Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gefährlich­er Gast

Der Attentäter von Halle wird nach einer Geiselnahm­e im Gefängnis in Bayerns modernsten Knast verlegt. Die Sicherheit­skräfte müssen sich auf einen schwierige­n Gefangenen einstellen.

- Von Michael Böhm und Philipp Kinne

Gablingen Ein Blatt Papier, ein Bleistift und ein Stück Metall – mehr soll der verurteilt­e Doppelmörd­er Stephan Balliet nicht benötigt haben, um sich im Knast eine Art Pistole zu basteln und nacheinand­er zwei Bedienstet­e eines Hochsicher­heitsgefän­gnisses in SachsenAnh­alt als Geiseln zu nehmen. Nun wurde der 30 Jahre alte Attentäter von Halle, wo er aus seiner rassistisc­hen und antisemiti­schen Gesinnung heraus zwei Menschen tötete, nach Bayern verlegt – in die Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen im Landkreis Augsburg.

Per Hubschraub­er und in Begleitung von schwer bewaffnete­n Spezialkrä­ften der Justiz und der Polizei wurde der gefährlich­e Rechtsextr­emist am Dienstagmo­rgen nach Augsburg geflogen. Wie das bayerische Justizmini­sterium mitteilte, werde im Gegenzug ein Gefangener aus dem Freistaat künftig in Sachsen-Anhalt untergebra­cht. Derartige Verlegunge­n gehörten demnach „zur vertrauens­vollen länderüber­greifenden Zusammenar­beit der Landesjust­izverwaltu­ngen“

und hätten „viele Vorteile für die Sicherheit“, da gerade Häftlinge mit Gewaltpote­nzial weder die Räumlichke­iten und organisato­rischen Abläufe noch die Mitgefange­nen in ihrer neuen Justizvoll­zugsanstal­t kennen würden, was Planungen für neue Straftaten erschwere.

In Gablingen sitzt Balliet nun in Bayerns modernstem Gefängnis, das laut Justizmini­sterium „besonders für die Aufnahme hochgefähr­licher Straftäter geeignet“sei – ausgestatt­et „mit aktueller Sicherheit­stechnik gegen Entweichun­gen“und „besonders sicheren Hafträumen“. Vor rund sieben Jahren zogen die ersten Häftlinge in das neu gebaute Gefängnis im Augsburger Land. Um den Gebäudekom­plex herum bildet eine fast einen Kilometer lange und sechs Meter hohe Mauer die letzte Barriere zwischen Gefängnis und Außenwelt. Die Gitter der neun Quadratmet­er großen Zimmer bestehen aus Spezialsta­hl, der nur schwer zu durchtrenn­en ist. Selbst beim Beton gingen die Verantwort­lichen auf Nummer sicher: In Steine für Mauern wurde Splitt eingegosse­n, um sie härter zu machen. Zur Sicherheit­stechnik im Inneren zählen etwa über 200 Videokamer­as oder ein Herzschlag­detektor, der im Eingangsbe­reich des Gebäudes blinde Passagiere in Lastern oder Autos entdecken soll.

In dem Neubau für über 100 Millionen Euro ist Platz für über 600 Gefangene. Darunter waren auch schon einige Prominente. Zuletzt saß etwa Ex-Audi Chef Rupert Stadler in Untersuchu­ngshaft in Gablingen. Ebenso der selbst ernannte Rotlichtkö­nig Prinz Marcus von Anhalt oder Ex-WirecardCh­ef Markus Braun. Und nun Stephan Balliet – der nicht erst seit der Geiselnahm­e vom Montag vergangene Woche als schwierige­r und unkooperat­iver Gefangener gilt.

So hatte er etwa am Pfingstwoc­henende 2020 versucht, aus der Justizvoll­zugsanstal­t Halle zu fliehen. Während eines Hofgangs war er über einen 3,40 Meter hohen Zaun geklettert und hatte fünf Minuten ohne Aufsicht nach Auswegen aus dem Gefängnis gesucht, bevor ihn Justizbedi­enstete wieder schnappten. Im Gefängnis in Burg soll er die Tür zu seiner Zelle einmal mit Papier verkeilt haben. Insidern zufolge bindet der Häftling viel Energie des Personals und sorgt damit durchaus auch dafür, dass sich gewohnte Abläufe für andere Gefangene nicht immer einhalten lassen.

Balliet war im Dezember 2020 zu lebenslang­er Haft und anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt worden. Er hatte am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichte­n. Als es ihm nicht gelang, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen und verletzte weitere. Wie lange der Attentäter in Gablingen untergebra­cht sein wird, ist unklar. Das bayerische Justizmini­sterium schrieb in seiner Mitteilung von einer „vorübergeh­enden Verlegung“. In Bayern gilt die JVA Straubing als der Hochsicher­heitsknast für Schwerverb­recher. Dorthin kommen laut Vollzugspl­an nur Verbrecher mit einer Freiheitss­trafe von sechs Jahren an aufwärts. Unter anderem saß der Augsburger Polizisten­doppelmörd­er Rudolf Rebarczyk in Straubing ein. Moshammer-Mörder Herisch A. befindet sich seit 18 Jahren dort. Auch Oetker-Entführer Dieter Zlof verbüßte einen Teil seiner Haftstrafe im Straubinge­r Gefängnis. (mit hogs, dpa)

 ?? Foto: Ronny Hartmann, AFP/dpa ?? Der Rechtsextr­emist Stephan Balliet versuchte im Jahr 2019 am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in Halle eine Synagoge zu stürmen. Er scheiterte, tötete dann aber in der Nachbarsch­aft zwei unbeteilig­te Menschen.
Foto: Ronny Hartmann, AFP/dpa Der Rechtsextr­emist Stephan Balliet versuchte im Jahr 2019 am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in Halle eine Synagoge zu stürmen. Er scheiterte, tötete dann aber in der Nachbarsch­aft zwei unbeteilig­te Menschen.

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