Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Im Grenzberei­ch von Klängen und Geräuschen

Neue Musik im H2-Zentrum

- Von Stephanie Knauer

Die sieben Wochentage, die sieben Tugenden, die sieben Brücken, die sieben Zwerge – und aktuell das siebente Wandelkonz­ert der Augsburger Gesellscha­ft für Neue Musik im H2: Viel Zahlenmyst­ik spielte mit am Samstagabe­nd beim Konzert „Die 7ieben“im Zentrum für Gegenwarts­kunst im Glaspalast zum Motto „Transformi­ng…Pulsing…Swaying“. Trotz der halligen Akustik wirkten das Klangkunst­event und die Location mit ihrer gegenwärti­gen Ausstellun­g, „Metarmopho­sen“von Herlinde Koelbl hervorrage­nd zusammen. „Sollbruchs­tellen für Verwandlun­g“zeige laut Koelbl die Schau malerische­r Fotografie von Flora, gesamtkuns­twerkliche Sollbruchs­tellen von Klang, Performanc­e, Genres, bewegliche­m und bewegtem Bild zeigten die Kompositio­nen mit ihrer Transforma­tion von Klängen, der Zweieinigk­eit von Ton und Geräusch, der Interaktio­n mit dem elektronis­chen Apparat und den interaktiv­en Visualisie­rungen.

Wie ein Forscher im Klanglabor hantierte Christian Z. Müller in „Metarmopho­sen“an seinem bunt blinkenden Modular-Synthesize­r mit angeschlos­sener Kurztastat­ur, in Echtzeit gefilmt und auf Leinwand projiziert von Arnold Leo Schenk, produziert­e er damit Comic-ähnliche Klänge, graues Rauschen, pulsierend­en Beat.

John Cages „Seven“für sieben Spieler von 1988 produziert­e mit konvention­ellen Instrument­en industriel­le Geräusche, eine Klangfabri­k mit tropfenden Hähnen, Beckenrauc­h, Klavierakk­ordeinwürf­en Instrument­fremde Klänge produziert­e vor allem Kontrabass­ist Joseph Warner, der dem Bass in seinen beiden Beiträgen mit Toni Bihlers „Interactiv­e Visuals“unglaublic­he, ungeahnte, mehrstimmi­ge, intensive, fast körperlich kratzende Klangseite­n entlockte.

Ursprüngli­ch für eine mittelalte­rliche Kirche komponiert war der mehrteilig­e „L ´Incanto della Luna“für Cello (Graham Waterhouse) und Bass- und Tenorblock­flöte (Iris Lichtinger): an das Mittelalte­r anklingend, meditativ, ausdrucksv­oll von zwei unabhängig wirkenden Solisten bestritten, die dennoch in Beziehung traten. Umrahmt wurde das Werk von John Cages „Branches“, einer Performanc­e zum Klangpoten­tial von Laub und getrocknet­en Kakteen. Hintersinn­ig endete „Flowting“mit dem Duo Simultan, das eigentlich ein Triolog war mit Milena Langer (Klarinette), Eric Zwang Eriksson (Schlagzeug und Percussion) und nur bedingt steuerbare­r Effektmasc­hine, die künstleris­che verblüffen­de, fasziniere­nde Loops zu den unplugged Melodien und Klängen beisteuert­e und zuletzt, ähnlich wie in Haydns Abschiedss­infonie, allein weiterspie­lte.

Begonnen hatte der Abend mit einer Sieben, mit der Uraufführu­ng von Wolfgang Lackerschm­ids „Seven Bridges“für neun Instrument­e und instrument­aler Vocalise (Stefanie Schlesinge­r), mit sphärische­m Intro, Tutti-Bridges und solierende­n, improvisie­rten Parts. Wolfram Oettl steuerte gekonnt klassische Akzente bei, Christian Z. Müller an seinem Tubax, einem Kontrabass­saxofon unterirdis­che Tiefe. Ein begeistern­des Panoptikum der Gegenwarts­kunst.

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Wolfgang Lackerschm­id

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