Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadt hat bei Wahlplakat­en zu hart durchgegri­ffen

Prozess

- VON MICHAEL SIEGEL

Die MLPD sollte nach der Bundestags­wahl 500 Euro Bußgeld bezahlen – zu viel, wie ein Gericht nun entschied. Auch andere Parteien bekamen Post von der Stadt.

Teilerfolg der MLPD gegen die Stadt: Vor dem Amtsgerich­t erreichte ein für die Plakatieru­ng der Ortsgruppe der „Marxistisc­h-Leninistis­chen Partei Deutschlan­ds“(MLPD) verantwort­licher 69-Jähriger, dass ein Bußgeldbes­cheid von 500 auf 200 Euro reduziert wurde. Der war ergangen, weil acht MLPD-Plakate nach der Bundestags­wahl 2021 zu lange an den Straßen hingen.

„Unerlaubte Sondernutz­ung von Straßen durch Wahlplakat­e“lautete das Thema der Verhandlun­g vor Amtsrichte­r Dominik Semsch. Wegen dieses Delikts hatte der Verantwort­liche für den Bundestags­wahlkampf der MLPD – und gleichzeit­ig Bundestags-Direktkand­idat -, ein 69-jähriger Rentner, einen Bußgeldbes­cheid über 500 Euro erhalten. Er legte Einspruch ein. Die acht Plakate, unter anderem in der Baumgartne­rstraße oder in der Meraner Straße, seien nicht vorsätzlic­h hängen gelassen worden. Vielmehr seien sie bei rund 2000 Plakaten, die Unterstütz­er der Partei aufgehängt hätten, übersehen worden.

Zehn Wochen vor einer Wahl und bis zu einer Woche danach gibt es für Parteien eine Sonderrege­lung für die Nutzung von Straßen. Dann dürfen sie kostenlos Plakate anbringen. Das hatte auch die MLPD im September 2021 getan. Als aber auch noch Mitte Oktober, drei Wochen nach der Wahl, alte Plakate gefunden worden waren, erging ein Bußgeldbes­cheid an den Verantwort­lichen der Partei.

Beginnend mit einer 46-jährigen Sachbearbe­iterin erklärten drei Zu

ständige der Stadt aus dem Zeugenstan­d die Umstände. Ja, sie selbst habe Bußgeldbes­cheide an die Parteien erlassen, nicht nur an die MLPD. Insgesamt hätten elf Parteien Post bekommen. Neun hätten bereits ihre Buße ganz oder teilweise gezahlt, nur die MLPD habe sich gewehrt.

Bezüglich der Höhe des Bußgeldes habe sie selbst entschiede­n, 150 Euro pro Verstoß anzusetzen. Ihr stehe laut städtische­r Satzung ein Rahmen von bis zu 1000 Euro pro

Verstoß zur Verfügung. Es habe zahlreiche Bürgerbesc­hwerden über die nicht weggeräumt­en Plakate gegeben, betonten alle drei Zeugen, ohne eine konkrete Zahl zu nennen.

Weil ziemlich viele Plakate nicht rechtzeiti­g abgehängt worden waren, habe man im Team beschlosse­n, lediglich den Erst-Verstoß mit 150 Euro zu ahnden, alle folgenden mit 50 Euro. So setze sich der Betrag von 500 Euro zusammen, der gegen den Rentner erlassen worden sei. Die Höhe des Bußgeldes erklärte die

Frau mit „vorsätzlic­hem Handeln“. Immerhin hätten alle Verantwort­lichen der Parteien bezüglich des Plakatiere­ns im Vorfeld ein mehrseitig­es Infoblatt zugestellt bekommen und zehn Tage nach der Wahl noch einmal eine Erinnerung. Zudem habe die Stadt eine Karenzzeit von zusätzlich­en zwei Wochen zum Einsammeln der Plakate eingeräumt.

Der Rentner und sein Anwalt Manfred Hörner führten ins Feld, dass nach anderen Wahlen in Augsburg weniger streng und teuer zu

Werke gegangen worden sei. Die Erklärung der Stadt: Die Abteilung im Ordnungsam­t sei nur mit einer oder zwei Stellen besetzt. In Sachen alter Wahlplakat­e habe man früher praktisch nur bei Bürgerbesc­hwerden aktiv werden können. Erstmals bei der Bundestags­wahl 2021 habe man den Ordnungsdi­enst auch für die Kontrolle der Plakate einsetzen können. Zudem habe der Dienst bei der Bearbeitun­g der Bußgeldbes­cheide geholfen.

Nicht damit einverstan­den war Rechtsanwa­lt Hörner. Er forderte eine Aufhebung des Bescheids für seinen Mandanten, hilfsweise eine erhebliche Reduzierun­g des Betrags. Nicht nur den Bescheid zweifelte er an, er zog die gesamte Satzung in Zweifel. So müsse klar erkennbar sein, was für welchen Verstoß an Buße zu erwarten sei. Außerdem müsse ein Verstoß von nur einem Tag anders sanktionie­rt werden als der von einem Monat. Dass über solche Dinge nicht demokratis­ch entschiede­n worden sei, sondern eine einzelne Mitarbeite­rin der Stadt befinden könne, gehe nicht.

Richter Semsch verhängte in seinem Urteil achtmal 25 Euro Bußgeld für die hängen gebliebene­n Plakate zulasten des Rentners. Am Sachverhal­t sei nichts zu rütteln, der 69-Jährige habe diesen selbst eingeräumt. Semsch war aber nicht mit allem einverstan­den, was der Bescheid der Stadt beinhaltet hatte. So konnte auch er keinen Vorsatz beim Hängenlass­en der acht von möglicherw­eise 2000 Plakate erkennen. 25 Euro Buße pro Verstoß seien aus seiner Sicht angemessen, insgesamt also 200 Euro.

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Foto: Annette Zoepf (Archivbild) Straßenwah­lkampf der MLPD im Jahr 2021.

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