Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vom Juwel zur Kraterlandschaft
Nach den massiven Zerstörungen eines Wildbachs in einem Allgäuer Naturschutzgebiet besucht Umweltminister Thorsten Glauber das Rappenalptal und kann sich nicht erklären, was er dort sieht.
Das Rappenalptal liegt sehr abgeschieden in den Allgäuer Alpen. Spätestens seit Mittwoch weiß das auch der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Nach den nicht genehmigten Bauarbeiten an dem Wildbach bei Oberstdorf (wir berichteten) machte sich der Minister nun selbst ein Bild von der Lage vor Ort im Oberallgäu. Der Bach ähnle nun mehr einer „Kraterlandschaft als einem mäandernden Flusslauf“, sagt der Minister später bei einem Pressetermin. Der Rappenalpbach sei ein „Juwel“und einer der wertvollsten Lebensräume, „die es überhaupt gibt“. Im Frühjahr soll es ein Konzept zur Renaturierung für das Naturschutzgebiet geben.
Mittlerweile liegen im Rappenalptal im südlichsten Zipfel Deutschlands mehrere Zentimeter Schnee. Es herrschen frostige minus neun Grad – das sind rund zehn Grad weniger als in dem 400 Höhenmeter tiefer und 15 Kilometer entfernt gelegenen Oberstdorf. Das Tal erreichen Bürger derzeit nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad, es gilt eine Wintersperre für motorisierte Fahrzeuge. Etwa zwei Stunden dauert es mit flottem Schritt vom Parkplatz der Fellhornbahn bis ins Rappenalptal.
Der Eingang des Tals ist schmal. Der Rappenalpbach plätschert die Felsen hinunter – fast so, als wäre weiter oben gar nichts geschehen. Dann öffnet sich das Tal, der Weg wird ebener und nach einigen hundert Metern ist der Kanal zu sehen, den die Alpgenossenschaft ausgebaggert hat. Auf mehreren Metern
Breite pflügt sich das Bachbett jetzt durch die idyllische Landschaft. Am Ufer türmen sich Steinhaufen. Abschnittsweise ist der Bach im Untergrund versickert, weil die Arbeiter die abdichtende
Bachsohle beschädigt haben. Mit aufgezogenen Schneeketten gelangt der Autokonvoi aus Minister, Landrätin und Vertretern der Regierung von Schwaben sowie des Wasserwirtschaftsamts an den Ort des Geschehens. Glauber könne sich im Rahmen einer „hoheitlichen Begehung“der Aufsichtsbehörde über die Wintersperre hinwegsetzen, erklärt ein Sprecher.
Das Rappenalptal sei „wirklich ein ganz besonderer Ort Bayerns“, sagt der Minister später. Es sei nicht nur ein Hotspot für Touristen, sondern auch für die Artenvielfalt. Wer genau für den massiven Eingriff im Naturschutzgebiet verantwortlich ist – das müsse nun „umfänglich geklärt“werden. Derzeit klärt die Staatsanwaltschaft, ob eine Straftat vorliegt. Laut Glauber könne zudem ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro fällig werden. Warum die Verantwortlichen das Biotop zerstörten, könne er sich nicht erklären. „Wenn man die Kraterlandschaft sieht, muss man sich fragen, was sich die Handelnden dabei gedacht haben.“