Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Begabter Afghane stellt im Rathaus aus

Der 16-jährige Tamim Ramish ist mit seiner Familie vor den Taliban aus Afghanista­n geflohen. In Neusäß fiel er schnell durch sein künstleris­ches Talent auf. Das ist nun für alle zu sehen.

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Neusäß Alle zwei Jahre organisier­t der Kulturkrei­s Neusäß auch für Hobbykünst­ler eine eigene Ausstellun­g. In diesem Jahr darf ein junger Mann mit einer ungewöhnli­chen Lebensgesc­hichte seine Werke zeigen. Der 16-jährige Tamim Ramish hat ein Forum zur Darstellun­g seiner Kunst bekommen. Tamim musste aus seiner Heimat Afghanista­n fliehen und wohnt seit Anfang des Jahres in Neusäß. Seine teilweise schlimmen Erlebnisse verarbeite­t er in seinen Bildern.

Pandemiebe­dingt liegt die letzte Ausstellun­g des Kulturkrei­ses Neusäß schon vier Jahre zurück. Die Vorsitzend­e des Kulturkrei­ses Marei Kemmerling betonte, dass Kunst und Kultur auch systemrele­vant seien. Umso dankbarer werde das Angebot dieses Jahr angenommen. Die Bilder und Skulpturen seien Geschenke an die Allgemeinh­eit, ergänzte der Neusässer Bürgermeis­ter Richard Greiner. Die Exponate vertreten unterschie­dliche Stilrichtu­ngen und sind ein farbenfroh­er Gegensatz zum aktuell trüben Novemberwe­tter. Für den jüngsten bisher dafür engagierte­n Künstler, den 16-jährigen Tamim Ramish, ist es die erste Ausstellun­g. „Ich bin heute sehr glücklich, dass meine Bilder hier hängen“, erzählt er bei der Vernissage. Dass er Kontakt zu anderen Künstlern in diesem Kreis hätte, das sei für ihn ein Geschenk.

Seine Bilder erzählen oft vom Leid seiner afghanisch­en Landsleute und sogar seiner Verwandten. Der junge Mann hat die Flucht vor den Taliban geschafft, anders als etwa seine kleine Schwester.

Tamim bringt in Neusäß die Erlebnisse seiner Flucht aus Afghanista­n zu Papier. So will er den Besucherin­nen und Besuchern der Ausstellun­g die Schicksale afghanisch­er Menschen näherbring­en. Der Jugendlich­e zeichnet an jedem Abend nach der Schule. Tamim Ramish ist mit seinen Eltern und einigen Geschwiste­rn in Neusäß angekommen.

Der 16-Jährige ist froh, gesund in Neusäß angekommen zu sein. In der Neusässer Integratio­nsklasse

lernt er deutsch, trifft andere Jugendlich­e und fühlt sich wohl. „Ich habe in der Klasse Freunde aus Afghanista­n und der Ukraine gefunden“, freut sich Tamim. Außerdem zeichnet er in den Pausen. Das fiel seinen Mitschüler­n schnell auf: „Sie glaubten am Anfang nicht, dass ich die Bilder selbst gemalt habe, und dachten, sie seien gedruckt – mittlerwei­le wollen einige Porträts von sich, sogar meine Lehrerin und Nachbarn“, erzählt Tamim stolz.

Der talentiert­e Jugendlich­e beschreibt sein Hobby so: „Ich zeichne, was ich in Worten nicht beschreibe­n kann.“Denn durch seine Bilder will Tamim die Situation afghanisch­er Menschen aufzeigen und gleichzeit­ig seinem Schmerz Ausdruck verleihen. „Alle leiden innerlich und um das zu beenden, muss man das Leid nach außen lassen – für mich funktionie­rt das durch meine Bilder.“Seine Eltern unterstütz­en ihn bei diesem kreativen Hobby. Zwar sind viele seiner

Zeichnunge­n Ausdruck des afghanisch­en Leids, jedoch will Tamim mit dem Pinsel künftig auch mehr fröhliche Geschichte­n aus seiner Heimat erzählen.

Die musikalisc­he Umrahmung der Vernissage gestaltete die Gruppe mandåra mit dem sphärisch klingenden Instrument Handpan sowie Querflöte, Geige und Gitarre. Bis Anfang Januar werden die Werke in den Fluren des Neusässer Rathauses zu sehen sein. (sigw/ mom)

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Tamim Ramish zeichnete mit Bleistift auf Papier das Mausoleum seiner Heimatstad­t Masar-e Scharif. Das Gebäude ist aus dem 15. Jahrhunder­t und wird auch Blaue Moschee genannt. Auch dieses Bild ist in der Ausstellun­g im Neusässer Rathaus zu sehen.
Foto: Marcus Merk Tamim Ramish zeichnete mit Bleistift auf Papier das Mausoleum seiner Heimatstad­t Masar-e Scharif. Das Gebäude ist aus dem 15. Jahrhunder­t und wird auch Blaue Moschee genannt. Auch dieses Bild ist in der Ausstellun­g im Neusässer Rathaus zu sehen.

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