Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stadt fällt Bäume an der Freilichtb­ühne

Experten befürchten Bauschäden, der Naturschut­z will aber möglichst viel Grün erhalten, denn Augsburgs Baumbilanz ist negativ und neue Exemplare im Zentrum sind extrem teuer.

- Von Eva Maria Knab

In der grünen Kulisse der Augsburger Freilichtb­ühne werden Bäume fallen. Wie das Amt für Grünordnun­g mitteilt, müssen diesen Winter fünf Bäume im Bereich des historisch­en Aquädukts weg, weil sie Probleme bereiten. Die Bauverwalt­ung hatte ursprüngli­ch fast dreimal so viele Fällungen beantragt – bis es ein Gutachten gab.

Mitarbeite­nde des Tiefbauamt­s kamen 2019 zu dem Ergebnis, dass mehrere Bäume die Bausubstan­z des Aquädukts an der Freilichtb­ühne massiv gefährden. Bei Windwurf könne die Fundamenti­erung gefährdet sein, der Wurzeldruc­k setze dem Bauwerk schon jetzt zu. Es bestehe „dringender Handlungsb­edarf“. Die Bauverwalt­ung beantragte bei der städtische­n Naturschut­zbehörde zunächst 13 Fällungen. Daraufhin wurde ein Baumgutach­ter eingeschal­tet. Ergebnis: Jetzt fällt der

Eingriff ins Grün deutlich kleiner aus, nur fünf Bäume müssen weichen. Wo der vorgeschri­ebene Ersatz gepflanzt wird, steht noch nicht fest.

Insgesamt werden sich Bürgerinne­n und Bürger in den kommenden Wochen auf umfangreic­he Fällungen im Stadtgebie­t einstellen müssen. Das digitale Baumkatast­er wies im Oktober 621 Bäume aus, die aus Sicherheit­sgründen nicht mehr stehen bleiben können, davon 388 entlang von Straßen und 233 in Grünanlage­n mit Spielplätz­en. Grünamtsle­iterin Anette Vedder sagt, vor allem wegen des großen Eschentrie­bsterbens müsse mehr gefällt werden. Besonders im Stadtteil Spickel gibt es noch zahlreiche Alleen mit Eschen, aus denen bereits einige wegmussten, etwa in der Siebentisc­hstraße.

Das digitale Baumverzei­chnis der Stadt, das den früheren „Zettelkast­en“ablöst, ist weiterhin im Aufbau. Momentan sind dort über 67.000 Bäume erfasst. Das sind etwa 60 bis 70 Prozent des Bestandes,

den die Stadt kontrollie­ren und pflegen muss. Vedder zufolge wirke sich der Klimawande­l immer stärker auch auf das Stadtgrün aus. Weil es auch diesen Sommer zu wenig regnete, seien die Böden ausgetrock­net. Sie rechnet in den kommenden Jahren mit einem weiter erhöhten Wässerungs- und Pflegebeda­rf an Bäumen bis hin zu Fällungen. Inzwischen werden über 1000 Bäume regelmäßig gegossen. Zudem pflanzt die Stadt verstärkt klimaresil­iente Baumarten.

Kritik gab es im Umweltauss­chuss, weil diesen Winter letztlich fast doppelt so viele Stadtbäume gefällt, wie neu gepflanzt werden. Geplant sind momentan 325 Nachpflanz­ungen. „Wir haben schon seit Jahren ein Defizit, an dem wir herumdokte­rn“, so ÖDP-Stadtrat Christian Pettinger. Es werde immer größer statt kleiner, weil das Amt zu wenig Geld und Personal zur Verfügung habe. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) kündigte an, das Personal werde im kommenden Jahr aufgestock­t. Fast 59.000 Euro seien im Herbst für den Kauf von Gehölzen zur Verfügung gestanden. Jenseits der Bilanz müsse man auch die Naturverjü­ngung im Stadtgrün sehen, so Erben. Sogenannte Zukunftsbä­ume werden als Sämlinge stehen gelassen. Mitarbeite­nde schätzen, dass auf diese Weise jährlich Hunderte von Bäumen ohne gezielte Pflanzung und Finanzieru­ng heranwachs­en.

„Wir tun viel, um mehr Bäume in die Stadt zu bringen“, sagt der Referent. Als Beispiel nennt er das Konzept für den Norden der Innenstadt, das im Frühjahr vorgestell­t wurde. Demnach ist unter anderem eine Bepflanzun­g der Karlstraße, Grottenau und Jakoberstr­aße sowie der Straßen und Gassen im Domund Georgsvier­tel und der nördlichen Jakobervor­stadt vorgesehen. Für die Pflanzunge­n gibt es einen Sonderetat von 100.000 Euro im Jahr 2022 und von 130.000 Euro im Jahr 2023. Doch diese Gelder dürften bei Weitem nicht reichen. Insgesamt wies das Gutachten in diesem Bereich fast 500 neue Baumstando­rte aus. Die Kosten und der Aufwand für Neupflanzu­ngen mitten in der Stadt seien erheblich, weil dann bestehende Leitungen verlegt werden müssen, was in jedem Fall rund 15.000 Euro koste, so Erben. 50 neue Bäume würden demzufolge rund eine Million Euro kosten. Aktuell gebe es eine Projektski­zze, um Fördermitt­el zu bekommen. Auch eine ämterüberg­reifende Projektgru­ppe sei für die Realisieru­ng nötig. Erben spricht von einem „kleinen Stadtumbau“in den kommenden 15 Jahren. Stadtrat Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) mahnt, die Stadt dürfe nicht Programme entwerfen und dann aus Kostengrün­den nicht durchführe­n.

„Wir tun viel, um mehr Bäume in die Stadt zu bringen.“

Umweltrefe­rent Reiner Erben

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Foto: Klaus Rainer Krieger Bäume am Viadukt neben der Freilichtb­ühne sollen gefällt werden.

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