Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Im Grenzbereich von Klängen und Geräuschen
Neue Musik im H2-Zentrum
Die sieben Wochentage, die sieben Tugenden, die sieben Brücken, die sieben Zwerge – und aktuell das siebente Wandelkonzert der Augsburger Gesellschaft für Neue Musik im H2: Viel Zahlenmystik spielte mit am Samstagabend beim Konzert „Die 7ieben“im Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast zum Motto „Transforming…Pulsing…Swaying“. Trotz der halligen Akustik wirkten das Klangkunstevent und die Location mit ihrer gegenwärtigen Ausstellung, „Metarmophosen“von Herlinde Koelbl hervorragend zusammen. „Sollbruchstellen für Verwandlung“zeige laut Koelbl die Schau malerischer Fotografie von Flora, gesamtkunstwerkliche Sollbruchstellen von Klang, Performance, Genres, beweglichem und bewegtem Bild zeigten die Kompositionen mit ihrer Transformation von Klängen, der Zweieinigkeit von Ton und Geräusch, der Interaktion mit dem elektronischen Apparat und den interaktiven Visualisierungen.
Wie ein Forscher im Klanglabor hantierte Christian Z. Müller in „Metarmophosen“an seinem bunt blinkenden Modular-Synthesizer mit angeschlossener Kurztastatur, in Echtzeit gefilmt und auf Leinwand projiziert von Arnold Leo Schenk, produzierte er damit Comic-ähnliche Klänge, graues Rauschen, pulsierenden Beat.
John Cages „Seven“für sieben Spieler von 1988 produzierte mit konventionellen Instrumenten industrielle Geräusche, eine Klangfabrik mit tropfenden Hähnen, Beckenrauch, Klavierakkordeinwürfen Instrumentfremde Klänge produzierte vor allem Kontrabassist Joseph Warner, der dem Bass in seinen beiden Beiträgen mit Toni Bihlers „Interactive Visuals“unglaubliche, ungeahnte, mehrstimmige, intensive, fast körperlich kratzende Klangseiten entlockte.
Ursprünglich für eine mittelalterliche Kirche komponiert war der mehrteilige „L ´Incanto della Luna“für Cello (Graham Waterhouse) und Bass- und Tenorblockflöte (Iris Lichtinger): an das Mittelalter anklingend, meditativ, ausdrucksvoll von zwei unabhängig wirkenden Solisten bestritten, die dennoch in Beziehung traten. Umrahmt wurde das Werk von John Cages „Branches“, einer Performance zum Klangpotential von Laub und getrockneten Kakteen. Hintersinnig endete „Flowting“mit dem Duo Simultan, das eigentlich ein Triolog war mit Milena Langer (Klarinette), Eric Zwang Eriksson (Schlagzeug und Percussion) und nur bedingt steuerbarer Effektmaschine, die künstlerische verblüffende, faszinierende Loops zu den unplugged Melodien und Klängen beisteuerte und zuletzt, ähnlich wie in Haydns Abschiedssinfonie, allein weiterspielte.
Begonnen hatte der Abend mit einer Sieben, mit der Uraufführung von Wolfgang Lackerschmids „Seven Bridges“für neun Instrumente und instrumentaler Vocalise (Stefanie Schlesinger), mit sphärischem Intro, Tutti-Bridges und solierenden, improvisierten Parts. Wolfram Oettl steuerte gekonnt klassische Akzente bei, Christian Z. Müller an seinem Tubax, einem Kontrabasssaxofon unterirdische Tiefe. Ein begeisterndes Panoptikum der Gegenwartskunst.