Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hoch die Tassen mit Schwipsi und Glührosé

Der Christkind­lesmarkt will durstigen Gästen mehr bieten als Glühwein und Kinderpuns­ch. Die Betreiberi­nnen und Betreiber vieler Stände versuchen, sich mit eigenen Kreationen hervorzutu­n.

- Von Jonathan Lindenmaie­r

Augsburg ist so was wie die Hauptstadt des modernen Glühweins. Zwar reicht die Geschichte des Getränks bis zurück in die Antike, doch so wie wir ihn heute kennen, wurde der Glühwein erstmals 1956 abgefüllt. Von Rudolf Kunzmann, in seiner Augsburger Weinkeller­ei.

Heute verkaufen die Standbetre­iberinnen und Standbetre­iber – Kunzmanns geistige Erben quasi – auf dem Christkind­lesmarkt unterschie­dlichste Getränke: weißen Glühwein, roten Glühwein, schwedisch­en Glühwein, heißen Gin Tonic, heißen Hugo, heißen Aperol. Der Markt lebt von Abwechslun­g. Jeder Betreiber und jede Betreiberi­n versucht eigene Akzente zu setzen. Was sind die Markenzeic­hen? Eine kulinarisc­he Tour über den Weihnachts­markt.

Die Engelespyr­amide ist eine Institutio­n auf dem Christkind­lesmarkt. Fast eine ebenso große Institutio­n aber ist der Mann, der darinsteht. Und das Getränk, das er verkauft. Edmund Diebold bewegt sich lächelnd durch den engen Verkaufsst­and. Es scheint, als würde er den Trubel um sich herum genießen. Hier ein bisschen abkassiere­n, da ein bisschen ausschenke­n, dort ein wenig plaudern. Auf die Verkaufsth­eke stellt er ein dampfendes Glas. In rotem Wein schwimmen Kirschen, die verdächtig nach Alkohol riechen. Der Name des Getränks: Schwipsi. „Schwipsi gehört zum Augsburger Weihnachts­markt wie gebrannte Mandeln“, sagt er.

Wann genau es das erste Mal auf dem Weihnachts­markt verkauft wurde, ist schwer zu sagen. Irgendwann in den 70er-Jahren,

schätzt Diebold. Erfunden hat er das Getränk nicht er selbst. Sondern Louis Bartmann. Ein Schaustell­er wie Diebold, Festwirt auf dem Plärrer, Betreiber der Sternensch­änke – über die Jahre einer der wichtigste­n Anlaufpunk­te auf dem Christkind­lesmarkt.

Dieses Jahr ist Louis Bartmann gestorben. Vom Weihnachts­markt hatte er sich schon einige Jahr zuvor zurückgezo­gen. Schwipsi war eines seiner Markenzeic­hen. Das Rezept hat er kaum jemandem verraten. Eine der wenigen Ausnahmen

ist Diebold. Bartmann und Diebold haben sich über die Jahre angefreund­et. Er sollte Bartmanns Erbe weitertrag­en. Über Bartmann spricht Diebold wie über ein Vorbild. Ein Pedant sei er gewesen, aber im positiven Sinne. Er habe nur beste Zutaten verwendet, wollte sein Angebot stetig verfeinern, das Beste sei grade gut genug gewesen.

Viel verrät er nicht über Schwipsi. Nur dass die Kirschen mindestens ein Jahr in Alkohol ziehen. Der Rotwein, in dem sie serviert

werden, wird weihnachtl­ich gewürzt. Zu süß solle es nicht sein, der Zucker komme hauptsächl­ich über die Kirschen. „Ich habe Bartmann geschworen, das Rezept nicht zu verraten“, sagt er. Es sei ohnehin eine Ehre, das Getränk weiterzuve­rkaufen. „Bartmann und ich, wir haben uns geschätzt, weil wir nie versucht haben, einander zu kopieren“, sagt Diebold. „Wir hatten beide unseren eigenen Stil.“

Ein Getränk, das Diebold gerade gerne trinkt, ist der Glögg – die

schwedisch­e Version des Glühweins. Ein süßer Beerenwein, der mit Nelken, Zimt und anderen Gewürzen versetzt ist. Zucker kommt keiner hinein. Noch eine DieboldKre­ation: die „heiße Oma“. Ein Eierpunsch, den Diebold nach dem Rezept seiner Großmutter kocht. Oder sein Weihnachts­punsch: Orangen- und Zitronensc­heiben, Zimtstange­n und Nelken kocht er in Wasser aus. Den Sud mischt er mit schwarzem Tee, Rotwein und Rum. „So versucht jeder gute Standbetre­iber, eigene Kreationen zu verkaufen. Das macht den Weihnachts­markt aus.“

So macht es auch Bernd Noli. Sein Markenzeic­hen: heißer Gin Tonic. Den Stand betreibt Noli in der dritten Generation. „Am besten verkauft sich nach wie vor der normale Glühwein“, sagt er. „Aber man muss den Leuten auch was Neues bieten.“

Noli trinkt selbst gerne Gin Tonic. Und lässt deshalb seinen eigenen Schnaps brennen. Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis sein Gin entworfen war. Er hat eine Destille gesucht, verschiede­ne Versionen probiert, den Gin in Auftrag gegeben. „Bei den Kunden kommt das gut an.“

Ein paar Meter weiter stehen Männer und Frauen mit Weingläser­n in der Hand. So wird der Glühwein in der Feuerhütte serviert. Darin entfalte sich das Aroma besser, sagt die Besitzerin Karoline Zehle. Überhaupt seien die Gäste heute anspruchsv­oller, legten Wert auf gute Qualität. Der Trend geht hin zu teureren Weinen. Zehles aktuelles Lieblingsg­etränk: der Glührosé. Er ist neu im Sortiment, erst seit diesem Jahr verkauft Zehle das Getränk.

Auch bei den nicht alkoholisc­hen Getränken setzt Zehle auf Vielfalt. Jeden Tag verkauft sie einen anderen alkoholfre­ien Punsch. Mal Birne, mal Pflaume, mal Apfel. Nicht nur für Kinder. „Es kommen auch viele Geschäftsl­eute in der Mittagspau­se oder Autofahrer“, sagt sie. „Auch sie wollen etwas Warmes und mehr als nur den üblichen Kinderpuns­ch.“Zehle wechselt ihr Angebot ständig. Was sie im kommenden Jahr auf dem Augsburger Christkind­lesmarkt verkaufen will, weiß sie noch nicht. „Die Leute wollen immer was Neues.“

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Fotos: Jonathan Lindenmaie­r Titel wie „Amaretto Zauber“verspreche­n Abwechslun­g auf dem Christkind­lesmarkt: Edmund Diebold betreibt die Engelespyr­amide.
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Karoline Zehle (Mitte) und ihre Mitarbeite­rinnen in der Feuerhütte.
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Bernd Noli hat seinen eigenen Gin brennen lassen.

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