Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Da waren Profis am Werk

Die Aufregung nach dem spektakulä­ren Goldraub im oberbayeri­schen Manching ist groß. Die bisherigen Ermittlung­en machen deutlich, wie profession­ell die Einbrecher vorgingen.

- Von Luzia Grasser

Der ganze spektakulä­re Coup dauerte nur 18 Minuten. Um 1.17 Uhr zwickten die Goldräuber Kabel der Telekom durch. Um 1.26 Uhr hebelten sie eine Fluchttür des Kelten-Römer-Museums auf. Sie rannten rauf in den ersten Stock, schlugen eine Wandvitrin­e mit drei wertvollen Münzen ein und dann noch einen Deckel aus Panzerglas, der in den Boden eingelasse­n war. Darunter lag, in einem kleinen dunklen Raum innerhalb des Museums in Manching (Kreis Pfaffenhof­en), dessen wertvollst­er Schatz: 483 Goldmünzen aus der Keltenzeit, gefunden im Jahr 1999. Die Unbekannte­n packten die knapp vier Kilo schweren Münzen ein und stürmten aus dem Gebäude. Da war es 1.35 Uhr.

Acht Stunden lang wusste niemand, dass in der Nacht zum Dienstag der bedeutends­te Keltenscha­tz aus dem 20. Jahrhunder­t gestohlen worden war. Die Schätze waren zwar mit einer Alarmanlag­e gesichert, weil die wegen der gekappten Leitungen im Verteilzen­trum der Telekom aber keine Verbindung zum Sicherheit­sunternehm­en hatte, bekam niemand

Wind davon. Auch wenn die Ermittler es offiziell noch nicht bestätigen: Der Zusammenha­ng zwischen den beiden Taten scheint offensicht­lich.

Den zeitlichen Ablauf jener Nacht, in der einer der spektakulä­rsten Münzdiebst­ähle der vergangene­n Jahre über die Bühne gegangen ist, konnten die Ermittler deshalb erst rekonstrui­eren, als ihnen die Aufzeichnu­ngen aus dem Museum vorlagen. In der Nacht noch war die Polizei einer falschen Spur nachgegang­en, erläuterte Guido Limmer, Vizepräsid­ent des Bayerische­n Landeskrim­inalamts (LKA), auf einer Pressekonf­erenz am Mittwoch. Als sich herausstel­lte, dass die Telekom-Kabel sabotiert worden waren und der ganze Ort von Festnetz, Internet und teils auch von Handyverbi­ndungen abgeschnit­ten war, da gab es bereits Befürchtun­gen, dass Kriminelle Alarmanlag­en außer Betrieb gesetzt haben könnten. Die Polizei schaute allerdings nur bei den örtlichen Banken nach dem Rechten, an das Museum hatte da noch niemand gedacht.

Als am Vormittag bei Tobias Esch das Telefon klingelte, konnte er nicht glauben, was ihm da erzählt wurde. Kurze Zeit später stand der Leiter des Kelten-undRömer-Museums vor der Vitrine und konnte nur noch auf den leeren Boden starren. Wo einst die glänzenden Goldmünzen lagen, waren nur noch Glasscherb­en verstreut. „Das war schon hart“, sagt er. Noch hat er die Hoffnung, dass die Diebe die Münzen nicht einschmelz­en und so zu Geld machen wollen. „Aber die Chancen kann ich nicht einschätze­n“, sagt Esch. Nach aktuellem Goldpreis liegt der Materialwe­rt bei rund 250.000 Euro, so Rupert Gebhard, Leitender Sammlungsd­irektor der Archäologi­schen Staatssamm­lung in München. Nimmt man allerdings die Marktpreis­e, die gewöhnlich für derartige Münzen gezahlt werden, liegt der Wert des Schatzes deutlich höher. Die Experten gehen von rund 1,6 Millionen Euro aus. Die Münzen waren wohl nicht versichert. Für Gebhard wiegt vor allem aber der wissenscha­ftliche Verlust schwer. Denn bei Manching lag einst eine der größten Keltensied­lungen Mitteleuro­pas. Im „Oppidum“sollen einst bis zu 10.000 Menschen gelebt haben.

Inzwischen ermittelt die Soko „Oppidum“mit 20 Personen an dem Fall. Die Ermittler gehen davon aus, dass bei dem Coup mehrere Täter am Werk gewesen sein müssen. Und dass es sich um Profis handelte. Wegen der Parallelen zum Münzraub aus dem Berliner Bodemuseum, für den Mitglieder eines Berliner Clans verurteilt worden sind, und dem Diebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden arbeitet die Polizei eng mit den dortigen Ermittlern zusammen. Aktuell ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt unter anderem wegen schweren Bandendieb­stahls, wie deren Leiter Nicolas Kaczynski erklärte. Details wollte er nicht bekannt geben.

Das Museum sei ausreichen­d gesichert gewesen, betont Limmer. Nach den spektakulä­ren Fällen in Dresden und Berlin waren die Maßnahmen vor Ort überprüft worden und „sie genügten den Sicherheit­sempfehlun­gen“. Ein Sicherheit­sdienst für die Nacht war dabei allerdings nicht vorgesehen, sodass während des Einbruchs niemand vor Ort war. Die Spurensich­erung ist inzwischen abgeschlos­sen, jetzt werten die Ermittler die Spuren aus. Unter anderem sichten sie Aufnahmen von Überwachun­gskameras und hoffen, auf diese Weise dem Rätsel, um den gestohlene­n Goldschatz ein Stück näherzukom­men.

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Foto: Frank Mächler, dpa (Archivbild) Tief im Boden eingelasse­n lagerte der keltische Goldschatz im Kelten- und Römermuseu­m in Manching. Jetzt ist er weg.

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