Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Ex-Präsident auf der Anklagebank ist eine heikle Angelegenheit
Die Beweislast ist erdrückend. Mehr als 1000 Zeugen hat das Gremium befragt. Ex-Mitarbeiter, Vertraute und selbst Familienmitglieder haben ausgesagt. Nach 18-monatiger Aufklärungsarbeit des USKongress-Untersuchungsausschusses kann kein Zweifel mehr daran bestehen: Donald Trump ist der Hauptverantwortliche für den unerhörten Versuch, die Präsidentschaftswahl 2020 zu sabotieren und das Ergebnis ins Gegenteil zu verkehren.
Insofern ist die Empfehlung zur Anklage ein logischer und demokratietheoretisch extrem wichtiger Schritt. „Wenn das nicht kriminell ist, was dann?“, fragt der demokratische Abgeordnete Adam Schiff zu Recht. Ein Rechtsstaat, der einfache Bürger wegen kleiner Vergehen belangt, gefährdet seine Legitimation, wenn er den monströsen Umsturzversuch eines Präsidenten nicht ahndet.
Politisch ist die Operation gleichwohl extrem heikel: Trump wird jedes Mittel nutzen, das Verfahren als eine parteitaktische Vernichtungskampagne zu diffamieren und sich als Märtyrer zu inszenieren. Seine Anhänger werden ihrem Idol diese neue Verschwörungslüge allzu gerne glauben. Viele Republikaner im Kongress aber werden sie aus zynischem Kalkül befeuern. Die US-Gesellschaft wird das weiter polarisieren.
Präsident Joe Biden tut daher gut daran, maximalen Abstand zu der Strafverfolgung zu halten. Jeglicher
Eindruck einer Einflussnahme wäre absolut kontraproduktiv. Dabei ist die bittere Ironie der Geschichte eine ganz andere: Tatsächlich kann der Hausherr im Weißen Haus gar kein Interesse daran haben, eine erneute Kandidatur seines Vorgängers zu verhindern: Seit den vernichtenden Niederlagen seiner Kandidaten bei den Midterm-Wahlen ist Trump schwer angeschlagen. Unter den denkbaren Gegenkandidaten wäre er für Biden wohl der einfachste politische Herausforderer.