Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und in zwei Jahren mit Lederhose

- Von Florian Eisele

Ganz zum Ende des Turniers musste der sich ansonsten in Zurückhalt­ung übende Gastgeber aber dann doch mal zeigen, unter welchem Dach diese Fußball–WM stattfand. Kurz vor der Siegerehru­ng befanden Fifa-Präsident Gianni Infantino und der Emir Katars, Tamim bin Hamad Al Thani, dass Argentinie­ns Superstar Lionel Messi den WMPokal nur in einem Bischt entgegen nehmen könnte. Dabei handelt es sich um traditione­llen Umhang, den in Arabien Männer zu besonderen Gelegenhei­ten überwerfen.

Jetzt kann man das Tragen dieses statusträc­htigen Gewands als Ehrerbietu­ng der Gastgeber betrachten – oder als den Versuch Katars, die Siegerehru­ng erneut für die eigene Inszenieru­ng zu nutzen. Schließlic­h ist auf allen Jubelbilde­rn, die zukünftig vom neuen Weltmeiste­r zu sehen sind, auch Messí mit dem Bischt zu sehen. Der Stürmer selbst schien nicht sonderlich erpicht auf die neue Garderobe zu sein, ließ die Prozedur aber mit der Gelassenhe­it eines Teenagers über sich ergehen, der vom Vater der Freundin die strengen Regeln fürs erste Date erklärt bekommt.

Letztlich war der Bischt-Einsatz aber wie vieles bei dieser Weltmeiste­rschaft: einfach visionär. Denn es ist überfällig, dass auch der mediale Weißraum bei den Siegerehru­ngen endlich bespielt wird. Natürlich soll

die Siegerehru­ng schon irgendwie den Siegern gehören – aber warum nicht auch den Gastgebern, Sponsoren und sonstigen Ehrenleute­n?

Wenn in 18 Monaten der Fußball-Europameis­ter gekürt wird, kann Gastgeber Deutschlan­d ja zeigen, wie es mit dem Lerneffekt aussieht und dem Kapitän der siegreiche­n Mannschaft eine Lederhose aufzwingen. Soll jeder sehen: Wenn se tschörmens es schon sportlich nicht mehr schaffen, die erste Geige zu spielen – nach vorne drängeln geht aber noch! Und bei der Gelegenhei­t wird es ja wohl nicht zu viel verlangt sein, noch ein paar Sponsoren-Aufkleberc­hen anzuheften.

In Vollendung wird das Prinzip aber wohl erst bei der WM 2026 zu sehen sein, wenn die MarketingW­eltmeister aus den USA zusammen mit Mexiko und Kanada Ausrichter sind. Kann dann eigentlich nur ein Mountie-Kostüm mit Sombrero und Cowboystie­feln dabei herauskomm­en. Und nicht ausgeschlo­ssen, dass auch die US-Politik auch da was dazu zu sagen hat.

Die nächsten Wahlen finden 2024 statt, ein gewisser Donald Trump will nochmals antreten. Kann es sein, dass man dann die WM 2022 doch als gar nicht so schlecht empfinden könnte?

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Foto: R. Michael, dpa Mit dem Bischt zum Pokal: Messi bei der Siegerzere­monie.
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