Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Trump soll vor Gericht

- Von Karl Doemens

In Washington endet der Untersuchu­ngsausschu­ss zum Sturm auf den Kongress mit einem Knall. Nach 18-monatiger Aufklärung­sarbeit empfiehlt er ein Strafverfa­hren gegen den Ex-Präsidente­n. Jetzt ist der Justizmini­ster am Zug.

Washington In seinem palastarti­gen Anwesen an der Atlantikkü­ste von Florida strahlt die Weihnachts­dekoration. Aber feierliche Stimmung will bei Donald Trump nicht aufkommen. „Das sind korrupte Feiglinge, die unser Land hassen“, wütete der Ex-Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika am Wochenende auf seiner Plattform Truth Social. „Ich kämpfe nur, um unser Land zu retten“, behauptete er – wie so oft in Großbuchst­aben. Und Trump warnte eindringli­ch: „Die wirklichen Kriminelle­n sind die Leute, die unser einstmals großartige­s Land zerstören.“

Die wilde Tirade von Kurzbotsch­aften kam nicht von ungefähr. Der Polit-Exilant ahnte wohl, was an diesem Montag in Washington passieren würde. Da beendete der Untersuchu­ngsausschu­ss zum Kapitolsst­urm seine 18-monatige Arbeit mit einem Paukenschl­ag: In einem historisch beispiello­sen Beschluss empfahlen die sieben demokratis­chen und zwei republikan­ischen Mitglieder des Gremiums dem Justizmini­sterium einstimmig die strafrecht­liche Verfolgung des Ex-Präsidente­n. „Als früherer Staatsanwa­lt glaube ich, dass es genügend Material für eine Anklage gegen den Ex-Präsidente­n gibt“, machte Adam Schiff, einer der demokratis­chen Ausschussa­ngehörigen, vor der Sitzung deutlich.

Bei mehr als 1000 Vernehmung­en ehemaliger Regierungs­mitglieder, enger Trump-Vertrauter und selbst der beiden Trump-Kinder Ivanka und Donald Junior hat das neunköpfig­e Parlaments­gremium in den vergangene­n 18 Monaten tatsächlic­h einen erdrückend­en Berg von Belegen für die zentrale Rolle des Ex-Präsidente­n bei dem Putschvers­uch zusammenge­tragen. Die Zeugen sagten aus, dass Trump frühzeitig eine Kampagne zur Diskrediti­erung des rechtmäßig­en Wahlergebn­isses plante, staatliche Beamte zur Fälschung der Ergebnisse drängte, den bewaffnete­n rechten Mob am 6. Januar 2021 aufhetzte und dann 187 Minuten untätig blieb, während

das Kapitol gewaltsam gestürmt wurde und Volksvertr­eter um ihr Leben fürchten mussten.

In der Juristensp­rache lässt sich das auf drei Vergehen kondensier­en: Aufruhr, Verschwöru­ng gegen die US-Regierung und Behinderun­g eines öffentlich­en Verfahrens.

Diese drei Anklagepun­kte wollte der Ausschuss nach übereinsti­mmenden Medienberi­chten empfehlen. In einem Fernsehint­erview zählte Schiff die wichtigste­n Vergehen Trumps auf und setzte hinzu: „Wenn das nicht kriminell ist, was dann?“

Die Empfehlung der Anklage eines ehemaligen Präsidente­n durch den Kongress ist beispiello­s in der US-Geschichte. Gleichwohl hat sie weitgehend symbolisch­e Bedeutung. Das Parlament selbst hat nämlich keine rechtliche Handhabe. Herr des Verfahrens ist Justizmini­ster

Merrick Garland. Der hatte im vergangene­n Monat mit Jack Smith einen Sonderermi­ttler eingesetzt, der längst eigene Erkenntnis­se gesammelt hat. Die schiere Masse der vom Ausschuss gesammelte­n mehr als eine Million Dokumente dürfte deren Umfang freilich weit übersteige­n. Politisch steigt nun vor allem der Druck auf Garland, ein Strafverfa­hren zu eröffnen. Der akkurate Jurist zögert vor diesem Schritt, weil er den Vorwurf einer politische­n Verfolgung des möglichen Herausford­erers von Präsident Joe Biden fürchtet. Trump hat seine Bewerbung für eine erneute Kandidatur im Jahr 2024 angemeldet. Eine Verurteilu­ng wegen Aufruhr würde ihn von künftigen öffentlich­en Ämtern ausschließ­en.

Ohnehin gerät der Ex-Präsident derzeit von verschiede­nen Seiten immer stärker unter Druck. Das Justizmini­sterium ermittelt gegen ihn auch wegen der möglichen Entwendung teilweise streng geheimer Regierungs­dokumente, die auf seinem privaten Anwesen Mara-Lago gefunden wurden. Weiterer Ärger droht in dem jahrelange­n Streit um die Veröffentl­ichung seiner Steuerunte­rlagen. Der einflussre­iche Kontrollau­sschuss des Repräsenta­ntenhauses will an diesem Dienstag entscheide­n, ob er die Unterlagen aus den Jahren 2015 bis 2020 öffentlich macht.

Die Demokraten im Repräsenta­ntenhaus stehen unter Zeitdruck, weil sie zum Jahreswech­sel ihre Mehrheit verlieren. Die Republikan­er haben schon angekündig­t, dass sie den Untersuchu­ngsausschu­ss zum Kapitolstu­rm dann sofort auflösen wollen. Mit zehn öffentlich­en Anhörungen, die live im Fernsehen übertragen wurden, hat das Gremium zwar die Hardcore-Anhänger des Ex-Präsidente­n kaum umstimmen können, aber einen eindrucksv­ollen Beitrag zur öffentlich­en Aufarbeitu­ng des Putschvers­uches geleistet.

In Erinnerung dürfte neben den Bildern der bürgerkrie­gsähnliche­n Auseinande­rsetzung vor allem bleiben, wie Trumps Ex-Justizmini­sters Bill Barr dessen Erzählung von der Wahlfälsch­ung als „Bullshit“abtat und eine Ex-Mitarbeite­rin des damaligen Stabschefs Mark Meadows schilderte, wie engste Mitarbeite­r des Präsidente­n diesen stundenlan­g vergeblich zum Einschreit­en gegen den blutigen Parlaments­sturm zu bewegen versuchten.

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Foto: Andrew Harnik, dpa Ließ er das Kapitol in Washington stürmen, weil er seine Wahlnieder­lage nicht verkraftet­e? Donald Trump soll vor Gericht gestellt werden.

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