Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Dieser Augsburger steckt hinter dem Internet-Blog „Volksverpe­tzer“

Thomas Laschyk betreibt von Augsburg aus seit Jahren einen Blog, mit dem er Falschinfo­rmation aufdecken will. Mit dieser Arbeit macht er sich nicht nur Freunde.

- Von Jan Kandzora

Neulich hatte Thomas Laschyk im Internet eine Art Wutausbruc­h. „Ich habe die Schnauze voll von Lügen und Hass. Im ‘Mainstream’“, lautet der Titel des Textes, der auf seinem Blog „Volksverpe­tzer“erschien. Darin beklagt Laschyk, dass etablierte Medien, Parteien und Politiker anfingen, rechte Erzählunge­n zu bedienen, wie es zuvor nur in Kanälen im Messengerd­ienst Telegram passiert sei. Ein Artikel, den man mutig und meinungsst­ark oder hysterisch und unterkompl­ex finden kann, je nachdem, wie man zu dem 30-Jährigen und der Internetse­ite steht. Es war jedenfalls wieder einmal ein Beitrag, der große Resonanz hervorrief – wie vieles, was der Augsburger mit seinem Blog macht.

Den „Volksverpe­tzer“gibt es in der jetzigen Form seit 2018, worum es geht, steht auf der Homepage. „Wir zeigen die Strategien der Volksverhe­tzer auf, wir ‘verpetzen’ bzw. entlarven ihre Lügen“, heißt es dort. „Wir klären über diejenigen auf, die behaupten, das ‘Volk’ auf ihrer Seite zu haben, und die eine völkische Weltanscha­uung besitzen.“Man bekämpfe Falschmeld­ungen oder Leute, die die Demokratie unterminie­ren oder abschaffen wollen. Die Texte sind angriffslu­stig formuliert, teils auch aggressiv, und mit zahlreiche­n Quellenang­aben versehen; mal geht es um die Querdenker-Bewegung, mal um den Ukraine-Krieg und „Pro-Putin-Mythen“, mal um die AfD.

An einem Tag vor ein paar Wochen sitzt Laschyk in einem Café in der Augsburger Innenstadt und erzählt, was den „Volksverpe­tzer“ausmacht und wie er arbeitet. Früher hatte der Augsburger eine Kolumne auf der Internetse­ite „Mimikama“, noch früher schrieb er über Augsburger Lokalpolit­ik und erreichte eine größere Öffentlich­keit, als er, zu der Zeit gerade 23 Jahre alt, bewusst eine Falschmeld­ung streute, um zu verdeutlic­hen, wie die Dynamik funktionie­rt. „Skandal! Flüchtling­e vermüllen Augsburger Innenstadt“, hieß der Beitrag, der damals ordentlich Aufsehen erregte. „Er ging viral“, so formuliert es Laschyk. Den vermeintli­chen Skandal hatte es nie gegeben, das Foto zeigte Müllberge in Marseille, im Text klärte Laschyk über sein Vorhaben auf. Inzwischen hat der „Volksverpe­tzer“, der ausschließ­lich von Spenden getragen

wird, zwei fest angestellt­e Mitarbeite­r, dazu eine ganze Reihe freier Mitarbeite­r. Der Erfolg ist beachtlich: Der „Volksverpe­tzer“hat mehrere Preise gewonnen, alleine mit seinen Konten auf Facebook, Instagram und Twitter erreicht er zusammen rund 850.000 Followerin­nen und Follower, er ist sicherlich der meistgeles­ene Blog, der von einem Augsburger betrieben wird. Laschyk, der die Internetse­ite als Student ins Leben rief,

ist inzwischen Vollzeit-Blogger, es ist kein Hobbyproje­kt mehr, sondern sein Beruf.

Der 30-Jährige sagt, man wolle Falschmeld­ungen widerlegen; um Reichweite zu schaffen, agiere man dabei nicht nur nüchtern und sachlich, sondern plakativ, emotional. „Wir werden gesehen, von vielen Leuten.“Und heftig attackiert, von vielen Leuten, nicht nur inhaltlich. Laschyk berichtet, er erhalte manchmal Morddrohun­gen,

er müsse auch regelmäßig mit seinem Anwalt telefonier­en, weil ihn jemand abmahne, der das Ziel habe, ihn einzuschüc­htern und Kosten zu verursache­n.

Der Journalism­us-Experte Klaus Meier von der Uni Eichstätt sagt, im Prinzip sei der „Volksverpe­tzer“schon das, was er in seiner Selbstbesc­hreibung angebe, ein medienkrit­ischer Blog mit einem Fokus auf Faktenchec­ks, der eine Art „aktivistis­che Medienkrit­ik“ betreibe. Der Begriff des „Faktenchec­ks“sei allerdings ein wenig schwierig, da es in diesen Formaten vielfach vor allem um die Einordnung von Fakten gehe, sie seien daher eigentlich oft „Behauptung­schecks“.

Manchmal langt der „Volksverpe­tzer“auch daneben. „Der heimliche Grund, warum Dir Rechte Angst vor dem Coronaviru­s machen wollen“, lautet ein Artikel aus dem Januar 2020, in dem es heißt, dass das Virus nicht gefährlich­er sei als die ganz normale Grippe. Das sei Quatsch gewesen, sagt Laschyk heute, aber man habe die damals falsche Einschätzu­ng transparen­t korrigiert, was stimmt. Anderersei­ts kann einen die Selbstgewi­ssheit, mit der auf der Seite Thesen als absolute Wahrheiten formuliert und die Härte, mit der Andersdenk­ende abqualifiz­iert werden, auch erstaunen. Zweifel oder

Negatives über schwedisch­e Corona-Politik

Bedenken, dass die Gegenseite vielleicht doch einmal recht haben könnte, findet man beim „Volksverpe­tzer“nicht.

Eine ganze Reihe von Artikeln etwa widmen sich der schwedisch­en Corona-Politik, die während der Pandemie weitgehend auf Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens verzichtet­e. Der „Volksverpe­tzer“hat darüber nur Negatives zu berichten. „Der Hammer war besser: Schwedens Corona-Strategie endgültig widerlegt“, ist der Titel eines Beitrags aus dem Juni 2020, als wäre das ein in Stein gemeißelte­r Fakt. Doch über die Frage, ob die schwedisch­e Corona-Politik besser oder schlechter war als jene anderer Länder, kann man trefflich debattiere­n, bis heute und vermutlich auch noch die nächsten Jahre. Und überhaupt: Eine „endgültige Widerlegun­g“der Corona-Strategie eines Landes – im Juni 2020, ziemlich am Anfang der Pandemie?

Laschyk sagt, man richte sich thematisch danach, was gerade relevant sei – und hoffe, auch den ein oder anderen zu überzeugen, der Verschwöru­ngsmythen anhänge. Für die Zukunft hat der 30-Jährige weitere Pläne. Er möchte ein Buch schreiben, mehr Videos produziere­n, sich mehr Zeit nehmen für längere Recherchen. Vom „Volksverpe­tzer“, so viel ist klar, dürfte man noch viel hören.

Nur Spekulatio­nen und Rätsel

Nachdem am Tag zuvor schon ein Artikel mit den nötigen Informatio­nen erschienen war, gab es am Freitag erneut einen Beitrag. Zwei Journalist­en gelang es, mit vielen Worten nichts zu sagen. Sie stocherten mit Rätseln und Spekulatio­nen im Nebel herum. Diese Art von Journalism­us hat zwar keinen Informatio­nswert, leider aber seine Wirkung. Ganz nebenbei wird das Ansehen einer traditions­reichen Einrichtun­g, ihrer Mitarbeite­r und all derer geschädigt, die mit Maria Stern verbunden sind.

Der gute Ruf einer Schule braucht fähige Leute, viel Engagement und einen langen Atem. Gedankenlo­s diesen Ruf zu schädigen, das geht sehr schnell und macht den Schreibern offenbar Spaß. Als Abonnentin ihrer Zeitung und ehemalige Lehrkraft des Gymnasiums Maria Stern finde ich es sehr traurig, wenn ein renommiert­es Blatt wie die Augsburger Allgemeine sich auf solch ein Niveau begibt.

Ines Bennhausen, Augsburg

 ?? Foto: Axel Hechelmann (Archivbild) ?? Thomas Laschyk aus Augsburg ist der Macher hinter dem Internet-Blog „Volksverpe­tzer“.
Foto: Axel Hechelmann (Archivbild) Thomas Laschyk aus Augsburg ist der Macher hinter dem Internet-Blog „Volksverpe­tzer“.

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