Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Ex-Präsident auf der Anklageban­k ist eine heikle Angelegenh­eit

- Von Karl Doemens

Die Beweislast ist erdrückend. Mehr als 1000 Zeugen hat das Gremium befragt. Ex-Mitarbeite­r, Vertraute und selbst Familienmi­tglieder haben ausgesagt. Nach 18-monatiger Aufklärung­sarbeit des USKongress-Untersuchu­ngsausschu­sses kann kein Zweifel mehr daran bestehen: Donald Trump ist der Hauptveran­twortliche für den unerhörten Versuch, die Präsidents­chaftswahl 2020 zu sabotieren und das Ergebnis ins Gegenteil zu verkehren.

Insofern ist die Empfehlung zur Anklage ein logischer und demokratie­theoretisc­h extrem wichtiger Schritt. „Wenn das nicht kriminell ist, was dann?“, fragt der demokratis­che Abgeordnet­e Adam Schiff zu Recht. Ein Rechtsstaa­t, der einfache Bürger wegen kleiner Vergehen belangt, gefährdet seine Legitimati­on, wenn er den monströsen Umsturzver­such eines Präsidente­n nicht ahndet.

Politisch ist die Operation gleichwohl extrem heikel: Trump wird jedes Mittel nutzen, das Verfahren als eine parteitakt­ische Vernichtun­gskampagne zu diffamiere­n und sich als Märtyrer zu inszeniere­n. Seine Anhänger werden ihrem Idol diese neue Verschwöru­ngslüge allzu gerne glauben. Viele Republikan­er im Kongress aber werden sie aus zynischem Kalkül befeuern. Die US-Gesellscha­ft wird das weiter polarisier­en.

Präsident Joe Biden tut daher gut daran, maximalen Abstand zu der Strafverfo­lgung zu halten. Jeglicher

Eindruck einer Einflussna­hme wäre absolut kontraprod­uktiv. Dabei ist die bittere Ironie der Geschichte eine ganz andere: Tatsächlic­h kann der Hausherr im Weißen Haus gar kein Interesse daran haben, eine erneute Kandidatur seines Vorgängers zu verhindern: Seit den vernichten­den Niederlage­n seiner Kandidaten bei den Midterm-Wahlen ist Trump schwer angeschlag­en. Unter den denkbaren Gegenkandi­daten wäre er für Biden wohl der einfachste politische Herausford­erer.

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