Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wesselsky lässt sich sein Heimspiel nicht nehmen

Die Rockband Eisbrecher verbreitet beim Adventssin­gen über zweieinhal­b Stunden beste Stimmung. Nach „O Tannenbaum“und „Stille Nacht“wird es im Spectrum richtig laut.

- Von Wolfgang Langner

Während derzeit deutschlan­dweit darüber diskutiert wird, welche Wörter man noch sagen darf, interessie­rt das an diesem Abend keinen Menschen. „Du bist ein Miststück – du bist ein Stück Mist“, singen die Konzertbes­ucherinnen und -besucher in voller Inbrunst. Dass dabei die Frauen die Männer am lautesten ansingen, gibt dem Ganzen noch eine spezielle Note. Der Spaß hat hier ein Ventil gefunden. In Zeiten von etlichen Krisen – Energie, Russland, Klima oder Corona ist es vielleicht auch mal legitim, einfach Dampf abzulassen.

Im Augsburger Spectrum haben sich dafür zwei gefunden. Die Band Eisbrecher, die erstmals nach über zwei Jahren, hier wieder für Stimmung sorgt und ein Publikum das ausgehunge­rt erscheint. Auch der Chef des Spectrum-Clubs, Ufuk Aykut, strahlt über das ganze Gesicht: „Die beiden Konzerte von Eisbrecher am Wochenende waren innerhalb eines Tages ausverkauf­t.“

Aykut weiß, dass die Band mittlerwei­le locker Hallen mit einem Fassungsve­rmögen von 8.000 bis 10.000 füllen kann. Aber der Augsburger

Frontmann Alex Wesselsky lässt sich sein Heimspiel nicht nehmen und am Schluss des Konzerts „adelt“er auch Aykut: „Ich bin stolz, dass es noch so ein Lokal in meiner Heimatstad­t gibt.“Und Eisbrecher lassen sich nicht lumpen an diesem Abend. Über zweieinhal­b Stunden gibt die fünfköpfig­e Band Gas. Ihre Verbundenh­eit demonstrie­ren die Fans mit deren Merchandis­e. Bereits vor dem Konzert gehen T-Shirts, Alben oder kleine Eisbären weg wie warme Semmeln. Kapitänsmü­tzen haben etliche Fans ohnehin schon auf dem Kopf.

Wie immer beim schon traditione­llen Adventssin­gen wird der erste Teil des Konzerts besinnlich, sarkastisc­h, witzig und romantisch. Klappt auch ganz gut, wenn Wesselsky oder Gitarrist Jürgen Plangger die Rockgemein­de animieren und die dann andächtig „O Tannenbaum“oder „Stille Nacht“singt. Klingt zwar ab und zu etwas schräg, kann man aber gerade noch so durchgehen lassen. Als am Ende des ersten Teils Wesselsky den Schlager „Hello Again“von Howard Carpendale ins Mikro haucht, weiß jede und jeder – jetzt ist es mit der Ruhe und der Besinnung vorbei. Es wird um einige Dezibel

lauter. Der Wahnsinn bahnt sich seine Spur.

„Verrückt“, „Augen unter Null“, „Fehler machen Leute“, „FAKK“oder „1000 Narben“bringen das Spectrum zum Beben. Absolut gelungen auch die Reminiszen­z an die NDW-Band „Trio.“Deren Song „Anna Lassmichre­in Lassmichra­us“ist mit der nötigen Härte garniert, dass einem der Sound nur so um die Ohren fliegt. Auffallend ist die Spielfreud­e der Band. Dass sich Bassist Rupert Keplinger, Schlagzeug­er Achim Färber, Gitarrist Jürgen

Plangger und Leadgitarr­ist und Keyboarder Noel Pix dabei ihrem Frontmann Wesselsky unterordne­n, ist gewollt. Schließlic­h ist der charismati­sche Augsburger Sänger das Pfund, mit dem Eisbrecher wuchern.

Wesselsky ist Showman und Entertaine­r in einer Person. Er zelebriert es, wenn er seinen verschwitz­ten Schädel mit einem Handtuch abreibt und anschließe­nd den Stofffetze­n ins Publikum wirft. „Das darf man jetzt ja wieder“, so seine Anspielung auf Corona,

das auch Eisbrecher zwei Jahre zurückgewo­rfen hat. Wesselsky hatte unserer Redaktion gegenüber schon einmal gesagt, wie sehr er die Live-Auftritte während Corona vermisst hat. Man hat Nachholbed­arf. Weiter gehts mit „Nein Danke“, „Eiszeit“„Im Guten, im Bösen.“„Sturmfahrt“kündigt Wesselsky als Ballade an. Zum Vergleich: Dann wäre auch „Paranoid“von Black Sabbath eine Balllade.

Das Konzert neigt sich dem Ende zu. Eisbrecher spielen ihre besten Mitgröl-Songs. Dazu gehören ohne Zweifel „Himmel, Arsch und Zwirn“oder „This is deutsch.“Dann gehts noch mit „voller Kraft voraus“, mit „Was ist hier los?“will Wesselsy noch zum Nachdenken animieren, ehe der wilde Ritt mit „Miststück“beginnt. Als die Fans trotzdem keine Ruhe geben schließen Eisbrecher schließlic­h mit der Cover-Version von Falcos „Out of the Dark“das Konzert.

Und wie es sich für schneidige Eisbrecher gehört, singt zum Abschied an diesem Abend noch einmal Deutschlan­ds berühmtest­er Seemann. Freddy Quinns „Junge, komm bald wieder“, dröhnt aus der Konserve. Die fünf Herrschaft­en verneigen sich – Ja, Jungs kommt wieder. Gerne.

 ?? Foto: Siegfried Kerpf ?? Immer wieder und immer wieder schön: Alex Wesselsky und seine Band Eisbrecher beim Weihnachts­konzert im Spectrum.
Foto: Siegfried Kerpf Immer wieder und immer wieder schön: Alex Wesselsky und seine Band Eisbrecher beim Weihnachts­konzert im Spectrum.

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