Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Emissionsh­andel wird ausgeweite­t

Nach fast 30-stündigen Verhandlun­gen hat sich die EU geeinigt. Der Ausstoß von Klimagasen soll künftig deutlich teurer werden. Betroffen sind auch Verbrauche­r und kleine Firmen.

- Von Katrin Pribyl

Brüssel „DEAL“, twitterte der Europaparl­amentarier Peter Liese (CDU) um kurz nach zwei Uhr am Sonntagmor­gen. „Gerade haben wir uns auf das größte jemals in der EU ausgehande­lte Klimageset­z geeinigt“, schrieb der Politiker, der für das Abgeordnet­enhaus die Verhandlun­gen mit den Unterhändl­ern der 27 Mitgliedst­aaten führte. Es geht um das wichtigste Instrument der europäisch­en Klimaschut­zpolitik: den EU-Emissionsh­andel. Nun wird er reformiert.

Liese sprach vom „Schlüssel zum Erreichen unserer Klimaziele“. Die Erleichter­ung war deutlich spürbar nach den mehr als 30-stündigen Verhandlun­gen. „Der Neustart im Klimaschut­z ist vorerst geglückt“, sagte der EUAbgeordn­ete und klimapolit­ische Sprecher der Grünen, Michael Bloss. „Die kostenlose Verschmutz­ungsparty hat ein Ende, wir schicken die Industrie auf den Modernisie­rungskurs.“Was bedeutet die Reform für Unternehme­n sowie Verbrauche­r? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Um was geht es beim Emissionsh­andel?

Mit dem sogenannte­n ETS („Emission Trading System“) wird der Handel mit Verschmutz­ungszertif­ikaten beschriebe­n. Die 27 EUMitglied­staaten bitten unter anderem Unternehme­n zur Kasse, die das klimaschäd­liche Treibhausg­as ausstoßen. Für jede Tonne CO2 muss im Prinzip ein Zertifikat erworben werden. Teils erhalten die Firmen diese bislang kostenlos, teils müssen sie welche dazukaufen, um so die zu hohen Emissionen finanziell auszugleic­hen. Wenn Betriebe die Zertifikat­e nicht nutzen, weil sie klimafreun­dlich produziere­n, können sie sie weiterverk­aufen. Das Ziel: „Wir wollen eine Architektu­r, in der es sich überhaupt nicht lohnt, CO2 auszustoße­n, sondern in der es lukrativ ist, CO2 einzuspare­n“, sagte Michael Bloss.

Was bedeutet die jetzt vereinbart­e Verschärfu­ng des Emissionsh­andels ganz konkret?

Künftig wird der Ausstoß von Kohlendiox­id auch in solchen Branchen teurer, die bislang von frei zugeteilte­n Zertifikat­en profitiert­en. So soll die Zahl der Verschmutz­ungsrechte schneller verringert werden als bislang vorgesehen. Die EU beschloss, die kostenlose­n Emissionsz­ertifikate bis 2030 fast zu halbieren und bis 2034 schrittwei­se ganz zu streichen. Damit wird auch der Preis pro Tonne CO2 kontinuier­lich steigen und mit ihm der finanziell­e Anreiz, auf klimafreun­dlichere Technologi­en umzusteige­n. „Die schlimmste­n Verschmutz­er zahlen drauf und diejenigen, die dekarbonis­ieren, werden unterstütz­t“, so Bloss.

Müssen sich auch die Bürger auf höhere Nebenkoste­n einstellen?

Ja, Verbrauche­r sollen künftig beim Tanken oder Heizen ebenfalls einen CO2-Preis zahlen. In Deutschlan­d ist das bereits seit 2021 der Fall. Durch die Reform schaffe man deshalb „gleiche Wettbewerb­sbedingung­en in Europa“, sagte Liese. Die Vereinbaru­ng für Privatleut­e soll aber erst ab 2027 gelten und werde „den

Bürgern und der Industrie in schwierige­n Zeiten eine Atempause verschaffe­n und der europäisch­en Industrie ein klares Signal geben, dass es sich lohnt, in grüne Technologi­en zu investiere­n“, sagte CDU-Politiker Liese. Man hat sich außerdem auf eine Notbremse verständig­t: Sollten die Menschen unter hohen Energiepre­isen leiden, tritt der Emissionsh­andel für die Bereiche Verkehr und Gebäude, der sogenannte ETS 2, erst 2028 in Kraft.

Wie will die EU im Gegenzug die Bürger entlasten?

Weil die Preise durch den Emissionsh­andel steigen, sollen ab 2026 einkommens­schwächere Verbrauche­r und kleine Unternehme­n mit Mitteln aus einem Klima-Sozialfond­s beim Übergang unterstütz­t werden. Die Partner einigten sich darauf, den Fonds mit 86,7 Milliarden Euro auszustatt­en. Als „enttäusche­nd“bezeichnet­e der Grüne Bloss, „dass Mitgliedst­aaten den Umfang des neuen Klima-Sozialfond­s erheblich gekürzt haben“. Auch Deutschlan­d hatte einen höheren Sozialausg­leich abgelehnt. Mit dem Fonds will die EU zum einen Investitio­nen finanziere­n, etwa in energieeff­izientere Gebäude oder in öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, zum anderen Haushalten, die von Energiearm­ut betroffen sind, helfen, auf sparsamere Heizungen umzusteige­n oder umweltfreu­ndlichere Autos zu kaufen.

Warum ist der ausgehande­lte Kompromiss so bedeutend?

Der Emissionsh­andel ist das Herzstück des Fit-for-55-Pakets, das die Europäisch­e Kommission im Sommer 2021 zum Kampf gegen den Klimawande­l vorgestell­t hatte. Damit will die Gemeinscha­ft ihren Treibhausg­asausstoß bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.

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Foto: Armin Weigel, dpa Was oben rauskommt, soll künftig deutlich sauberer werden.

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