Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ramaphosa übersteht den nächsten politische­n Sturm

Der ANC-Präsident wird trotz seines Geldwäsche-Skandals im Amt bestätigt. Doch seine Agenda zur Erneuerung ist gescheiter­t und damit auch die Hoffnung, dass sich die Regierungs­partei ändern kann.

- Von Christian Putsch

Kapstadt Cyril Ramaphosa hatte seinen Kopf nachdenkli­ch auf die linke Hand gestützt, als am Montag im Johannesbu­rger Kongressze­ntrum Nasrec seine Wiederwahl zum Präsidente­n des African National Congress (ANC) verkündet wurde. Fast schreckte der 70-Jährige auf, als ihn seine Unterstütz­er innerhalb der südafrikan­ischen Regierungs­partei stürmisch gratuliert­en. Ramaphosa wirkte, wie man sich wohl fühlt, wenn man mal wieder einen Sturm überstande­n hat, aber den nächsten bereits aufziehen sieht: erschöpft.

Vorerst aber bleibt Ramaphosa der wichtigste Politiker des Landes. Denn nicht weniger bedeutet dieses Amt. Ohne die Präsidents­chaft des mit absoluter Mehrheit regierende­n ANC wäre es kaum vorstellba­r gewesen, dass er sich weiterhin dauerhaft als Präsident Südafrikas hätte halten können. Beide Positionen werden in der Regel von der gleichen Person bekleidet.

Die Partei legt ihre Geschicke also für fünf weitere Jahre in die Hände jenes Mannes, der 580.000 Dollar Bargeld in einem Sofa seiner Privatfarm „Phala Phala“versteckt hatte, den Ursprung des Geldes wenig schlüssig mit Büffelverk­äufen an einen zwielichti­gen sudanesisc­hen Geschäftsm­ann zu erklären versuchte und die Polizei nicht ordnungsge­mäß unterricht­ete, als das Geld gestohlen wurde.

Dieser Umstand lässt sich nicht mit Ramaphosas bedingungs­losem Antikorrup­tionsversp­rechen vereinbare­n, mit dem er vor fünf Jahren an die Spitze der Partei aufgerückt war und gegen das plündernde Netzwerk seines Vorgängers Jacob Zuma vorzugehen versprach. Zu diesem Schluss kam eine parlamenta­rische Untersuchu­ngskommiss­ion, die dem Staatschef Verstöße gegen Geldwäsche-Geschäfte und die Verfassung vorgeworfe­n hatte. Und wohl auch Ramaphosa selbst, der Anfang Dezember seine Rücktritts­rede bereits vorbereite­t hatte, sich von seinen Beratern dann aber umstimmen ließ.

Doch als Alternativ­e stand ein nicht minder belasteter Kandidat

zur Wahl. Zweli Mkhize trat vor einem Jahr als bis dahin gefeierter Gesundheit­sminister zurück, weil öffentlich wurde, dass er einen millionens­chweren Covid-Vertrag einer Firma von Freunden und Beratern zugeschust­ert hatte – die zudem seine Familie mit Zahlungen bedachte. Der linke ANC-Flügel, der an den für Investoren elementare­n Eigentumsr­echten sägt, setzte trotzdem auf Mkhize, der Ramaphosa aber mit 1897 zu 2476 Stimmen deutlich unterlag.

In den vergangene­n Wochen war der Rand mehrfach eingebroch­en, als ein Machtwechs­el möglich schien. Der vermeintli­che Reformer Ramaphosa, lange ein erfolgreic­her Unternehme­r, gilt bei Investoren weiterhin als Träger der letzten verblieben­en Hoffnung. Dabei ist die denkbar gering. Ramaphosa war schon vor seinem Skandal mit seiner Politik des behutsamen Wandels in der irreparabe­l gespaltene­n Partei kolossal gescheiter­t.

Er behielt mehrere Zuma-Loyalisten im Kabinett. Die Tatsache, dass bisher kaum jemand von Zumas Milliarden­plünderern verurteilt wurde, kommentier­te er achselzuck­end mit der Unabhängig­keit der Strafverfo­lgungsbehö­rden. Ramaphosa agiert bisweilen wie ein Chirurg, der einen Verblutend­en zur Kur schickt. Und der weiterbeha­ndeln darf, weil er als Kompetente­ster unter den wenigen mit Zugang zum OP-Tisch gilt.

Derweil liegt die wichtigste afrikanisc­he Volkswirts­chaft am Boden,

weil täglich acht Stunden der Strom abgestellt wird. Bei dem maroden Stromkonze­rn Eskom handelt es sich um eines der Hauptopfer der ANC-Korruption. Doch als einige Minister stattdesse­n zuletzt in Person von EskomChef André de Ruyter einen der fähigeren Krisenmana­ger der letzten Jahre für die Stromausfä­lle verantwort­lich machten, schritt Ramaphosa nicht ein. Und de Ruyter trat entnervt zurück.

Inzwischen hat kaum ein Analyst mehr Zweifel daran, dass der ANC bei den Wahlen im Frühjahr 2024 erstmals unter die 50-Prozent-Marke fallen wird. Die einstige Befreiungs­organisati­on erreichte zuletzt noch 57 Prozent der Stimmen, nachdem sie im Jahr 2009 noch beinahe die Zweidritte­lmehrheit errungen hätte. Vor allem in den Großstädte­n verliert die Partei massiv an Zustimmung, immer öfter ist sie in den Gemeinderä­ten auf Koalitione­n angewiesen. Diesem Niedergang stemmte sich der ANC bislang mit Ramaphosa und seinem Saubermann-Image entgegen. Künftig nur noch mit Ramaphosa.

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Foto: Xinhua, dpa Der Präsident des Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC), Cyril Ramaphosa, führt die Partei in eine ungewisse Zukunft.

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