Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Darts-Hoffnung von der Kläranlage
Porträt Gabriel Clemens ist seit Jahren die deutsche Nummer eins im Darts-Sport und sorgte vor zwei Jahren für eine Überraschung. Im Netz erfährt er dennoch Häme und Hass.
Die Zeiten, in denen Darts in Deutschland als reiner Kneipensport abgetan wurde, sind längst vorbei. Fernsehsender erzielen mit der Übertragung der Weltmeisterschaft aus London starke Quoten. Allein in diesem Jahr wird es 135 Stunden Liveübertragung geben. Fehlt aus deutscher Sicht nur noch eine wichtige Zutat für den medialen Erfolg: ein deutscher Top-Spieler. Derjenige, der als Erstes genannt wird, ist Gabriel Clemens. Am Mittwoch steigt er gegen den Iren William O’Connor ein.
Der 39-Jährige aus dem Saarland rangiert auf Platz 25 der Weltrangliste und ist somit offiziell der beste Pfeilewerfer mit einem deutschen Pass. Dass er für eine Überraschung
gut ist, bewies er bei der WM 2021 – damals warf er den amtierenden Weltmeister Peter Wright raus. Buchstäblich Millimeter fehlten schon damals dazu, dass Clemens als erster Deutscher ins Viertelfinale eingezogen wäre. Im Achtelfinale hatte er sieben Matchdarts, also Chancen auf den Sieg. Nach 16 (!) vergebenen Siegchancen auf beiden Seiten saß damals der 17. Versuch seines Gegners. Ohnehin scheint Clemens ein Fachmann fürs Spektakuläre zu sein: Einige Monate zuvor hatte er beim World Matchplay dem Weltmeister von 2018, Rob Cross, keine Chance gelassen.
Ein Fachmann ist Clemens auch für Wasserpumpen: Bis 2018 hatte er beim Entsorgungsverband Saar als Industriemechaniker gearbeitet. Dort war er unter anderem für die Reparatur von Pumpen an Kläranlagen zuständig. Relativ spät erst hatte Clemens alles auf die Karte Darts-Profi gesetzt und ist seither freigestellt. Gemanaged wird er von seiner Frau Lisa. Dass es mit dem Pfeilewerfen zu mehr als einem Hobby reichen könnte, war ihm recht schnell klar: „Man merkt ja selbst, dass man vielleicht nicht ganz so schlecht ist.“
Dennoch erreichen ihn, der wegen seiner Größe von 1,95 Metern und seiner Körperfülle als „German Giant“auftritt, nicht nur positive Nachrichten. Über soziale Netzwerke erreichen ihn Hassbotschaften – die Kehrseite der Öffentlichkeit. Einem Nachrichtenschreiber, der ihn nach einer Niederlage beleidigte und mit einem Pizzaboten verglich, der bei einer ähnlich schlechten Leistung seinen Job verlieren würde, antwortete Clemens öffentlich: Der Schreiber solle, anstatt zu wetten, das Geld lieber sparen. „Zum Beispiel für ’ne Pizza“. Treffsicher ist der deutsche Riese also nicht nur an der Darts-Scheibe.