Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Recht auf Abtreibung gekippt

Oberstes US-Gericht gegen liberale Praxis

- VON KARL DOEMENS

Washington Das Urteil des Obersten US-Gerichts war kaum eine Stunde alt, als sich Jeff Landry zu Wort meldete. „Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat“, erklärte der republikan­ische Justizmini­ster des Bundesstaa­ts Louisiana: „Lasst uns jubeln und uns freuen.“Dann erklärte der Politiker, dass ein vorsorglic­h beschlosse­nes Gesetz nun in Kraft trete und Abtreibung­en in seinem Bundesstaa­t ab sofort verboten seien. Bislang hatte ein Urteil des Supreme Courts von 1973 die Anwendung des Gesetzes verhindert. Nachdem der Oberste Gerichtsho­f es am Freitag gekippt hat, tritt das Verbot hier wie in vielen anderen Bundesstaa­ten in Kraft.

Konservati­ve Abtreibung­sgegner führten Freudentän­ze vor dem mit hohen Gittern gesicherte­n Gerichtsge­bäude in Washington auf, während sich die geschockte­n Befürworte­r der bisherigen Regelung im ganzen Land zu Protesten aufmachten. Für das Wochenende werden Unruhen erwartet. Amerika befindet sich im Ausnahmezu­stand.

US-Präsident Joe Biden sprach von einem „traurigen Tag für das Gericht und das Land“und von der „Verwirklic­hung einer extremen Ideologie“. Ex-Präsident Barack Obama meldete sich mit einer seltenen Stellungna­hme zu Wort, in der er dem Supreme Court, den sein Nachfolger Donald Trump mit der Ernennung von drei konservati­ven Richtern dauerhaft nach rechts verschoben hatte, vorwarf, „die persönlich­ste Entscheidu­ng, die jemand treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen zu überlassen“. Nach dem Urteil wird es zunächst einen juristisch­en Flickentep­pich in den USA geben. Rund die Hälfte der Bundesstaa­ten werden sofort oder in den nächsten Tagen Schwangers­chaftsabbr­üche verbieten. Von den Demokraten regierte Bundesstaa­ten wie Kalifornie­n oder New York werden aber weiterhin Abtreibung­en zulassen.

Landesweit sichern ließe sich das Recht auf Abtreibung nur durch ein vom Kongress beschlosse­nes Gesetz. Doch das ist in den vergangene­n 50 Jahren nicht gelungen. Aktuell sind die Chancen denkbar gering, denn die Demokraten im Senat bekommen nicht einmal alle eigenen Stimmen zusammen.

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