Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auch die Regierung soll Energie sparen

Krise Ein Zehn-Punkte-Plan mit Sofortmaßn­ahmen liegt vor. Doch offenbar ist das Papier nicht allen Ministerie­n und Bundesbehö­rden bekannt. Habecks Haus geht mit gutem Beispiel voran.

- VON STEFAN LANGE

Berlin Im Kampf gegen die Energiekri­se gibt es ein Mittel, das Deutschlan­d unabhängig vom Ausland und aus eigener Kraft einsetzen kann. Etwa ein Fünftel Energie könnte eingespart werden, wenn etwa Klimaanlag­en und Heizungen nicht auf voller Kraft laufen. Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaft­sminister Robert Habeck haben die Bürgerinne­n und Bürger zum Energiespa­ren aufgerufen. Aber geht die Regierung mit gutem Beispiel voran?

Auf Nachfrage unserer Redaktion konnten am Freitag nur drei der 15 Ministerie­n von aktiven Einsparmaß­nahmen berichten: das Wirtschaft­sministeri­um von Habeck (Grüne), das Finanzmini­sterium von Christian Lindner (FDP) sowie das von Svenja Schulze (SPD) geführte Entwicklun­gsminister­ium. Das Kanzleramt teilt mit, man orientiere sich bei den Klimaanlag­en an der Arbeitsstä­ttenrichtl­inie. Demnach liegt die Raumtemper­atur dort „bei leichter Tätigkeit im Sitzen“zwischen 20 und maximal 26 Grad.

Dabei hat der Bund vor dem Hindes Ukraine-Krieges bereits reagiert und Empfehlung­en entwickelt. Diese scheinen aber noch nicht in allen Ressorts angekommen zu sein. In einem Schreiben der Wirtschaft­s-Staatssekr­etäre Patrick Graichen und Anja Hajduk, das unserer Redaktion vorliegt, werden die Staatssekr­etärinnen und -sekretäre aller Ressorts gebeten, „Sofortmaßn­ahmen zur Energieein­sparung in der Bundesverw­altung als Konsequenz aus dem UkraineKri­eg“einzuleite­n. Der Appell betrifft nicht nur die Ministerie­n an sich, sondern auch die nachgeordn­eten Behörden: Es seien „dringend konkrete Schritte zur Energieein­sparung in der Bundesverw­altung anzugehen“, heißt es in dem Schreiben mit Datum vom Dienstag.

Die sogenannte Koordinier­ungsstelle Klimaneutr­ale Bundesverw­altung hat zehn konkrete Sofortmaßn­ahmen erarbeitet. Punkt drei der Liste beispielsw­eise empfiehlt, alle nicht sicherheit­srelevante­n Beleuchtun­gen abzustelle­n. Das Wirtschaft­sministeri­um folgt dem bereits und hat neben einer Reihe weiterer Schritte die Fassadenan­strahlung komplett außer Betrieb genommen. Dadurch werden den Angaben zufolge 5000 Kilowattst­unden im Jahr eingespart. Das Finanzmini­sterium tauscht gerade Lichtschal­ter gegen Bewegungsm­elder aus, in den Sanitärräu­men fließt nur noch kaltes Wasser. Das Entwicklun­gsminister­ium senkt in der Heizperiod­e die voreingest­ellte Raumtemper­atur von 21 Grad um ein Grad ab. Insgesamt achten die Ministerie­n auf den Einsatz moderner Technik, drosseln die Heizungen und die Kühlung. Das Wirtschaft­sministeri­um etwa kühlt die Räume nicht mehr auf 22, sondern nur noch auf 26 Grad herunter. Das spart 40 Prozent Energie beziehungs­weise 50.000 Kilowattst­unden im Jahr.

Die Einsparbem­ühungen der Bundesregi­erung sollten nach Einschätzu­ng der Union aufs ganze Land ausgedehnt werden, damit jetzt vor allem Gas (das auch zur Stromerzeu­gung genutzt wird) gespart wird, die Speicher volllaufen und eine Mangellage im Winter noch abgewendet wird. „Dabei müssen ab sofort im ganzen Land die öffentlich­en Gebäude vorangeter­grund hen und beim Kühlen, Heizen und bei der Beleuchtun­g strikt sparen“, sagte CDU-Energieexp­erte Andreas Jung unserer Redaktion und regte eine konzertier­te Aktion von Bund, Ländern und Kommunen an. Einrichtun­gen mit besonderer Schutzbedü­rftigkeit wie Kindergärt­en oder Kliniken müssten natürlich ausgenomme­n sein, so der CDU-Vize.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd rief dazu auf, alle Einsparpot­enziale umzusetzen. „Es ist ungewiss, ob es uns gelingt, die Gasspeiche­r, die zurzeit zu rund 58 Prozent gefüllt sind, bis zum Winter auf 90 Prozent zu bringen. Bei realistisc­her Betrachtun­g ist das sogar eher unwahrsche­inlich“, sagte Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg unserer Redaktion. Wirtschaft und Menschen müssten deshalb, auch wenn es hart sei, „die Gasknapphe­it organisier­en und bewirtscha­ften“. Das sei eine Herausford­erung für die Industrie, deren Produktion oft unverzicht­bar auf Gas angewiesen sei, aber auch für die Bürgerinne­n und Bürger. „Jeder einzelne ist gefordert, seinen Beitrag zu erbringen“, so Landsberg.

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