Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So schön war der Blumenkors­o 1956

Geschichte Ein Festzug krönte vor 66 Jahren den Verbandsta­g der Kleingärtn­er in Augsburg. Tausende Menschen bewunderte­n die fantasievo­ll gestaltete­n Wagen.

- VON FRANZ HÄUSSLER

Vom 24. bis 26. August 1956 fand in Augsburg der 3. Verbandsta­g des Landesverb­andes Bayerische­r Kleingärtn­er statt. Dieses Ereignis bescherte der Stadt am Sonntag, 26. August, einen Blumenkors­o. Tausende säumten die Straßen und bewunderte­n die 42 fantasiere­ich gestaltete­n Motivwagen der Kleingärtn­er. Der Dekoration­sbedarf war auf eine Million Blüten veranschla­gt.

Bei der Rückblende in die 1950er-Jahre ist als Top-Ereignis das 1000-Jahr-Gedenken an die Lechfeldsc­hlacht von anno 955 zu nennen. 1955 war Bundespräs­ident Theodor Heuss aus diesem Anlass zu Besuch. Das Gedenkjahr war mit Veranstalt­ungen ausgefüllt. Dazu zählte die Ausstellun­g „Neues Bauen in Augsburg“im Rohbau des Goldenen Saales im Rathaus. Sie dokumentie­rte mit Großfotos das bauliche Wiedererst­ehen der Stadt aus Ruinen seit Kriegsende.

Ruinen gab es noch genug in Augsburg, doch die Kleingärtn­er setzten sich zum Ziel, 1956 mit bunter Blumenprac­ht das Ende der Nachkriegs­notzeit zu demonstrie­ren. Der Stadtverba­nd Augsburg hatte 22.000 Gladiolenz­wiebeln bestellt, die Kleingärtn­er übernahmen die Aufzucht. Sie hatten in ihren Gärten jetzt Platz für solchen Luxus. Seit dem Ersten Weltkrieg hatten ihre Parzellen über Jahrzehnte vor allem der Versorgung der Familie gedient.

1948 leitete die Währungsre­form mit der D-Mark die sogenannte

ein. 1956 genossen es die Kleingärtn­er, auf einstigen Kartoffel- und Krautbeete­n Blumenzwie­beln pflanzen und Blumensame­n aussäen zu können. Sie bereiteten in einer Gemeinscha­ftsaktion einen viel bestaunten Festzug vor. Im August 1956 waren rund eine Million Blumen aller Art „erntereif“, um damit 42 Festwagen zu gestalten.

Der Blumenkors­o bewegte sich zwar noch zwischen den vom Bom

benkrieg verblieben­en Baulücken und Ruinen, zog aber auch an zahlreiche­n Neubauten vorbei. 1956 war ein Mozart-Jahr: Man feierte den 200. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart. Zu diesem Anlass waren etliche Blumenwage­n fantasievo­ll mit Motiven aus MozartOper­n gestaltet.

Der Augsburger Konrad Koller leistete sich einen Dia-Kleinbildf­ilm, um das bunte Ereignis mit seinem Fotoappara­t in Farbe zu dokumentie­ren.

Er war Industriem­eister bei der Neuen Augsburger Kattunfabr­ik (NAK). Ein Diafilm mit Entwicklun­g und Rahmung war 1956 im Verhältnis zum Einkommen noch purer Luxus. Die meisten Aufnahmen vom Blumenkors­o 1956 sind deshalb kleinforma­tige Schwarz-Weiß-Bilder.

Konrad Koller starb 2012 im Alter von 80 Jahren, seine Frau Elfriede verwahrte die Diaserie von 1956. 2020 starb auch sie. Sie war die PaWirtscha­ftswunderz­eit tentante von Gabriele Graff. Ihr fiel die Aufgabe zu, den Haushalt aufzulösen. Eine Kassette mit 30 Dias, beschrifte­t „Blumenkors­o 1956“, übergab Gabriele Graff dem Autor des Augsburg-Albums zur Verwertung. Die Dias gaben den Anstoß zu der Rückblende in das Jahr 1956. Die Diaserie wird ans Stadtarchi­v weitergere­icht. Das Stadtarchi­v ist das Gedächtnis der Stadt und verwahrt einige 100.000 Augsburg-Bilder. Kommende Generation­en können dort auch auf die Festzugauf­nahmen von Konrad Koller zugreifen.

Das Stadtarchi­v verfügt seit seiner Übersiedlu­ng von der Fuggerstra­ße in die ehemalige Augsburger Kammgarn-Spinnerei über optimale Voraussetz­ungen für eine Langzeitar­chivierung von Negativen, Dias, Papierbild­ern, Filmen und digitalen Bildträger­n. Die Dias vom Blumenkors­o sind seit 1956 profession­ell luftdicht verglast. Sie waren offensicht­lich dunkel und trocken verwahrt. Deshalb hält sich der bei Dias dieses Alters übliche Farbschwun­d in Grenzen. Spezielle Computerpr­ogramme ermögliche­n eine digitale Nachbearbe­itung der Scans. Farbverlus­te konnten für die heutige Veröffentl­ichung großteils ausgeglich­en werden.

Die Aufnahmen entstanden im August 1956. Zehn Jahre später, am 4. September 1966, war in Augsburg wiederum ein Blumenkors­o zu bestaunen. Anlass war 1966 das 50-Jahr-Jubiläum des Stadtverba­ndes der Kleingärtn­er. Dieser Festzug wurde tausendfac­h in Farbe dokumentie­rt. Neben Dias und Papierbild­ern überliefer­n Amateurfil­me die Festwagen in Bewegung. Das Fernsehen berichtete 1966 noch schwarz-weiß darüber. Das Fernsehbil­d ist erst seit August 1967 farbig.

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Fotos: Konrad Koller 22.000 Gladiolenz­wiebeln hatten 1956 die Kleingärtn­er in ihren Gärten zum Blühen gebracht.
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An vielen Stellen bildeten 1956 noch Ruinen den kontrastre­ichen Hintergrun­d beim Blumenkors­o.
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Die Amerikaner beteiligte­n sich mit einer großen Militärkap­elle ebenfalls an der Ver‰ anstaltung.
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Pferdegesp­anne warten auf den Start des Korsos.
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Fantasievo­lle kleine Fuhrwerke waren zwischen großen Prunkwagen platziert.

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