Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eitans Leben nach dem Unglück

- Von Julius Müller-Meiningen

Als Einziger überstand der Junge vor einem Jahr den Absturz einer Seilbahngo­ndel. Seitdem kämpfen Angehörige vor Gericht um ihn. Nun wurde sein Großvater verurteilt.

Pavia Es war am 23. Mai 2021, als Eitans Leben sich dramatisch veränderte. An Pfingsten hatte seine Familie am Lago Maggiore in Stresa die Seilbahn auf den Monte Mottarone bestiegen. Kurz vor der Bergankunf­t riss das Zugseil, die Kabine sauste zu Tal und fiel in einem Waldstück zu Boden. 14 Menschen kamen ums Leben, darunter die Eltern, der kleine Bruder sowie die Urgroßelte­rn Eitans. Der Junge überlebte als Einziger. Seither sind vor allem Ärzte und Gerichte mit dem Sechsjähri­gen beschäftig­t.

Nun hat ein italienisc­hes Gericht seinen Großvater mütterlich­erseits zu einer Bewährungs­strafe von 20 Monaten verurteilt.

Zwischen der in Israel lebenden Familie mütterlich­erseits und der in Italien lebenden Schwester des Vaters war nach dem Unglück ein Streit um das Sorgerecht entbrannt. Nachdem ein Gericht Eitans Tante Aya B. das Sorgerecht zugesproch­en hatte, brachte der Großvater Shmuel P. das Kind im September 2021 nicht mehr von einem Ausflug zurück. Wie sich herausstel­lte, hatte der Israeli Eitan per Mietwagen in die Schweiz gefahren und mit einem Privatflug­zeug nach Tel Aviv ausgefloge­n. Die Staatsanwa­ltschaft Pavia ermittelte wegen Kindesentf­ührung. Dafür erhielt er jetzt eine Bewährungs­strafe. Ein Komplize hatte

ihm bei der Entführung geholfen. Der bekam 18 Monate, ebenfalls auf Bewährung.

Das Gericht im norditalie­nischen Pavia entschied das Strafmaß, nachdem P. seine Schuld eingestand­en hatte. Seine Anwältin Sara Carsaniga zeigte sich zufrieden: „Der Richter hat die Besonderhe­it des Falles erkannt. Der Großvater dachte, er würde rechtmäßig handeln. Das Urteil ist gut für die Familie und das Kind.“Der Richter verwies in seiner Begründung auf die Tatsache, dass der Großvater als Wiedergutm­achung 53.000 Euro an seinen Enkel für medizinisc­he Betreuung und Ausbildung überwiesen hatte.

Das Kind lebt bei seiner Tante väterliche­rseits in der Nähe von Pavia, wo auch seine aus Israel stammenden Eltern mit den beiden Kindern lebten. Im Dezember 2021 hatte das Jugendgeri­cht Mailand der Tante väterliche­rseits das vorläufige Sorgerecht entzogen und einen gesetzlich­en Vormund eingesetzt, der alle wichtigen Entscheidu­ngen für Eitan treffen soll. Diese Entscheidu­ng war wegen des familiären Streits um ihn notwendig geworden. Nach der Entführung im September 2021 hatten israelisch­e Gerichte entschiede­n, Eitan müsse zu seiner Tante zurück nach Italien gebracht werden.

Das letzte Wort in dem Fall ist dennoch nicht gesprochen. So kündigte der in Israel lebende Großvater an, um seinen Enkel zu kämpfen. „Wir werden uns weiterhin darum bemühen, Eitan zu adoptieren und ihn nach Israel zu bringen“, hieß es. Die Familie mütterlich­erseits behauptet, Eitans Eltern hätten nach einem mehrjährig­en Studienauf­enthalt in Norditalie­n wieder zurück nach Israel gehen wollen.

Auch im Fall des Seilbahnun­glücks stehen Entscheidu­ngen aus. In Verbania läuft dazu ein Strafverfa­hren, in dem gegen zwölf Menschen ermittelt wird. Offenbar war das Notbrems-System der Gondel manipulier­t worden.

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Foto: Luca Bruno, dpa/AP Die abgestürzt­e Seilbahngo­ndel auf einem Bild von Ende Mai 2021.

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