Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Messiah“lässt den Goldenen Saal noch glänzender strahlen
Die Akademie für Alte Musik und der RIAS Kammerchor triumphieren mit Georg Friedrich Händels Oratorium. Ein Solist wird dabei zum Ereignis.
Als wär schon Weihnachten … Wer dabei war, wird diesen Abend nicht so schnell vergessen: Der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik (Akamus) brachten Händels „Messiah“im englischen Original nach Augsburg mit einer ansteckenden Begeisterung, die den Goldenen Saal noch glänzender strahlen ließ. Die Berliner Spitzenensembles unter der Leitung von Justin Doyle gestalteten das Barock-Oratorium historisch informiert mit unglaublich lebendiger Bewegung. Den in dieser Beschreibung notwendigen Superlativen beim kristallklaren Chor und Orchester standen die international gefeierten Solisten in nichts nach.
Akamus, das sich seit 1982 zu einem der besten Kammerorchester mit historischer Aufführungspraxis entwickelt hat, ist seit vier Jahren „Orchestra in Residence“der Mozartstadt Augsburg und erfüllte mal wieder alle hochgesteckten Erwartungen. Barockes Instrumentarium von den Streichinstrumenten über Naturtrompeten bis zur Theorbe schufen ein farbenreiches Klangbild mit sehr harmonischem Gesamtklang, aus dem selbst die beiden Trompeten nicht ausscherten. Dabei verfügte die leider im Programmheft nicht genannte Solo-Trompeterin über eine großartige Technik!
Der in den beiden Jahrhunderten nach der „Messias“-Uraufführung 1742 übliche satte, pathetische Klang von groß besetzten Orchestern mit Riesenchören entsprach der Bedeutung des populären Werks, das Händel im Schaffensrausch in nur gut drei Wochen geschrieben hatte. Längst aber zeigen Aufführungen und Einspielungen von Kammerorchestern in historisch informierter Spielpraxis, dass ihr transparenter Klang
den Farben der Musik mehr gerecht wird und zudem an Lebendigkeit gewinnt. Akamus fügte dem noch eine Frische hinzu, die gut zweieinhalb Stunden anhielt und die den Affekten höchst flexibel folgte.
Dabei lag eine Herausforderung im Saal selbst und seinen akustischen Mängeln. Ursprünglich für Evangelisch St. Ulrich geplant, musste die Aufführung wegen der kaputten Heizung ins Rathaus verlegt werden. Doyle bekam die klanglichen Probleme gut in den Griff – der Saal war bis ins letzte Eckchen mit Zuhörern gefüllt, was der Akustik zugutekam. Dazu bewährte sich die Freiheit, die er seinen Solisten schenkte, damit sie ihre Koloraturen ohne äußeren Druck gestalten konnten. Jede Arie wurde zum Ausdruck größter Intimität,
ja sogar Spontaneität. Doyles klare Gestaltung mit motivierender Gestik ließ vor allem die Chorsätze mit ihren fugierten Dialogen und Koloraturen zu einem funkelnden Feuerwerk werden, das nicht nur in den strahlenden Schlusschören aufleuchtete. Das Jubel-„Hallelujah“, in seiner Bekanntheit geradezu ein „Pop-Hit“, der in britischen Aufführungen traditionell im Stehen gehört wird, begann fast weich, um dann gesteigert mit festlichem Schwung zum kraftstrotzenden Jubelchor anzuschwellen.
Grandios erwiesen sich die Gesangssolisten mit ausdrucksstarker, fast theatraler Präsenz. Ihre perfekte Phrasierung, Gestaltungslust und Verständlichkeit unterstrich ihren Impetus zu erzählen - nicht nur in den Accompagnati
- , ja sogar die Botschaft zu verkündigen. Damit war die von Händel intendierte Verschränkung von Musik und Text auch hier, im säkularen Rahmen des Goldenen Saals, mit bewegender Kraft erfüllt.
Julia Sophie Wagners Sopran, anfangs von den Streichern übertönt, leuchtete schließlich mit hellen, doch nicht zu starken Höhen und affektiven Bewegungen. Die Alt-Partien hatte Händel für den Kastraten Guadagni geschrieben, sie wurden aber noch zu seinen Lebzeiten schon von Altistinnen übernommen, deren wärmeres Timbre den Arien und ihren Affekten zugutekommt. Mit den Berlinern kam der britische Countertenor Tim Mead, der den Altus mit elegant geführtem, zugleich warmem Klang sang. Virtuos entfaltete er sich in den weitschweifenden Koloraturen. Aber er setzte auch einen scharf anklagenden Ton bei seiner die Passion einleitenden Arie „He was despised“(„Er ward verschmähet“).
Thomas Hobbs, ebenfalls international als Barock-Interpret gefragt, zeigte sich in der Rolle des Erzählers als stimmgewaltiger, stilsicherer Tenor. Ein Ereignis aber war Bass-Bariton Roderick Williams, der mit umwerfender Präsenz dramatisch funkelnd bis in die letzte Note seiner Koloraturen auftrumpfte. Der Schlusschor mit seinen vielfach verschlungenen „Amen“-Girlanden zauberte allen im Saal ein beseeltes Lächeln ins Gesicht – auch allen Mitwirkenden, die mit jubelnden „standing ovations“verabschiedet wurden.