Augsburger Allgemeine (Land Nord)
22-Jähriger versorgte den Drei-Auen-Platz kiloweise mit Drogen
Ein Augsburger Gericht verurteilt den jungen Mann aus dem Raum Ulm zu knapp zweieinhalb Jahren Haft. Warum das Urteil so milde ausfiel.
Ein Drogendealer, der unter anderem auch die sogenannte 54er-Jugendgruppierung rund um den Drei-Auen-Platz in Oberhausen mit Marihuana im Kilobereich versorgt hat, ist jetzt zu einer vergleichsweise milden Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Seine Angaben vor der Kripo hatten dazu beigetragen, dass in Babenhausen (Unterallgäu) drei führende Rauschgifthändler festgenommen und unter einem landwirtschaftlichen Anhänger auf einem Bauernhof 28 (!) Kilogramm Marihuana sichergestellt werden konnten.
Mit diesen drei Männern soll der 22-Jährige über fast ein Jahr hinweg einen schwunghaften Handel mit „Gras“im Raum Ulm und auch in Augsburg betrieben haben. Im Prozess vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Silke Knigge warf Staatsanwältin Anna-Lena Pilsel dem aus der Ulmer Gegend stammenden Angeklagten drei Fälle des Drogenhandels „in nicht geringer Menge“vor. So soll er zusammen mit Komplizen im Juli 2021 fünf Kilo Marihuana, das aus Spanien stammte, in einem Haus im Heilig-Kreuz-Viertel für 16.000 Euro an zwei Abnehmer verkauft haben.
Einen Monat später sollen im Univiertel vier Kilo der Droge für über 19.000 Euro den Besitzer gewechselt haben. Im Mai 2022, so wird ihm weiter vorgeworfen, soll er selbst zwei Kilo Marihuana angekauft haben. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung entdeckte die Kripo davon noch fast ein Kilo in einer Supermarkt-Einkaufstüte. Das Rauschgift hatte einen Wirkstoffgehalt von 18 Prozent – der dreifache Wert von Marihuana, das beispielsweise im Raum München in Umlauf ist. Drogenhandel mit derartigen Mengen ist ein Verbrechenstatbestand mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Haft pro Fall.
Dass der 22-Jährige am Ende relativ milde bestraft und sogar aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, lag an mehreren rechtlichen Gründen. Einmal war der Angeklagte erst im April wegen Drogenbesitzes vom Amtsgericht Memmingen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Diese
Strafe hätte jetzt in ein neuerliches Urteil einbezogen werden müssen. Weil aber eine Jugendstrafe nicht mit einer Strafe nach dem Erwachsenenrecht vermischt werden darf, bildete das Gericht einen sogenannten Härteausgleich: Die neuerliche Strafe wurde gemildert. Das Schöffengericht stellte außerdem vorweg den ersten Fall wegen einer dürftigen Beweislage ein.
Bei dem Handel im HeiligKreuz-Viertel hatte die Polizei das Haus observiert, den Angeklagten aber selbst nicht beobachtet. Der 22-Jährige, der von einem Mittäter belastet worden war, bestreitet, bei dem Deal überhaupt dabei gewesen zu sein. Dem Angeklagten wurde auch zugutegehalten, dass er mit seinem übrigen Geständnis zur Aufklärung des Gesamtkomplexes beigetragen hat. Eine „Kronzeugenregelung“im Betäubungsmittelgesetz (Paragraf 31) ermöglicht dem Gericht, Strafnachlass zu gewähren. Die Weichen für den weiteren Prozessverlauf waren bereits bei Gesprächen hinter verschlossenen Türen gestellt worden, die Verteidigerin Daniela Gabler angeregt hatte.
Der 22-Jährige, der seit fünf Monaten in Untersuchungshaft saß, sagte dem Gericht, er wolle unbedingt eine Therapie machen.
Er habe bis vor seiner Verhaftung täglich fünf bis zehn Gramm „Gras“selbst konsumiert, dazu noch alle paar Tage auch Kokain. Als Grund für seine Sucht gab er an, seit einem schweren Autounfall in Rumänien unter starken Schmerzen im Becken und am Rücken zu leiden. Das Marihuana habe ihm die Schmerzen erträglich gemacht. Bei dem Unglück im Jahr 2017 sei sein Cousin ums Leben gekommen, er schwer verletzt zwei Monate im Krankenhaus gelegen. Er habe deshalb, obwohl er eine Wirtschaftsschule abgeschlossen hatte, keine Ausbildung gemacht, sondern finanziell von seinen Eltern gelebt.
Nach dem Urteil wurde der 22-Jährige aus der Haft entlassen. Er versucht nun, möglichst rasch eine Drogentherapie zu bekommen. Diese würde bei Erfolg dann zeitlich auf die noch abzusitzende Rest-Gefängnisstrafe von zwei Jahren angerechnet.
Wie mehrfach berichtet, hatte die Polizei ab dem Sommer 2021 monatelang ermittelt, als bekannt geworden war, dass der Drei-Auen-Platz in Oberhausen Treffpunkt für Rauschgiftgeschäfte war. Daraufhin waren Telefone abgehört, Verdächtige observiert und Scheinkäufe durch die Polizei getätigt worden. Nach einer großen Razzia saßen zeitweise bis zu zwölf Verdächtige in Untersuchungshaft.
Inzwischen sind zahlreiche Dealer vom Amtsgericht verurteilt worden – meist zu Haftstrafen bis zu knapp vier Jahren.
Der Angeklagte trug mit einem Geständnis zur Aufklärung bei