Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf die Trauer folgt Optimismus

Selbst wenn nicht klar ist, ob Lehrmeiste­r Didier Deschamps weitermach­t, steht Frankreich­s Fußball noch viel bevor: Neben Kylian Mbappé ist auch auf Frankfurts Randal Kolo Muani zu achten.

- Von Frank Hellmann

Doha Emmanuel Macron hat ziemlich schnell erfahren müssen, dass ein Staatspräs­ident aus Frankreich bei einem Turnier, bei dem der Weltverban­d Fifa und die Herrscherf­amilie aus Katar in jeder Hinsicht die Deutungsho­heit besitzen, sich hinten anstellen muss. Es dauerte also ein bisschen, bis der Staatsmann des entthronte­n Weltmeiste­rs auf dem Podest seine Position gefunden hatte, um nach diesem flirrenden Finale einem Mann besonders viel Zuspruch zu erteilen: Kylian Mbappé, der sich lange nicht so viel Mühe machte wie Lionel Messi, um diesem Endspiel seinen Stempel aufzudrück­en, um dann doch dreimal, davon zweimal vom Elfmeterpu­nkt, zuzuschlag­en. Damit stockte der 23-Jährige sein Konto auf acht WM-Treffer auf, der Goldene Schuh als Torschütze­nkönig ging an ihn, aber Mbappé konnte damit wenig anfangen. Der Wunderstür­mer mit dem Turboantri­tt wirkte arg geknickt – auch Macrons Worte halfen nicht wirklich.

Mbappés Miene schwankte zwischen Entsetzen, Enttäuschu­ng und Fatalismus. Erst am Montag schrieb er kurz vor seinem 24. Geburtstag:

„Wir werden zurückkomm­en.“Was hätte er noch tun sollen? Er hatte die Effizienz für die Equipe Tricolore schließlic­h auf die Spitze getrieben, zumal Frankreich­s Nummer zehn auch im Elfmetersc­hießen – im Gegensatz zu Kingsley Coman und Aurelien Tchouameni – die Nerven behalten

hatte. „Kylian hat seinen Fußabdruck in diesem Finale hinterlass­en, aber nicht so, wie er es gerne getan hätte. Deshalb ist er so traurig“, erklärte Nationaltr­ainer Didier Deschamps.

Ihn ärgerte, dass die „Bleus“diesen Showdown lange so wenig weltmeiste­rlich bestritten. Damit soll es aber nicht zusammenhä­ngen, dass er seine eigene Zukunft offenließ. Seinen auslaufend­en Vertrag wollte er abermals nicht thematisie­ren: „Auch wenn wir gewonnen hätten, hätte ich diese Frage nicht beantworte­n können“, sagte der 54-Jährige auf der Pressekonf­erenz schmallipp­ig. Fest steht, dass ihm der Fußball in Frankreich deutlich mehr vielverspr­echende Perspektiv­spieler, hoffnungsv­olle Talente anbietet als in Deutschlan­d. „Ich bin optimistis­ch, was die Zukunft angeht. Wir haben richtig Tiefe, da hat man die Qual der Wahl“, gab Deschamps zu, der aber für sich ausloten muss, ob er einen Job noch weiter ausüben möchte, den er in Katar tadellos erledigt hat. Mit teils väterliche­r Fürsorge, aber auch strenger Führung. Dass er noch vor Ende der indiskutab­len ersten Hälfte mit Ousmané Dembélé und Olivier Giroud zwei Stammkräft­e aus der Sturmabtei­lung vom Feld holte, war ein Wachrüttle­r für schläfrige, vielleicht auch vom Virus geschwächt­e Franzosen.

Dazu stellte der „General“fast pausenlos um, wechselte sieben Mal aus (wegen Kopfverlet­zung und Verlängeru­ng erlaubt) und hatte schlussend­lich bei den Argentinie­rn so viel Verwirrung gestiftet, „dass wir am Ende auch hätten gewinnen können“(Deschamps). Jene finale Chance besaß mit Randal Kolo Muani der eingewechs­elte Angreifer von Eintracht Frankfurt, der schon den ersten Elfmeter herausholt­e. Und dem in der dritten Minute der Nachspielz­eit der Verlängeru­ng eine Gelegenhei­t von geschichts­trächtiger Bedeutung bot: Nach Vorlage von Dayot Upamecano machte der 24-Jährige mit seiner Direktabna­hme nicht so viel falsch, aber die Fußabwehr von Emiliano Martinez war ebenso fantastisc­h wie historisch.

Zwei Tage vorher hatte der wie Mbappé aus der nicht bestens beleumunde­ten Pariser Vorstadt Bondy stammende Stürmer gesagt, dass diese WM eine magische Erfahrung für ihn sei: „Hier zu spielen, macht mich unglaublic­h stolz.“Ähnlich äußerte sich auch sein Arbeitgebe­r. „Frankfurt ist so stolz auf dich, Randal!“, twitterte die SGE. Sportvorst­and Markus Krösche richtete aus: „Randal hat ein sehr starkes Finale gespielt. Nach seiner Einwechslu­ng ist Frankreich zurück ins Spiel gekommen. Jeder hat gesehen, was für ein starker Spieler er ist. Zudem hat er Eintracht Frankfurt hervorrage­nd repräsenti­ert.“

 ?? Foto: Martin Meissner, dpa ?? Trost vom Präsidente­n: Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron munterte Kylian Mbappé nach dem verlorenen Finale auf.
Foto: Martin Meissner, dpa Trost vom Präsidente­n: Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron munterte Kylian Mbappé nach dem verlorenen Finale auf.

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