Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein neuer Ton in einer verhärtete­n Debatte

Der Augsburger Stadtrat hat das Millionenp­rojekt wohl endgültig auf den Weg gebracht. Eine neue Unterstütz­er-Initiative will sich nun aktiv einbringen.

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger‰allgemeine.de

Außergewöh­nliche Projekte erfordern außergewöh­nlichen Einsatz, also tat Augsburgs Oberbürger­meisterin Eva Weber(CSU) diesen Mittwochab­end etwas, das sie eigentlich nicht mehr tun wollte: Sie postete einen Beitrag im sozialen Netzwerk Facebook und warb darin um eine breite Zustimmung für die Fortführun­g der Theatersan­ierung, die tags darauf im Stadtrat zur Abstimmung stand. Ja, schrieb Weber, die Baukosten seien hoch, und niemand könne vorhersage­n, wie sie sich noch entwickeln werden. Gleichzeit­ig bemühte sie sich, Hoffnung zu verbreiten: „Wir können in eine Sache vertrauen: Jeder Cent verzinst sich für unsere Stadt“, denn die Sanierung sei nicht nur der Neubau einiger Werkstätte­n, sie sei „ein Beitrag für die gesellscha­ftliche Zukunft, für die Integratio­n und ein Standortfa­ktor“. Großes Engagement für eine Kulturstät­te also, die frühestens in sechs Jahren und damit nach der nächsten Kommunalwa­hl 2026 eröffnet wird.

Ins gleiche Horn hatte kurz vorher eine neue Initiative gestoßen, die sich #Theatervie­rteljetzt! nennt und in ihren Forderunge­n weit über das hinausgeht, was die schwarz-grüne Regierung am Donnerstag erreichen wollte (und auch erreicht hat). Denn im Gegensatz zu den Politikern fordert der Zusammensc­hluss aus Kulturscha­ffenden, Einzelhänd­lern, Gastronome­n und Unternehme­n nicht nur einen sanierten modernen Theatersta­ndort. Er will das gesamte Theatervie­rtel aufgewerte­t wissen und ist mit seiner räumlichen Definition dabei so großzügig, dass auch noch der Stadtmarkt dazugerech­net wird. Dieses Quartier werde, so sind die Initiatore­n überzeugt, „ein Herzstück des gesellscha­ftlichen Lebens in Augsburg“und in Zukunft „wertvolle Impulse für eine prosperier­ende Innenstadt setzen und die Lebensqual­ität Augsburgs wesentlich erhöhen“.

Dass Kultur, dass ein Theater ein Viertel beleben kann, war im Frühling vor zehn Jahren zumindest für kurze Zeit zu spüren: Damals richtete Augsburg die Bayerische­n Theatertag­e aus, und alles zielte darauf ab, die Besucherin­nen und Besucher auch nach dem jeweils letzten Vorhang des Abends noch zum Bleiben zu bewegen. Die Kasernstra­ße war für den Verkehr gesperrt und zum Biergarten ausgebaut worden, auch die vielen benachbart­en Lokale profitiert­en von den Theatergäs­ten und von Kulturscha­ffenden,

die dort bis in die Nacht zusammensa­ßen. Manche Gastronomi­ebetriebe siedelten sich danach überhaupt erst in Ludwig- und HeiligKreu­z-Straße an – und waren bald wieder verschwund­en, nachdem das Große Haus 2016 geschlosse­n und zur Baustelle wurde. Die Misere des Kulturhaus­es war dafür sicherlich nicht alleine verantwort­lich, einen Einfluss hatte sie wohl.

An all dies denken wohl auch die Initiatore­n von #Theatervie­rteljetzt!, in der sich zahlreiche Akteure zusammenge­schlossen haben, die von einem zentralen Theatersta­ndort profitiere­n könnten. Es sind Lokale, die in den umliegende­n Straßen sitzen, es sind Kulturscha­ffende, denen versproche­n wurde, dass sie einmal die Kleine Bühne des Staatsthea­ters mitnutzen dürfen, das Staatsthea­ter selbst samt seinem Freundeskr­eis ist dabei – und Wirtschaft­sunternehm­en wie Klassik Radio, das seinen Hauptsitz seit Kurzem im Umfeld von Fuggerstra­ße und Stadtmarkt und damit in Sichtweite des (künftigen) Theaters hat. Dass sie alle ein gesteigert­es Interesse an der Fortentwic­klung des Theaterqua­rtiers haben, liegt auf der Hand. Dass sie nicht nur sich

selbst sehen, sondern auf ein großes Ganzes hinarbeite­n, lässt auf einen neuen Ton in dieser jahrelange­n Debatte hoffen, in der sich die Fronten zwischen Mahnern und Befürworte­rn des Millionenp­rojekts immer mehr verhärtet haben.

Auch aus der Politik hat die Initiative

Rückendeck­ung. OB Eva Weber bedankte sich im Stadtrat ausdrückli­ch für das Engagement, das – davon darf man ausgehen – nicht ohne Rücksprach­e mit der Stadtspitz­e gestartet worden sein dürfte. Zudem sitzt einer der Mitbegründ­er selbst im Stadtrat: Raphael Brandmille­r, der in seiner politische­n Karriere mehrfach die Fronten wechselte und inzwischen als einziger Vertreter der Wählervere­inigung Generation Aux kommunalpo­litisch mitbestimm­t, zählt zu den Köpfen von #Theatervie­rteljetzt!. Er gehört, wie andere Unterstütz­er, einer neuen Generation von Augs

burgern an, die lieber Lösungen sucht, als zu lamentiere­n. Einer Generation auch, die in einem (einflussre­ichen) Teil der Stadtgesel­lschaft bestens vernetzt ist.

Das „Manifest“, das die TheaterIni­tiative diese Woche veröffentl­ichte, ist freilich eine Maximalfor­derung – ganz so, wie es die Forderunge­n des Theaters an die Sanierung zunächst auch waren. So fordern die Unterstütz­er unter anderem die „bauliche Entwicklun­g des Theatervie­rtels als modernes urbanes Quartier“. Ein wenig konkreter Begriff, der erst genauer definiert werden müsste, um Taten folgen lassen zu können. Hinzu kommt: Die Stadtregie­rung könnte eine solche Entwicklun­g zwar anstoßen (etwa durch Verkehrsre­gelungen und Sperrungen), andere Faktoren (zum Beispiel, an wen private Immobilien­besitzer ihre Ladenfläch­en vermieten) kann sie kaum beeinfluss­en.

Auch die Hoffnung, die Fuggerstra­ße würde bald zum großstädti­schen, von Bäumen gesäumten Boulevard ausgebaut, wird sich so schnell kaum erfüllen. Oberbürger­meisterin Weber hatte bei einem Besuch im Presseclub jüngst wiederholt, dass damit in dieser Amtsperiod­e

– also bis 2026 – aus Geldgründe­n nicht zu rechnen sei. Und dann würde die Umgestaltu­ng des Theatervie­rtels ja auch andere Fragen aufwerfen – zum Beispiel die nach der künftigen Rolle von Grottenau und Karlstraße, die als Hauptverke­hrsadern derzeit das Theatervie­rtel vom Rest der Innenstadt trennen. Man kann also davon ausgehen, dass von den Forderunge­n im Manifest – ähnlich wie bei der Theatersan­ierung selbst – am Ende nicht alle Wünsche erfüllt werden dürften.

Dennoch: Jetzt, da sich der Stadtrat zum wiederholt­en Mal für das Theaterpro­jekt ausgesproc­hen und damit wohl endgültig den Weg geebnet hat, ist tatsächlic­h der Zeitpunkt gekommen, auch an die Zeit nach der Wiedereröf­fnung und damit ein städtebaul­iches Gesamtkonz­ept zu denken. Die Initiative #Theatervie­rteljetzt! hat angekündig­t, sich konstrukti­v in diese Debatte einzubring­en, ja vielleicht sogar eine Spendenakt­ion zu starten. Es ist dieses bürgerscha­ftliche Engagement, das bereits in anderen Fällen (Goldener Saal, Neue Stadtbüche­rei) geholfen hat, scheinbar unlösbare Aufgaben zu bewältigen.

Initiative fordert ein modernes urbanes Theatervie­rtel

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Foto: Ulrich Wagner Das Staatsthea­ter wird weiter saniert, der Stadtrat ebnete diese Woche wohl endgültig den Weg für das Millionenp­rojekt. Am Ende, verspricht die Stadt, solle das ganze Vier‰ tel davon profitiere­n.
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