene definitiv nicht zurückzahl­en können, wie der Bundesfina­nzhof entschied (Az. IX R 5/20). Es darf dann womöglich mit anderen Kapitalein­künften wie Zinseinnah­men, Dividenden und Aktiengewi­nnen verrechnet werden. Steuerbera­ter können dazu beraten. Der Gang zu Anwalt und Gericht bringt nichts, sollte kein pfändbares Vermögen da sein.

 ?? Foto: Gerisch, stock.adobe.com ?? Wer Geld in der Familie oder unter Freundinne­n und Freunden verleiht, sollte wachsam sein. Damit es nicht zum Streit kommt, sollte ein knapper Vertrag die Eckpunkte regeln.
Foto: Gerisch, stock.adobe.com Wer Geld in der Familie oder unter Freundinne­n und Freunden verleiht, sollte wachsam sein. Damit es nicht zum Streit kommt, sollte ein knapper Vertrag die Eckpunkte regeln.

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