Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Saatkrähen: Eine Plage ohne Gegenmitte­l?

In Bäumenheim brüten so viele Saatkrähen wie sonst nirgends in Schwaben. Erstmals wird auch der Schaden in der Landwirtsc­haft beziffert. Doch es bleibt die große Frage, was man gegen die Vögel unternehme­n kann.

- Von Barbara Wild

Bäumenheim Mindestens 1600 Saatkrähen haben den Schmutterw­ald von Asbach-Bäumenheim als ihren Brutplatz auserwählt. Die Vögel vermehren sich seit Jahren rasend schnell. Mittlerwei­le lebt am Ortsrand der Industrieg­emeinde die größte Kolonie in ganz Schwaben. 850 Brutpaare wurden zuletzt gezählt. Doch nicht nur die Anwohner leiden unter dem Dreck und dem Lärm der Tiere. Ein aktuelles Gutachten des Landesamte­s für Umwelt belegt eindeutig: Saatkrähen richten auch in der Landwirtsc­haft hohe Schäden an und kosten den Bauern viele Nerven.

Die Daten für das Gutachten stammen aus Bäumenheim und Mertingen aus dem Sommer 2021. Landwirte rund um Bäumenheim und Mertingen meldeten, wenn durch Saatkrähen die Aussaat beschädigt oder die jungen Pflanzen gefressen wurden. Nach zweifacher Begutachtu­ng durch Experten wurde dann der Schaden analysiert und gemessen: Innerhalb von vier Monaten vernichtet­en die Vögel Ernte im Wert von über 100.000 Euro.

Vor allem der Mais schmeckt den Vögeln besonders gut. Teilweise kommen sie angeflogen, wenn frisch ausgesät wird, teilweise, wenn die jungen Pflanzen bereits Blätter angesetzt haben. Versuche die Saat mit Chili, Beize oder Eukalyptus zu versetzen, brachte keinen Unterschie­d. Zu attraktiv ist das Nahrungsan­gebot auf den Äckern und später auch auf den Wiesen. Nur die organische­n Zutaten für Biogasanla­gen schmecken den Vögeln noch besser. Auch das ist in der Region reichlich im Angebot. Die Landwirte installier­ten Flugdrache­n, Flatterbän­der und spiegelnde Rotationsk­ugeln – beeindruck­t hat das die hochintell­igenten Tiere nicht. In Mertingen steckten Bauern sogar tote Saatkrähen auf und stellten sie ins Feld. Auch das half nichts, vermittelt aber einen Eindruck, welche Wut sich mittlerwei­le gegenüber den extrem ungeliebte­n aber geschützte­n Tieren angestaut hat.

Seit vielen Jahren sind die Saatkrähen in Bäumenheim ein Problem. Seit 2010 hat sich der Bestand der damals 150 Brutpaare massiv erhöht. 2021 wurden vom Landesamt für Umwelt 929 Brutpaare gezählt, im April 2022 waren es 850. Anwohner am Schmutterw­ald fühlen sich durch das Schreien der in großen Gruppen auftretend­en Vögel stark gestört. Außerdem koten die Tiere auf die Terrassen und flattern um die Gartenstüh­le. „Unsere Gärten und Terrassen sind ab Mai nicht mehr zu nutzen“, sagt eine Anwohnerin beim Treffen im Schmutterw­ald. Doch die Hoffnung, dass sich das tierische Problem löst, schwindet Jahr für Jahr mehr.

Denn Saatkrähen stehen europaweit unter Naturschut­z und dürfen seit 1977 nicht mehr bejagt werden. In den 60er-Jahren galten sie in Teilen Bayerns als ausgerotte­t, die Bestände haben sich aber seit der Schutzrich­tlinie wieder mehr als erholt. Vor allem in der Lech-Wertach-Ebene von Augsburg bis Bäumenheim fühlen sie sich wohl. Die Vögel siedeln zwangsläuf­ig immer näher an Wohnhäuser­n, denn natürliche Brutstätte­n hat der Mensch zerstört. Also bauen sie ihre Nester in Parks und Wäldern. In Gersthofen, Meitingen, Nordendorf – vielerorts gab es Versuche die lästigen und allseits ungern gesehenen Krähen zu vergrämen, also zu verjagen. Doch ein neuer Zwischenbe­richt macht klar: Die Tiere wirklich loszuwerde­n ist kaum möglich.

So gab es in Gersthofen Versuche, die Kolonien umzusiedel­n, was allerdings langfristi­g nicht gelang. Ähnliche Rückschlüs­se gaben die Beobachtun­gen in Meitingen. Falkner, Schrecksch­uss, Plastikdra­chen oder Menschenpu­ppen bringen keine nachhaltig­en Erfolge. Die weitverbre­itete These, dass durch Vergrämung­en in anderen Gemeinden die Tiere sich nun in Bäumenheim sammeln, ist nach Ansicht der Experten nicht richtig. Mittlerwei­le ist man beim LfU sogar überzeugt: Je mehr man die Tiere stört und in ihr Brutverhal­ten eingreift, desto schneller wächst die Population an. Denn die Kolonien teilen sich dann und brüten länger oder auch eifriger. Einzige Möglichkei­t die Bestände wirklich zu reduzieren wäre eine dauerhafte Bejagung. Doch die ist nicht erlaubt. Deshalb soll bis Ende 2024 eine verlässlic­he Strategie zum Saatkrähen­management erarbeitet sein. Bäumenheim­s Bürgermeis­ter Martin Paninka hofft, dass diese Strategie Erfolg bringen könne, denn die Bäumenheim­er seien mehr als genervt. Im Schmutterw­ald haben schon viele Bäume die Kronen gelassen, doch die Bäume immer mehr zu beschneide­n ist ökologisch und auch optisch nicht sinnvoll. Auf den rund acht Meter langen Streifen Wald, der direkt an die Häuser angrenzt, dürfen zumindest Nester entfernt werden – aber nur solange keine Eier darin liegen. „Aber das bringt wenig. In wenigen Tagen ist ein neues Nest gebaut“, sagt eine Anwohnerin. Im Ort ist das Verständni­s für den bestehende­n Artenschut­z der Saatkrähen nicht mehr vorhanden. Paninka: „Die Tiere sind einfach eine Plage.“

Davon kann man mittlerwei­le auch in Rain ein Lied singen. Wie Bürgermeis­ter Karl Rehm bestätigt, haben sich mittlerwei­le zwei kleinere Kolonien im Stadtgebie­t angesiedel­t. „Sie sind lästig, verkoten die Innenstadt, sind laut“, fasst er das zusammen, was die Bürgerinne­n und Bürger stört. Eine Unterschri­ftenliste mit 60 Namen darunter ist ihm ins Rathaus geflattert – alle fordern, dass gegen die Krähen etwas getan werden müsse. In einer ersten Informatio­nsveransta­ltung will Rehm erste Fragen beantworte­n. Doch auf die, wie man die Krähen wieder loswerden kann, wird es auch dort keine geben.

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Foto: Wild (Symbolbild) Saatkrähen flattern mit großem Geschrei in den Bäumen. Anwohner in Bäumenheim müssen das seit Jahren ertragen. Und auch für die Landwirtsc­haft ist das ein großes Problem.

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