Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Saatkrähen: Eine Plage ohne Gegenmittel?
In Bäumenheim brüten so viele Saatkrähen wie sonst nirgends in Schwaben. Erstmals wird auch der Schaden in der Landwirtschaft beziffert. Doch es bleibt die große Frage, was man gegen die Vögel unternehmen kann.
Bäumenheim Mindestens 1600 Saatkrähen haben den Schmutterwald von Asbach-Bäumenheim als ihren Brutplatz auserwählt. Die Vögel vermehren sich seit Jahren rasend schnell. Mittlerweile lebt am Ortsrand der Industriegemeinde die größte Kolonie in ganz Schwaben. 850 Brutpaare wurden zuletzt gezählt. Doch nicht nur die Anwohner leiden unter dem Dreck und dem Lärm der Tiere. Ein aktuelles Gutachten des Landesamtes für Umwelt belegt eindeutig: Saatkrähen richten auch in der Landwirtschaft hohe Schäden an und kosten den Bauern viele Nerven.
Die Daten für das Gutachten stammen aus Bäumenheim und Mertingen aus dem Sommer 2021. Landwirte rund um Bäumenheim und Mertingen meldeten, wenn durch Saatkrähen die Aussaat beschädigt oder die jungen Pflanzen gefressen wurden. Nach zweifacher Begutachtung durch Experten wurde dann der Schaden analysiert und gemessen: Innerhalb von vier Monaten vernichteten die Vögel Ernte im Wert von über 100.000 Euro.
Vor allem der Mais schmeckt den Vögeln besonders gut. Teilweise kommen sie angeflogen, wenn frisch ausgesät wird, teilweise, wenn die jungen Pflanzen bereits Blätter angesetzt haben. Versuche die Saat mit Chili, Beize oder Eukalyptus zu versetzen, brachte keinen Unterschied. Zu attraktiv ist das Nahrungsangebot auf den Äckern und später auch auf den Wiesen. Nur die organischen Zutaten für Biogasanlagen schmecken den Vögeln noch besser. Auch das ist in der Region reichlich im Angebot. Die Landwirte installierten Flugdrachen, Flatterbänder und spiegelnde Rotationskugeln – beeindruckt hat das die hochintelligenten Tiere nicht. In Mertingen steckten Bauern sogar tote Saatkrähen auf und stellten sie ins Feld. Auch das half nichts, vermittelt aber einen Eindruck, welche Wut sich mittlerweile gegenüber den extrem ungeliebten aber geschützten Tieren angestaut hat.
Seit vielen Jahren sind die Saatkrähen in Bäumenheim ein Problem. Seit 2010 hat sich der Bestand der damals 150 Brutpaare massiv erhöht. 2021 wurden vom Landesamt für Umwelt 929 Brutpaare gezählt, im April 2022 waren es 850. Anwohner am Schmutterwald fühlen sich durch das Schreien der in großen Gruppen auftretenden Vögel stark gestört. Außerdem koten die Tiere auf die Terrassen und flattern um die Gartenstühle. „Unsere Gärten und Terrassen sind ab Mai nicht mehr zu nutzen“, sagt eine Anwohnerin beim Treffen im Schmutterwald. Doch die Hoffnung, dass sich das tierische Problem löst, schwindet Jahr für Jahr mehr.
Denn Saatkrähen stehen europaweit unter Naturschutz und dürfen seit 1977 nicht mehr bejagt werden. In den 60er-Jahren galten sie in Teilen Bayerns als ausgerottet, die Bestände haben sich aber seit der Schutzrichtlinie wieder mehr als erholt. Vor allem in der Lech-Wertach-Ebene von Augsburg bis Bäumenheim fühlen sie sich wohl. Die Vögel siedeln zwangsläufig immer näher an Wohnhäusern, denn natürliche Brutstätten hat der Mensch zerstört. Also bauen sie ihre Nester in Parks und Wäldern. In Gersthofen, Meitingen, Nordendorf – vielerorts gab es Versuche die lästigen und allseits ungern gesehenen Krähen zu vergrämen, also zu verjagen. Doch ein neuer Zwischenbericht macht klar: Die Tiere wirklich loszuwerden ist kaum möglich.
So gab es in Gersthofen Versuche, die Kolonien umzusiedeln, was allerdings langfristig nicht gelang. Ähnliche Rückschlüsse gaben die Beobachtungen in Meitingen. Falkner, Schreckschuss, Plastikdrachen oder Menschenpuppen bringen keine nachhaltigen Erfolge. Die weitverbreitete These, dass durch Vergrämungen in anderen Gemeinden die Tiere sich nun in Bäumenheim sammeln, ist nach Ansicht der Experten nicht richtig. Mittlerweile ist man beim LfU sogar überzeugt: Je mehr man die Tiere stört und in ihr Brutverhalten eingreift, desto schneller wächst die Population an. Denn die Kolonien teilen sich dann und brüten länger oder auch eifriger. Einzige Möglichkeit die Bestände wirklich zu reduzieren wäre eine dauerhafte Bejagung. Doch die ist nicht erlaubt. Deshalb soll bis Ende 2024 eine verlässliche Strategie zum Saatkrähenmanagement erarbeitet sein. Bäumenheims Bürgermeister Martin Paninka hofft, dass diese Strategie Erfolg bringen könne, denn die Bäumenheimer seien mehr als genervt. Im Schmutterwald haben schon viele Bäume die Kronen gelassen, doch die Bäume immer mehr zu beschneiden ist ökologisch und auch optisch nicht sinnvoll. Auf den rund acht Meter langen Streifen Wald, der direkt an die Häuser angrenzt, dürfen zumindest Nester entfernt werden – aber nur solange keine Eier darin liegen. „Aber das bringt wenig. In wenigen Tagen ist ein neues Nest gebaut“, sagt eine Anwohnerin. Im Ort ist das Verständnis für den bestehenden Artenschutz der Saatkrähen nicht mehr vorhanden. Paninka: „Die Tiere sind einfach eine Plage.“
Davon kann man mittlerweile auch in Rain ein Lied singen. Wie Bürgermeister Karl Rehm bestätigt, haben sich mittlerweile zwei kleinere Kolonien im Stadtgebiet angesiedelt. „Sie sind lästig, verkoten die Innenstadt, sind laut“, fasst er das zusammen, was die Bürgerinnen und Bürger stört. Eine Unterschriftenliste mit 60 Namen darunter ist ihm ins Rathaus geflattert – alle fordern, dass gegen die Krähen etwas getan werden müsse. In einer ersten Informationsveranstaltung will Rehm erste Fragen beantworten. Doch auf die, wie man die Krähen wieder loswerden kann, wird es auch dort keine geben.