Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trump soll vor Gericht
In Washington endet der Untersuchungsausschuss zum Sturm auf den Kongress mit einem Knall. Nach 18-monatiger Aufklärungsarbeit empfiehlt er ein Strafverfahren gegen den Ex-Präsidenten. Jetzt ist der Justizminister am Zug.
Washington In seinem palastartigen Anwesen an der Atlantikküste von Florida strahlt die Weihnachtsdekoration. Aber feierliche Stimmung will bei Donald Trump nicht aufkommen. „Das sind korrupte Feiglinge, die unser Land hassen“, wütete der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika am Wochenende auf seiner Plattform Truth Social. „Ich kämpfe nur, um unser Land zu retten“, behauptete er – wie so oft in Großbuchstaben. Und Trump warnte eindringlich: „Die wirklichen Kriminellen sind die Leute, die unser einstmals großartiges Land zerstören.“
Die wilde Tirade von Kurzbotschaften kam nicht von ungefähr. Der Polit-Exilant ahnte wohl, was an diesem Montag in Washington passieren würde. Da beendete der Untersuchungsausschuss zum Kapitolssturm seine 18-monatige Arbeit mit einem Paukenschlag: In einem historisch beispiellosen Beschluss empfahlen die sieben demokratischen und zwei republikanischen Mitglieder des Gremiums dem Justizministerium einstimmig die strafrechtliche Verfolgung des Ex-Präsidenten. „Als früherer Staatsanwalt glaube ich, dass es genügend Material für eine Anklage gegen den Ex-Präsidenten gibt“, machte Adam Schiff, einer der demokratischen Ausschussangehörigen, vor der Sitzung deutlich.
Bei mehr als 1000 Vernehmungen ehemaliger Regierungsmitglieder, enger Trump-Vertrauter und selbst der beiden Trump-Kinder Ivanka und Donald Junior hat das neunköpfige Parlamentsgremium in den vergangenen 18 Monaten tatsächlich einen erdrückenden Berg von Belegen für die zentrale Rolle des Ex-Präsidenten bei dem Putschversuch zusammengetragen. Die Zeugen sagten aus, dass Trump frühzeitig eine Kampagne zur Diskreditierung des rechtmäßigen Wahlergebnisses plante, staatliche Beamte zur Fälschung der Ergebnisse drängte, den bewaffneten rechten Mob am 6. Januar 2021 aufhetzte und dann 187 Minuten untätig blieb, während
das Kapitol gewaltsam gestürmt wurde und Volksvertreter um ihr Leben fürchten mussten.
In der Juristensprache lässt sich das auf drei Vergehen kondensieren: Aufruhr, Verschwörung gegen die US-Regierung und Behinderung eines öffentlichen Verfahrens.
Diese drei Anklagepunkte wollte der Ausschuss nach übereinstimmenden Medienberichten empfehlen. In einem Fernsehinterview zählte Schiff die wichtigsten Vergehen Trumps auf und setzte hinzu: „Wenn das nicht kriminell ist, was dann?“
Die Empfehlung der Anklage eines ehemaligen Präsidenten durch den Kongress ist beispiellos in der US-Geschichte. Gleichwohl hat sie weitgehend symbolische Bedeutung. Das Parlament selbst hat nämlich keine rechtliche Handhabe. Herr des Verfahrens ist Justizminister
Merrick Garland. Der hatte im vergangenen Monat mit Jack Smith einen Sonderermittler eingesetzt, der längst eigene Erkenntnisse gesammelt hat. Die schiere Masse der vom Ausschuss gesammelten mehr als eine Million Dokumente dürfte deren Umfang freilich weit übersteigen. Politisch steigt nun vor allem der Druck auf Garland, ein Strafverfahren zu eröffnen. Der akkurate Jurist zögert vor diesem Schritt, weil er den Vorwurf einer politischen Verfolgung des möglichen Herausforderers von Präsident Joe Biden fürchtet. Trump hat seine Bewerbung für eine erneute Kandidatur im Jahr 2024 angemeldet. Eine Verurteilung wegen Aufruhr würde ihn von künftigen öffentlichen Ämtern ausschließen.
Ohnehin gerät der Ex-Präsident derzeit von verschiedenen Seiten immer stärker unter Druck. Das Justizministerium ermittelt gegen ihn auch wegen der möglichen Entwendung teilweise streng geheimer Regierungsdokumente, die auf seinem privaten Anwesen Mara-Lago gefunden wurden. Weiterer Ärger droht in dem jahrelangen Streit um die Veröffentlichung seiner Steuerunterlagen. Der einflussreiche Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses will an diesem Dienstag entscheiden, ob er die Unterlagen aus den Jahren 2015 bis 2020 öffentlich macht.
Die Demokraten im Repräsentantenhaus stehen unter Zeitdruck, weil sie zum Jahreswechsel ihre Mehrheit verlieren. Die Republikaner haben schon angekündigt, dass sie den Untersuchungsausschuss zum Kapitolsturm dann sofort auflösen wollen. Mit zehn öffentlichen Anhörungen, die live im Fernsehen übertragen wurden, hat das Gremium zwar die Hardcore-Anhänger des Ex-Präsidenten kaum umstimmen können, aber einen eindrucksvollen Beitrag zur öffentlichen Aufarbeitung des Putschversuches geleistet.
In Erinnerung dürfte neben den Bildern der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzung vor allem bleiben, wie Trumps Ex-Justizministers Bill Barr dessen Erzählung von der Wahlfälschung als „Bullshit“abtat und eine Ex-Mitarbeiterin des damaligen Stabschefs Mark Meadows schilderte, wie engste Mitarbeiter des Präsidenten diesen stundenlang vergeblich zum Einschreiten gegen den blutigen Parlamentssturm zu bewegen versuchten.