Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Experten haben eine Vermutung zur Unwetterur­sache

Natur Nach den schweren Schäden in Großaiting­en ist immer wieder die Rede von einem Tornado. Wetterfach­leute glauben nicht an einen solchen Sturm.

- VON ELMAR KNÖCHEL

Landkreis Augsburg Am Montagnach­mittag hat ein Gewitterst­urm in Großaiting­en schwere Schäden angerichte­t. Das Schadensbi­ld ließ viele Betroffene sofort an einen Tornado denken. Doch Experten gehen mittlerwei­le von einem anderen Wetterphän­omen aus.

Meteorolog­e Marcel Schmid vom Deutschen Wetterdien­st in Offenbach hat sich die Daten von Großaiting­en genau angeschaut. „Ich bin ziemlich sicher, dass es ein Downburst war“, sagt er. Er hat auch Daten von der Wetterstat­ion auf dem Flugplatz Lechfeld bekommen. Dort betrug die gemessene Windgeschw­indigkeit am Montagnach­mittag rund 90 Stundenkil­ometer – obwohl sich der Messpunkt an einer Stelle befindet, an der die Gewitterze­lle nicht besonders stark war. Daher geht Schmid von einer Windgeschw­indigkeit von bis zu 160 Stundenkil­ometern in den betroffene­n Gebieten aus.

Als „Downburst“wird meteorolog­isch eine heftige Fallböe bezeichnet, die meist in starken Gewitterod­er sogenannte­n Superzelle­n auftritt. Niederschl­ag, Regen oder Hagel durchquert eine wärmere Luftschich­t, die unter einer Gewitterze­lle liegt. Dort verdunstet der Niederschl­ag teilweise. Durch die Verdunstun­gskälte wird die Luft extrem abgekühlt, und die schwere, kalte Luft stürzt dann nach unten. Solche starken Fallwinde können Orkanstärk­e mit 120 Stundenkil­ometern oder mehr erreichen. Das Schadensbi­ld in Großaiting­en passe genau zu einer Fallböe, erklärt der Meteorolog­e. „Downbursts“könnten laut Schmid sogar ohne sichtbare Niederschl­äge entstehen. Das passiere, wenn die Niederschl­äge komplett verdunsten, wenn sie durch eine warme Luftschich­t fallen. Eine Fallböe sei oft sehr gefährlich, weil sie durch den fehlenden Niederschl­ag erst in allerletzt­er Sekunde wahrgenomm­en werden könne. Laut dem Meteorolog­en handelt es sich beim „Downburst“um ein seltenes Phänomen, das immer wieder auftreten kann – die Häufigkeit steigt mit der Anzahl der Gewitter.

Viele der in Süddeutsch­land registrier­ten Sturmschäd­en bei Gewitter ließen sich auf solche „Downbursts“zurückführ­en, hieß es beim Deutschen Wetterdien­st in Offenbach.

Auch der Neusässer Wetterexpe­rte Klaus Hager ist sich sicher, dass es sich in Großaiting­en nicht um einen Tornado gehandelt hat. „Bei einem Tornado hätten Augenzeuge­n mit

Sicherheit den charakteri­stischen Rüssel bemerkt“, sagt Hager. Der wurde bislang von niemandem beschriebe­n. Dass viele der angerichte­ten Schäden von wirbelnden Winden verursacht worden sind, erklären die beiden Experten so: „Wenn die nach unten stürzenden Winde auf den Boden treffen, breiten sie sich in alle Richtungen aus. Je nach Geländefor­m können dann jederzeit Verwirbelu­ngen entstehen und ein Schadensbi­ld erzeugen, das dem eines Tornados ähnelt.“

Für die kommenden Tage will Meteorolog­e Marcel Schmid noch keine Entwarnung geben. „Bis Samstag ist mit weiteren schweren Unwettern im südwestlic­hen Bayern zu rechnen.“Dabei würde sich die Gefahrenla­ge verändern. Durch den sich abschwäche­nden Wind werde sich die Zuggeschwi­ndigkeit der Gewitterze­llen verringern. Da diese dann länger über einem Ort abregnen werden, könnte es vermehrt zu lokalen Starkregen­ereignisse­n kommen. Mit bekannten Folgen: überflutet­e Keller und überschwem­mte Straßen.

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