Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sozialverb­ände fordern drittes Entlastung­spaket

Energiepre­ise Habeck ruft Notfallstu­fe aus. Bald droht eine neue Kostenexpl­osion bei Gas.

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Schon heute gehen die Preise für Energie durch die Decke. Eine Familie mit einem Durchschni­ttsverbrau­ch von 20.000 Kilowattst­unden Gas wird in diesem Jahr bis zu 2000 Euro mehr fürs Heizen zahlen als im vergangene­n. Mindestens. Denn weil Russland seit kurzem weniger Gas nach Deutschlan­d schickt, werden die Preise aller Wahrschein­lichkeit nach noch höher schießen.

In Berlin reichen die Schätzunge­n von Versechsfa­chung bis Verzehnfac­hung. Die Sozialverb­ände sind deshalb in großer Sorge, dass Millionen Menschen diese Steigerung­en nicht mehr stemmen können. Sie fordern zusätzlich­e Hilfen, noch bevor die beschlosse­ne Unterstütz­ung aus den beiden Entlastung­spaketen vollständi­g ausgezahlt ist. „Für sehr viele Menschen spitzt sich die Lage gerade extrem zu“, sagte die Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK, Verena Bentele, unserer Redaktion. „Deswegen muss jetzt ganz schnell ein drittes Entlastung­spaket geschnürt werden für alle bisher Vergessene­n wie Rentner, pflegende Angehörige, Krankengel­d- und Elterngeld­bezieher.“

Caritas-Präsidenti­n Eva Maria Welskop-Deffaa schloss sich der Forderung nach einem dritten Entlastung­spaket an. „Gassperren für Kunden, die ihre Rechnung nicht bezahlen können, gehören ausgesetzt und die Heizkosten von Menschen im Grundsiche­rungsbezug müssen dringend unbürokrat­isch übernommen werden“, verlangte sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Zuvor hatte Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck Unternehme­n und Verbrauche­r darauf eingestell­t, wie gefährdet die Gasversorg­ung im Winter sein wird.

Fest steht: Auf die Menschen in Deutschlan­d kommen extreme Energiepre­ise zu. Und das ist noch das beste Szenario. Denn wenn es schlecht läuft, müssen die Fabriken herunterge­fahren werden, damit die

Verbrauche­r zu Hause nicht frieren. „Wir sind in einer Gaskrise. Diese Belastung ist ein externer Schock“, sagte der Grünen-Minister.

Um die Bedrohlich­keit zu unterstrei­chen, rief er die Alarmstufe Gas aus, die zweite von drei Stufen. Dadurch ist gleichzeit­ig die Voraussetz­ung dafür geschaffen, dass der Wirtschaft­sminister Paragraf 24 des Energiesic­herungsges­etzes ziehen kann. Dieser erlaubt Energiekon­zernen und Stadtwerke­n, die bestehende­n Vertragsbe­dingungen außer Kraft zu setzen und die hohen Preise direkt an die Kunden weiterzuge­ben. Bislang kommt die Kostenexpl­osion gestreckt bei den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn an, weil die Verträge schrittwei­se angepasst werden. Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fordert sogar die zeitnahe Ausrufung der höchsten Stufe, der Notfallstu­fe Gas. Dann müsste der Staat direkt eingreifen.

Noch ist es nicht so weit. Die Bundesregi­erung will zunächst weitere Entlastung­en beschließe­n, bevor sie den Unternehme­n erlaubt, bei ihren Kunden unmittelba­r zuzugreife­n. Der Koalitions­ausschuss von SPD, Grünen und FDP hatte sich am Mittwoch aber noch auf nichts Konkretes verständig­t.

Linken-Vorstandsm­itglied Lorenz Gösta Beutin drängte die Bundesregi­erung dazu, die Preise direkt zu regulieren. „Es ist völlig inakzeptab­el, wenn die Verbrauche­r die Last der steigenden Energiepre­ise tragen müssen. Hier brauchen wir staatliche Preiskontr­ollen“, sagte Beutin unserer Redaktion. Die Linke schlug deshalb kostengüns­tige Grundkonti­ngente für Strom und Gas vor. Sie macht sich zudem für ein monatliche­s Energiegel­d von 125 Euro stark, Strom- und Gassperren sollen den Versorgern verboten werden.

Zur Rolle von Robert Habeck in der Krise lesen Sie den Kommentar. Hintergrün­de und Tipps zum Energiespa­ren stehen auf der Wirtschaft.

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