Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Diese Woche: Sind die Grünen schuld an den hohen Spritpreisen?
Für viele sind die hohen Spritpreise ein Ärgernis. Das zeigen zahlreiche Beiträge in den sozialen Medien. Über Facebook, Twitter und WhatsApp verbreitet sich dazu eine Erklärgrafik (Sharepic) stark. Unter „Aktuelle Benzinpreise“sind diese darauf für verschiedene Länder in Euro verglichen: für Russland 0,36 Euro, die Ukraine 1,08 Euro, Ungarn 1,27 Euro, in Polen 1,43 Euro… Zudem steht da „Dummland“, für das ein Spritpreis von 2,11 Euro angegeben ist. „Grün wirkt!“, heißt es dazu in weißer Schrift auf grünem Hintergrund. Die Grünen sollen also schuld daran sein, dass der Benzinpreis in Deutschland momentan so hoch ist. Stimmt das?
Dazu muss man sich zunächst die Zusammensetzung der Preise anschauen. Einen Teil machen die staatlichen Abgaben aus. CO2Abgabe: Die vorherige Bundesregierung hat als Anreiz für mehr Klimaschutz zum 1. Januar 2021 eine CO2-Bepreisung eingeführt. Neben den damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD stimmten auch Bündnis 90/Die Grünen dafür. Die CO2-Bepreisung gilt für Unternehmen, die mit Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel handeln. Diese geben die Mehrkosten an die Verbraucher weiter. Seit dem 1. Januar 2022 liegt der CO2-Preis bei 30 Euro pro Tonne. Je nach Kraftstofftyp und Biospritanteil entfallen vom Spritpreis derzeit laut Finanzministerium circa sieben bis etwas mehr als acht Cent pro Liter auf die CO2-Bepreisung. Energiesteuer: Bei dieser Verbrauchssteuer handelt es sich ebenfalls um einen festen Betrag, der pro Liter berechnet wird. Normalerweise beträgt die Energiesteuer in Deutschland für Benzin/Super 65,45 Cent bzw. für Diesel 47,04 Cent. Diese Steuer macht den Großteil der staatlichen Einnahmen am Spritpreis aus. Aber hier setzt der sogenannte Tankrabatt der aktuellen Bundesregierung an: Die Ampel-Regierung, zu der neben SPD und FDP die Grünen gehören, hat am 19. Mai 2022 im Bundestag eine zeitlich begrenzte Absenkung der Energiesteuer verabschiedet. Der Anteil der Energiesteuer
beträgt damit vom 1. Juni 2022 bis 31. August 2022 nur noch 35,9 Cent pro Liter Benzin/Super und 33,0 bei Diesel. Erdölbevorratungsbeitrag: Mit der Abgabe für die Erdölbevorratung in der strategischen Ölreserve werden in Deutschland gelagerte Rohölreserven für Krisenzeiten finanziert. Die Beitragssätze betragen einheitlich 3,56 Euro je Tonne, das sind umgerechnet 0,27 Cent pro Liter Benzin/Super bzw. 0,3 Cent pro Liter Diesel. Mehrwertsteuer: Hinzu kommt letztlich noch die Mehrwertsteuer, die für Kraftstoffe bei 19 Prozent liegt. Je höher der Spritpreis ist, umso mehr Geld fließt also am Ende in die Staatskasse.
Der restliche Teil des Benzinpreises entfällt auf die Gewinne der beteiligten Unternehmen und Mineralölfirmen sowie die Kostendeckung – etwa für Rohstoffe, Raffinerie, Transport und Vertrieb.
Wieso sind die Preise in Deutschland so hoch?
Der russische Krieg gegen die Ukraine hat die Spritpreise in Deutschland zuletzt stark steigen lassen. Vor allem die Ölpreise, die im Zuge des Krieges und der Sanktionen gegen Russland stark gestiegen sind, haben dazu beigetragen. Hinzu kommt ein nach wie vor starker Dollar, der diesen Effekt verstärkt. Denn Öl wird in Dollar gehandelt und deutsche Käufer müssen in Euro bezahlen. Die Bundesregierung hat mit der Absenkung der Energiesteuer zum 1. Juni versucht, die Benzinpreise zu senken und so die Verbraucher direkt zu entlasten. Anders als behauptet haben die Grünen also als Teil der Regierung Maßnahmen zur Senkung des Benzinpreises unterstützt. Laut ADAC hatte der Tankrabatt im Vergleich vom 31. Mai bis 2. Juni auch den Effekt, dass die Spritpreise tatsächlich etwas gesunken sind, der Rückgang blieb allerdings hinter den Möglichkeiten des Tankrabatts zurück. Und danach sind die Preise sogar wieder gestiegen. Zwar war auch der Ölpreis der Sorte Brent vom 1. bis 8. Juni kontinuierlich gestiegen und befindet sich weiter auf einem sehr hohen Niveau. Nach Angaben des ADAC erklärt das aber nur bedingt den Anstieg der Spritpreise nach der Einführung des Tankrabatts. Der sieht den Hauptgrund für diese Entwicklung bei der Mineralölindustrie. Statt die Steuersenkung vollständig an die Verbraucher weiterzugeben, nutzten die Unternehmen die Chance, ihre Gewinne zu steigern. Im Gegensatz dazu kommt eine Berechnung des Ifo-Institutes zu dem Ergebnis, dass die Ölfirmen den Tankrabatt zum Großteil an die Kunden weitergegeben haben. Grundlage ist ein Vergleich mit der Preisentwicklung in Frankreich. Die im Sharepic angegebenen Preise in anderen Ländern sind zum Zeitpunkt um den 11. Mai in etwa realistisch – bis auf den für Russland.