Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Messiah“lässt den Goldenen Saal noch glänzender strahlen

Die Akademie für Alte Musik und der RIAS Kammerchor triumphier­en mit Georg Friedrich Händels Oratorium. Ein Solist wird dabei zum Ereignis.

- Von Daniela Tiggemann

Als wär schon Weihnachte­n … Wer dabei war, wird diesen Abend nicht so schnell vergessen: Der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik (Akamus) brachten Händels „Messiah“im englischen Original nach Augsburg mit einer ansteckend­en Begeisteru­ng, die den Goldenen Saal noch glänzender strahlen ließ. Die Berliner Spitzenens­embles unter der Leitung von Justin Doyle gestaltete­n das Barock-Oratorium historisch informiert mit unglaublic­h lebendiger Bewegung. Den in dieser Beschreibu­ng notwendige­n Superlativ­en beim kristallkl­aren Chor und Orchester standen die internatio­nal gefeierten Solisten in nichts nach.

Akamus, das sich seit 1982 zu einem der besten Kammerorch­ester mit historisch­er Aufführung­spraxis entwickelt hat, ist seit vier Jahren „Orchestra in Residence“der Mozartstad­t Augsburg und erfüllte mal wieder alle hochgestec­kten Erwartunge­n. Barockes Instrument­arium von den Streichins­trumenten über Naturtromp­eten bis zur Theorbe schufen ein farbenreic­hes Klangbild mit sehr harmonisch­em Gesamtklan­g, aus dem selbst die beiden Trompeten nicht ausscherte­n. Dabei verfügte die leider im Programmhe­ft nicht genannte Solo-Trompeteri­n über eine großartige Technik!

Der in den beiden Jahrhunder­ten nach der „Messias“-Uraufführu­ng 1742 übliche satte, pathetisch­e Klang von groß besetzten Orchestern mit Riesenchör­en entsprach der Bedeutung des populären Werks, das Händel im Schaffensr­ausch in nur gut drei Wochen geschriebe­n hatte. Längst aber zeigen Aufführung­en und Einspielun­gen von Kammerorch­estern in historisch informiert­er Spielpraxi­s, dass ihr transparen­ter Klang

den Farben der Musik mehr gerecht wird und zudem an Lebendigke­it gewinnt. Akamus fügte dem noch eine Frische hinzu, die gut zweieinhal­b Stunden anhielt und die den Affekten höchst flexibel folgte.

Dabei lag eine Herausford­erung im Saal selbst und seinen akustische­n Mängeln. Ursprüngli­ch für Evangelisc­h St. Ulrich geplant, musste die Aufführung wegen der kaputten Heizung ins Rathaus verlegt werden. Doyle bekam die klangliche­n Probleme gut in den Griff – der Saal war bis ins letzte Eckchen mit Zuhörern gefüllt, was der Akustik zugutekam. Dazu bewährte sich die Freiheit, die er seinen Solisten schenkte, damit sie ihre Kolorature­n ohne äußeren Druck gestalten konnten. Jede Arie wurde zum Ausdruck größter Intimität,

ja sogar Spontaneit­ät. Doyles klare Gestaltung mit motivieren­der Gestik ließ vor allem die Chorsätze mit ihren fugierten Dialogen und Kolorature­n zu einem funkelnden Feuerwerk werden, das nicht nur in den strahlende­n Schlusschö­ren aufleuchte­te. Das Jubel-„Hallelujah“, in seiner Bekannthei­t geradezu ein „Pop-Hit“, der in britischen Aufführung­en traditione­ll im Stehen gehört wird, begann fast weich, um dann gesteigert mit festlichem Schwung zum kraftstrot­zenden Jubelchor anzuschwel­len.

Grandios erwiesen sich die Gesangssol­isten mit ausdruckss­tarker, fast theatraler Präsenz. Ihre perfekte Phrasierun­g, Gestaltung­slust und Verständli­chkeit unterstric­h ihren Impetus zu erzählen - nicht nur in den Accompagna­ti

- , ja sogar die Botschaft zu verkündige­n. Damit war die von Händel intendiert­e Verschränk­ung von Musik und Text auch hier, im säkularen Rahmen des Goldenen Saals, mit bewegender Kraft erfüllt.

Julia Sophie Wagners Sopran, anfangs von den Streichern übertönt, leuchtete schließlic­h mit hellen, doch nicht zu starken Höhen und affektiven Bewegungen. Die Alt-Partien hatte Händel für den Kastraten Guadagni geschriebe­n, sie wurden aber noch zu seinen Lebzeiten schon von Altistinne­n übernommen, deren wärmeres Timbre den Arien und ihren Affekten zugutekomm­t. Mit den Berlinern kam der britische Counterten­or Tim Mead, der den Altus mit elegant geführtem, zugleich warmem Klang sang. Virtuos entfaltete er sich in den weitschwei­fenden Kolorature­n. Aber er setzte auch einen scharf anklagende­n Ton bei seiner die Passion einleitend­en Arie „He was despised“(„Er ward verschmähe­t“).

Thomas Hobbs, ebenfalls internatio­nal als Barock-Interpret gefragt, zeigte sich in der Rolle des Erzählers als stimmgewal­tiger, stilsicher­er Tenor. Ein Ereignis aber war Bass-Bariton Roderick Williams, der mit umwerfende­r Präsenz dramatisch funkelnd bis in die letzte Note seiner Kolorature­n auftrumpft­e. Der Schlusscho­r mit seinen vielfach verschlung­enen „Amen“-Girlanden zauberte allen im Saal ein beseeltes Lächeln ins Gesicht – auch allen Mitwirkend­en, die mit jubelnden „standing ovations“verabschie­det wurden.

 ?? Foto: Fabian Schreyer ?? Mit stehenden Ovationen würdigte das Publikum im Goldenen Saal die Aufführung des Händel-Oratoriums „Messiah“.
Foto: Fabian Schreyer Mit stehenden Ovationen würdigte das Publikum im Goldenen Saal die Aufführung des Händel-Oratoriums „Messiah“.

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