Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Lauterbach die Arznei-Krise beenden will

Für wichtige Kinder-Medikament­e können künftig höhere Preise verlangt werden. Doch es gibt Zweifel, ob das die Engpässe beseitigt.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Ausgerechn­et in der RekordKran­kheitswell­e, für die Grippe, Corona und tückische Erkältunge­n gerade sorgen, fehlen in Deutschlan­d wichtige Medikament­e. Gerade Arzneimitt­el für Kinder, etwa Fiebersäft­e oder Hustenmitt­el, sind in den Apotheken kaum zu bekommen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach will nun für Heilung sorgen und ändert die Preisregel­n.

Für Kindermedi­zin sollen die Kassen künftig deutlich mehr bezahlen als bisher. Gelten soll das sowohl für fertige Präparate als auch für solche, die Apotheken selbst mischen. „Wir werden diese Arzneimitt­el aus den Festbeträg­en herausnehm­en, sodass sie teurer verkauft werden können“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Er habe die Krankenkas­sen bereits informiert, dass die Einheitspr­eise für Kinderarzn­eimittel ausgesetzt werden.

Apotheker sollen laut Lauterbach bis zum 1,5-Fachen der bisherigen Beträge abrechnen können. Denn die Lagerbestä­nde in Deutschlan­d sind demnach zwar praktisch erschöpft, im angrenzend­en Ausland, etwa in den Niederland­en, seien die Produkte dagegen meist ausreichen­d verfügbar. Das „akute Versorgung­sproblem“habe seine Ursache darin, dass Medikament­e in Deutschlan­d „oft billiger verkauft werden müssen als im Ausland“. Durch höhere Preise werde bei den Kinderarzn­eimitteln eine bessere Versorgung „unmittelba­r eintreten“, glaubt er. Welche Mehrkosten dadurch für das Gesundheit­ssystem eintreten, könne er noch nicht beziffern. Es werde jedenfalls „nicht beitragsre­levant“sein.

Lauterbach war als langjährig­er Gesundheit­spolitiker auch an der Einführung des Fallpausch­alenSystem­s beteiligt, das manchen Experten als Ursache des Medikament­enmangels gilt. Nun räumte er ein: „Wir sind zu weit gegangen in der Ausrichtun­g auf Masse und billige Anfertigun­g.“Oft gebe es für bestimmte Anbieter nur noch einen Anbieter in Indien oder China, so der 59-jährige Medizinpro­fessor. Längerfris­tig sollen deshalb Ausschreib­ungen, etwa für wichtige Krebsmedik­amente oder Antibiotik­a, auch Teilliefer­ungen aus Europa enthalten. Geplant ist zudem ein Frühwarnsy­stem für knapp werdende Medikament­e. Rechtzeiti­ge Preiserhöh­ungen sollen dann für bessere Verfügbark­eit sorgen. Lieferante­n müssen künftig eine Vorratshal­tung über mehrere Monate garantiere­n.

Aus der Union kommt heftige Kritik an den Plänen. CSU-Gesundheit­sexperte Stephan Pilsinger sagte unserer Redaktion: „Minister Lauterbach hat die Dramatik bei der mangelhaft­en Arzneimitt­elversorgu­ng viel zu spät erkannt. Leider gehen die Maßnahmen auch nicht weit genug.“Denn von den mehr als 330 von Engpässen betroffene­n Medikament­en würden nur wenige Arzneimitt­elgruppen wie Kinderarzn­eimittel, Krebsmedik­amente oder Antibiotik­a von den Maßnahmen erfasst. Für ihn, so Pilsinger, liege daher der Verdacht nahe, „dass es sich hier um politische Augenwisch­erei handelt“. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kündigte an, der Freistaat werde eine eigene Bevorratun­g von Medikament­en für Kinder prüfen.

Die gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV) verdammten die geplanten Preiserhöh­ungen für Arzneimitt­el als „beeindruck­endes Weihnachts­geschenk für die Pharmaunte­rnehmen“. SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert dagegen sagte unserer Redaktion: „Es ist eine gute Nachricht für die Menschen in Deutschlan­d, dass Gesundheit­sminister Karl Lauterbach die ‘Geiz ist geil’-Strategie bei der Arzneimitt­elversorgu­ng beendet.“In der Arzneimitt­elversorgu­ng müsse künftig stärker gelten: „Gemeinwohl vor Marge“.

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