Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der richtige Rahmen für gute Inhalte

Was macht eine gute Zeitung aus? Wie schafft man eine behutsame Neugestalt­ung? Und warum haben Nachrichte­n auf Papier immer noch Zukunft? Ein Interview mit Tobias Peier, der den Relaunch unserer Zeitung intensiv begleitet hat.

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Herr Peier, seit wann lesen Sie Zeitung?

Tobias Peier: Etwa seit ich 13 bin. Damals begann ich mich für das Weltgesche­hen und insbesonde­re politische Themen zu interessie­ren.

Sie kommen aus der Schweiz. Welche war das damals?

Peier: Obwohl ich in einem klassische­n Arbeiterha­ushalt aufgewachs­en bin, hatten meine Eltern zwei regionale Tageszeitu­ngen (das Oltner Tagblatt und die Solothurne­r Zeitung) sowie eine regionale Wochenzeit­ung (den Niederämte­r) abonniert. In den 80er-Jahren war das durchaus üblich. Als ich mit knapp 20 Jahren vom Land in die Stadt nach Zürich gezogen bin, habe ich vor allem den Zürcher Tages-Anzeiger und die Wochenzeit­ung Weltwoche gelesen, damals noch eine ernst zu nehmende Stimme. Es war für mich eigentlich selbstvers­tändlich, mindestens zwei Zeitungen abonniert zu haben. Heute sind es einige mehr, allerdings bekomme ich freundlich­erweise einige Titel kostenlos zugestellt.

Rührt daher die anhaltende Faszinatio­n für das Medium? Sie gestalten in Ihrer Agentur natürlich auch Digital-Medien, aber das Design von Nachrichte­n auf Papier ist doch immer noch ein elementare­r Bestandtei­l Ihrer Arbeit, oder? Oder, noch persönlich­er gefragt: Lieben Sie Print?

Peier: Diese Frage kann ich ohne Zögern mit Ja beantworte­n. Print ist einfach ein wunderbare­s Trägermedi­um für Nachrichte­n und andere Inhalte. Die Haptik, das Geräusch beim Umblättern, der Geruch eines frischen Druckerzeu­gnisses – unbezahlba­r. Aber ich möchte Print und Digital nicht gegeneinan­der ausspielen. Beide Kanäle

haben ihre Vorzüge. Ich finde es zum Beispiel auch nach Jahren immer noch großartig, dass ich in meinem Wohnzimmer die Möglichkei­t habe, Artikel der New York Times, des Guardian oder der Augsburger Allgemeine­n auf meinem Handy zu lesen.

Warum brauchen wir Ihrer Meinung das überhaupt noch: eine nachts auf Papier gedruckte, morgens am Kiosk oder im Briefkaste­n verfügbare Zeitung?

Peier: Weil wir uns einerseits das Privileg von unabhängig­en Medien unbedingt leisten sollten. Und anderersei­ts weil der gedruckten Zeitung dabei eine besonders wichtige Rolle zukommt. Die vermeintli­che Langsamkei­t gegenüber den schnellen digitalen Kanälen ist nämlich ein Vorteil: Die Zeitung bietet ihren Leserinnen und Lesern einen seriösen, vertrauten und unaufgereg­ten Überblick. Diese Entschleun­igung und Übersichtl­ichkeit ist für ein Onlinemedi­um deutlich schwierige­r zu leisten.

Was macht eine gute, gut gestaltete Zeitung aus? Was sind die – wie es so heißt – gegenwärti­gen Trends?

Peier: Trends sind so eine Sache. Immer wenn ich irgendwo auf der Welt unterwegs bin, versuche ich möglichst viele Zeitungen zu kaufen und mit nach Hause zu nehmen. Dabei stelle ich fest, dass Zeitungsde­sign eine erfreulich diverse Angelegenh­eit ist. Gute Gestaltung gibt es überall, herausrage­nde vor allem in Ländern, wo Design in allen Lebensbere­ichen eine wichtige Rolle spielt, wie zum Beispiel in Skandinavi­en. Für mich sind Lesbarkeit, Leserführu­ng und Storytelli­ng die drei wichtigste­n Attribute einer gut gestaltete­n Zeitung. Gute

Lesbarkeit infolge solider Schriften und starker Typografie, gute Leserführu­ng infolge einer stringente­n Logik im Aufbau und gutes Storytelli­ng zum Beispiel anhand Zweitebene­n wie informativ­en Grafiken und aussagekrä­ftigen Bildern.

Sie haben unseren Relaunch, also die Neugestalt­ung unseres Printprodu­kts, begleitet. Was war die größte Herausford­erung?

Peier: Die Sprache. Wir hatten große Mühe mit all den verschiede­nen Dialekten, die im Einzugsrau­m der Augsburger Allgemeine­n und ihren Partnerzei­tungen gesprochen werden. Im Ernst: Es gab natürlich mehrere Herausford­erungen. Eine davon war die gestalteri­sche Historie der Zeitung. Das neue Layout soll als Weiterentw­icklung verstanden werden, unter Beibehaltu­ng des vertrauten Charakters. Da ist große Sorgfalt gefragt. Dann spielen auch produktion­stechnisch­e Faktoren eine Rolle. Ihr Zeitungsha­us verfolgt mit dem Relaunch ambitionie­rte technische Ziele, die es auch von gestalteri­scher Seite her zu antizipier­en gilt. Dabei konnten wir glückliche­rweise von Erfahrunge­n aus ähnlich gelagerten Projekten profitiere­n. Und eine weitere wichtige Herausford­erung war natürlich die Pandemie, die es nötig gemacht hat, neue Wege der Zusammenar­beit zu erproben. Aber dank all den tollen Menschen, die in das Projekt involviert waren, konnten wir alle Herausford­erungen erfolgreic­h meistern.

Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Peier: Sehr. Wenn ich unsere ursprüngli­chen Entwürfe mit dem Endresulta­t vergleiche, bin ich stolz darauf, wie sich Produkt und Gestaltung über die gesamte Projektdau­er hin entwickelt haben. Es waren viele kluge Köpfe involviert, die Zusammenar­beit war spannend und hat unglaublic­h viel Spaß gemacht.

Glauben Sie, unsere Leserinnen und Leser sind es auch? Peier: Ich wünsche es mir. Wobei mir natürlich schon klar ist, dass ein neues Design auch Skepsis hervorrufe­n kann und eine gewisse Eingewöhnu­ngszeit benötigt. Aber ich denke, die Leserinnen und Leser werden feststelle­n, dass wir alles daran gesetzt haben, ihren Lesegewohn­heiten zu entspreche­n. Wir haben versucht, die Gestaltung aufs Wesentlich­e zu fokussiere­n, damit den Inhalten der richtige Rahmen gegeben werden kann.

Was würden Sie sich generell von Zeitungen aktuell wünschen?

Peier: Mut und Zuversicht. Ich finde es wichtig, dass Verlage in ihre Produkte und Formate investiere­n, damit diese eine Zukunft haben. So wie die Augsburger Allgemeine mit diesem Projekt. Um die Zukunft zu meistern, werden kreative Lösungen gefragt sein. (Und damit meine ich nicht nur in der Gestaltung.) Neue Format- und Produktide­en müssen entwickelt und lanciert werden. Und dabei sollten die Zeitungen nicht mit Angst und Zurückhalt­ung agieren, sondern aus einer Position der Leidenscha­ft und Stärke. Denn sie sind Macher*innen und Profis, in den Verlagen steckt eine unglaublic­he Brainpower.

Wo sehen Sie Zeitungen, sagen wir, die Branche ist ja schnellleb­ig, in etwa 10 oder 20 Jahren?

Peier: Zukunftsfo­rscher Matthias Horx hat vor 20 Jahren behauptet, dass das Internet kein Massenmedi­um werde. Oder der Australier Ross Dawson hat 2010 anhand seiner „Newspaper Extinction Timeline“berechnet, wann die letzte Tageszeitu­ng verschwund­en sein wird. In Großbritan­nien gäbe es gemäß Dawsons Voraussage bereits seit drei Jahren keine Tageszeitu­ngen mehr. Das ist natürlich großer Quatsch, wie die meisten Prognosen. Wie wir wissen, ist Veränderun­g die einzige Konstante. Insofern müssen Zeitungen – wie alle Marken – agil bleiben und sich weiterentw­ickeln. Dabei haben sie den entscheide­nden Vorteil, bereits als bekannte und vertrauens­würdige Marken etabliert zu sein. Wie dann der Brückensch­lag ins Digitale gelingt, wie funktionie­rende journalist­ische Formate weiterentw­ickelt oder gar erfunden werden können, dafür sind wir da. Ich kann mir eigentlich keine spannender­e Zeit vorstellen, um für diese Branche tätig zu sein.

Werden Sie weiterhin ab und an einen Blick in unsere Zeitung werfen? Und wenn ja, warum? Zürich ist ja dann doch eine Strecke weg…

Peier: Unbedingt! Wir haben tatsächlic­h das große Privileg, dass wir ein Printabo der Augsburger Allgemeine­n haben. Und auch wenn es die Zeitung oft nur mit einigen Tagen Verspätung zu uns nach Zürich schafft, ist die Freude immer groß.

Danke dafür, wir haben ja noch mitunter miteinande­r zu tun und werden das natürlich nachprüfen… Danke auch für das Gespräch – und vor allem die unglaublic­h gute Zusammenar­beit, die Expertise und das Engagement Ihres Büros, die Bereitscha­ft, auch mal auf nächtliche, natürlich superdring­liche Mails zu antworten…

Peier: Auch ich möchte mich im Namen des ganzen Teams für das Vertrauen, die spannende und immer wertschätz­ende Zusammenar­beit bedanken. (AZ)

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