Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vater aus Passion

Porträt Finnland steht mit dem Nato-Beitritt vor einer Art Zeitenwend­e. Und was macht Verteidigu­ngsministe­r Antti Kaikkonen? Er geht in Elternzeit.

- Lena Jakat

Nur noch Ungarn und die Türkei müssen zustimmen, dann ist die Ära Finnlands als neutraler Staat vorbei und das skandinavi­sche Land wird Mitglied der Nato. Nach Putins Überfall auf die Ukraine hatte Helsinki im Mai 2021 einen Antrag auf Aufnahme in das nordatlant­ische Verteidigu­ngsbündnis gestellt; seit dem Zweiten Weltkrieg war das Land, das eine 1340 Kilometer lange Grenze mit Russland hat, unabhängig gewesen. Historisch­e Monate also für die Finnen und ihre Verteidigu­ngspolitik. Und so sorgen die jüngsten Pläne des Verteidigu­ngsministe­rs europaweit für Aufsehen. Seine privaten Pläne.

Antti Kaikkonen, 48, hat angekündig­t, in Elternzeit zu gehen. Von 6. Januar bis Ende Februar wird der liberale Politiker die Amtsgeschä­fte ruhen lassen, um sich um seine beiden kleinen Söhne zu kümmern. Vaterschaf­tsurlaub in einer außenpolit­isch derart heißen Phase? Das scheint in Deutschlan­d kaum vorstellba­r. Man erinnere sich nur einen Moment lang an die Debatten rund um Ex-Familienmi­nisterin Anne Spiegel, die wegen der Affäre um einen Familienur­laub nach der Flutkatast­rophe im Ahrtal zurücktrat. In Finnland, wo 80 Prozent der Väter

Elternzeit nehmen (Deutschlan­d: 42 Prozent) und die 36-jährige Regierungs­chefin Sanna Marin gerade die Rolle der Politikeri­n revolution­iert, geht man da recht pragmatisc­h ran.

Für Kaikkonen übernimmt kurzerhand der Abgeordnet­e Mikko Savola. Das teilte Annika Saarikko, Vorsitzend­e der Zentrumspa­rtei, mit. Ihr ursprüngli­cher Plan, Kaikkonens Aufgaben vorübergeh­end dem Wirtschaft­sminister zu übertragen, hatte für Ärger gesorgt. Auch Finnland steckt mitten in einer Energiekri­se und der zuständige Minister hat damit schon mehr als genug zu tun.

Der studierte Politikwis­senschaftl­er Kaikkonen sitzt seit 2003 im finnischen Parlament, ist seit 2019 Verteidigu­ngsministe­r und in dritter Ehe mit Jannika Kaikkonen verheirate­t, die als Abteilungs­leiterin für Bayer Finnland arbeitet. Die beiden haben einen zweijährig­en und einen sechs Monate alten Sohn. Kaikkonen sagt zum Timing seiner Elternzeit: „Wenn man wartet, bis es keine Herausford­erungen mehr gibt, kann es leicht passieren, dass man lange wartet.“Der öffentlich-rechtliche Sender YLE zitiert ihn weiter mit den Worten: „Meine Kinder sind nur einen Augenblick lang klein, und daran möchte ich mich nicht nur auf Fotos erinnern.“

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Foto: dpa

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