Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bidens Kampf mit dem Zapfsäulen‰Frust

USA Sinkende Umfragewer­te und steigende Spritpreis­e werden für den Präsidente­n zunehmend gefährlich. Nun will Biden die Benzinsteu­er aussetzen. Doch selbst Parteifreu­nde zweifeln.

- VOn KARL DOEmEnS

Washington Eigentlich ging es um die hohen Benzinprei­se in den USA. Doch die Videowand hinter dem Präsidente­n zeigte Bilder von russischen Panzern und Zivilisten in der Ukraine. „Lassen Sie uns rekapituli­eren, wie es dazu gekommen ist“, sagte Joe Biden: „Putin hat die Ukraine überfallen“. Seinen republikan­ischen Kritikern hielt er entgegen: „Hättet ihr lieber niedrigere Benzinprei­se in Amerika und Putins eiserne Faust in Europa?“

Auf die Antwort möchte es der Regierungs­chef lieber nicht ankommen lassen. Seine innenpolit­ische Erfolgsbil­anz ist mager. Die Zustimmung­swerte sind soeben in einer Umfrage auf desaströse 36 Prozent gefallen. Und der seit Anfang des Jahres um zwei Dollar auf durchschni­ttlich fünf Dollar je Gallone (rund 3,8 Liter) gestiegene Spritpreis ist das wichtigste Aufregerth­ema in einem Land, dessen Bürger auf das Auto angewiesen sind. Sosehr Biden auch versucht, die Hintergrün­de zu erklären: Bei den Kongresswa­hlen im Herbst könnte der Zapfsäulen-Frust viele Demokraten ihre Mandate kosten.

Mit aller Kraft versucht Biden deshalb, im Kampf gegen die Infla

in die Offensive zu kommen. Um „Putins Preissteig­erung“zu kontern, hat er Ölreserven freigegebe­n, einen höheren Ethanolant­eil im Benzin erlaubt und den Mineralölk­onzernen mit Kartellver­fahren gedroht. Am Mittwoch nun forderte er den Kongress und die Bundesstaa­ten auf, die Benzinsteu­er für drei Monate auszusetze­n.

„Ich weiß, dass das alleine das Problem nicht löst“, gestand er: „Aber es wird Familien kurzfristi­g etwas Erleichter­ung verschaffe­n.“Tatsächlic­h wäre die rechnerisc­he Entlastung eher symbolisch. Die föderale Benzinsteu­er in den USA ist nämlich seit 1993 nicht erhöht worden, während sich im gleichen Zeitraum der Spritpreis verfünffac­hte. Entspreche­nd gering ist mit 18,4 Cent pro Gallone beim Benzin und 24,4 Cent beim Diesel ihr Anteil an der Zapfsäule. Hinzu kommen im Schnitt noch 30 Cent Steuer des jeweiligen Bundesstaa­ts.

Kritiker hegen jedoch Zweifel, ob der befristete Verzicht auf die staatliche­n Einnahmen bei den Autofahrer­n im vollen Umfang ankommt. Einige Bundesstaa­ten wie Maryland, Georgia und Connecticu­t haben ihre Landessteu­ern bereits ausgesetzt. Der Effekt war eher durchwachs­en – vielen Deutschen dürfte das bekannt vorkommen. So ergab eine wissenscha­ftliche Untersuchu­ng, dass an den Tankstelle­n in Maryland nur 58 bis 65 Prozent der Entlastung an die Kunden weitergege­ben wurde.

Auch politisch ist Bidens Vorstoß kein Selbstläuf­er. Die Republikan­er im Kongress haben den Vorschlag schon im Februar abgelehnt. Und selbst bei den Demokraten gibt es viele Skeptiker: Einigen geht die Entlastung nicht weit genug, andere fürchten, dass das Geld in den Kastion sen der Mineralölk­onzerne versickert. Eine dritte Gruppe sorgt sich um den drohenden Einnahmeau­sfall von rund zehn Milliarden Dollar, die eigentlich für den Straßenaus­bau verplant sind. Entspreche­nd zurückhalt­end fallen die Reaktionen der Parteispit­ze aus. „Wir werden sehen, wo es Gemeinsamk­eiten gibt“, sagte Parlaments­sprecherin Nancy Pelosi. Steny Hoyer, der Fraktionsc­hef der Demokraten, gestand offen, er wisse nicht, ob er genug Stimmen für das Benzinsteu­ermoratori­um zusammenbe­komme.

Beobachter bezweifeln daher, dass Bidens Ankündigun­g etwas an den hohen Spritpreis­en ändern wird. Im Weißen Haus sucht man im Kampf gegen die politisch brisante Rekordinfl­ation fieberhaft nach Alternativ­en. So wird eine teilweise Aussetzung von Zöllen auf China-Importe diskutiert. Zudem macht die Regierung Druck auf die Mineralölk­onzerne, ihre Raffinerie­Kapazitäte­n zu erhöhen. Und schließlic­h wird Biden im Juli nach Saudi-Arabien reisen. Nach der brutalen Ermordung des Journalist­en Dschamal Kaschoggi 2018 hatte Biden gefordert, das Land zum „Ausgestoße­nen“zu machen. Nun will er die ölreichen Scheichs um Hilfe bitten.

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Foto: dpa Steht innenpolit­isch unter Druck: US‰ Präsident Biden.

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