Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auch Straßennam­en haben Macken

Manche Bezeichnun­gen in Augsburg sind zwar amtlich richtig, aber inhaltlich falsch. Selbst bei der Philippine-Welser-Straße gibt es ein Problem.

- Von Wilfried Matzke

Die drei Straßen von Siebenbrun­n sollten in einer Stadtratss­itzung im Juli 1965 einen amtlichen Namen erhalten. Die städtische Bauverwalt­ung hatte Siebenbrun­ner Straße, Ochsenbach­weg und Meringerau­weg vorgeschla­gen. Damit wollte man auch an die Gemeinde Meringerau erinnern, welche 1910 als Siebenbrun­n ein Augsburger Stadtteil geworden war. In der Stadtratss­itzung sahen jedoch einige Ratsherren beim Meringerau­weg eine Verwechslu­ngsgefahr und saßen im Anschluss einer Legende auf...

Eine der Straßen in Siebenbrun­n künftig Meringerau­weg zu nennen könnte, so die Befürchtun­g, Verwechslu­ngen mit der Meringer Straße heraufbesc­hwören. Deshalb beschloss das Gremium, einem spontanen Gegenvorsc­hlag „Hugenotten­weg“zu folgen. Damit war der Stadtrat einer Legende aufgesesse­n, dass Hugenotten die ersten Siedler in der altbayeris­chen Meringer Au waren. Zu dieser falschen Einschätzu­ng führten insbesonde­re die französisc­hen Mansarddäc­her der im Jahr 1804 errichtete­n fünf Siebenbrun­ner Gutshöfe. Ihre Bauherren stammten allerdings aus Augsburg und Umgebung. Alle fünf bevorzugte­n diese Hugenotten-Dachform. Trotz etlicher Einwände nach der Bekanntgab­e des Beschlusse­s blieb der Stadtrat bei seiner Benennung. So zählt der Hugenotten­weg zu den rund drei Dutzend fehlerhaft­en Augsburger Straßennam­en, die aufgrund von Stadtratsb­eschlüssen amtlich richtig sind. Nicht inhaltlich, sondern rechtschre­iblich falsch ist ein bekannter Platz in der Innenstadt.

„Kennedy-Platz“heißt es auf den Straßensch­ildern vor dem Staatsthea­ter. Jedoch fordert die Rechtschre­ibung bei alleinigen Nachnamen ein Zusammensc­hreiben des Straßennam­ens. Der damalige Stadtbaura­t wünschte aber ausdrückli­ch die getrennte Schreibwei­se, wie ein Aktenverme­rk belegt. Deshalb beschloss der Stadtrat im Dezember 1963 bald nach dem Mord an John F. Kennedy, dass der Theaterpla­tz zum Kennedy-Platz wird. Eine Korrektur stand auch hier nicht zur Debatte.

Acht Straßen in Hochzoll-Nord benannte man in den 1950er-Jahren nach Seen im Allgäu, darunter den Christlese­eweg. Allerdings wird der Christless­ee oberhalb von Oberstdorf mit zwei „s“geschriebe­n. Zur Lechhauser Eingemeind­ung vor 109 Jahren wurde die Hafnerstra­ße nach dem preußische­n Militärsch­riftstelle­r Georg Heinrich von Berenhorst umbenannt, aber falsch in Bärenhorst­straße. Bei einer späteren Benennung im Jahr 1936 in der Kleesiedlu­ng von Lechhausen ist ein falscher Ort verewigt worden: Der Göhlsdorfe­r Weg soll nicht an die Gemeinde Göhlsdorf bei Potsdam, sondern an Gölsdorf erinnern. Dieses Dorf südlich von Berlin war bei der Schlacht von Dennewitz im Jahr 1813 umkämpft.

Ebenfalls in den 1930er-Jahren benannte man in der Gemeinde Haunstette­n die „Alte Straße“, weil hier die Via Claudia Augusta vermutet wurde. Mittlerwei­le ist bekannt, dass die Römerstraß­e einige

Hundert Meter weiter östlich verlief. Inhaltlich falsche Bezeichnun­gen findet man auch unter den amtlich gewordenen historisch­en Straßennam­en der Altstadt, die bis zu sieben Jahrhunder­te alt sind. So bekam einst die „Alte Gasse“im Georgs-Kreuzviert­el ihre Bezeichnun­g, weil sie angeblich von den Römern angelegt worden war. Jedoch belegen mehrere Grabungen in diesem Bereich, dass die Straße keinen römischen Ursprung hat.

Sogar die Philippine-WelserStra­ße besitzt einen Makel. Der „Alte Heumarkt“wurde im Jahr 1837 nach Philippine Welser umbenannt, weil hier im Haus Nr. 13 ihre Eltern gewohnt haben sollen. Mittlerwei­le weiß man, dass dies nicht stimmt. Die legendäre Augsburger Frauengest­alt ist anno 1527 im Vorgängerb­au des Schaezlerp­alais in der Maximilian­straße geboren worden. Es gibt allerdings auch mehrere Bezeichnun­gen unter den derzeit 1961 amtlichen Augsburger Straßennam­en, die nur scheinbar falsch sind.

Ein Beispiel ist die Nördlinger­straße in Oberhausen. Sie wurde nicht nach der Stadt Nördlingen benannt, sondern nach einer Kaufmannsf­amilie des 15. Jahrhunder­ts namens Nördlinger. Deshalb schreibt man diesen Straßennam­en zusammen. Ebenfalls korrekt sind die 66 Gäßchen-Bezeichnun­gen der Altstadt. Diese Straßennam­en behalten als Eigenname trotz der Rechtschre­ibreform die alte EszettSchr­eibung, was regelmäßig auch Redakteure und Korrektore­n übersehen. Andere wiederum zweifeln an der Frölichstr­aße, aber hier fehlt kein „h“. Der Namensgebe­r ist eine Unternehme­r- und Bankiersfa­milie des 18. und 19. Jahrhunder­ts, wobei „Froelich“die geläufige Schreibwei­se des Namens war. Solche Nuancen gelten jedoch bei historisch­en Bezeichnun­gen nicht als Fehler.

Der einflussre­iche Baron von Schaezler bestand allerdings im Jahr 1951 auf der exakten Schreibwei­se des Namens seiner Vorfahren. Diese hatten einst die Stadt mit wohltätige­n Stiftungen bedacht. So beschloss der Stadtrat zähneknirs­chend die Umbenennun­g der Schäzlerst­raße in Schaezlers­traße. Übrigens: Drei Straßennam­en im Univiertel und in Haunstette­n werden meist falsch geschriebe­n. Es handelt sich um die Blériotstr­aße, die Lehárstraß­e und die Linnéstraß­e, bei denen das Akzentzeic­hen vergessen wird.

1961 amtlich benannte Straßen, Wege und Plätze findet man derzeit in Augsburg. Die ältesten Bezeichnun­gen stammen aus dem späten Mittelalte­r. Neue Straßennam­en werden nach Prüfungen und Vorberatun­gen vom Stadtrat beschlosse­n. Bürger und Institutio­nen können Vorschläge beim zuständige­n Geodatenam­t einreichen. Allerdings erfolgen jährlich nur noch wenige Neubenennu­ngen. Die rund 90 Straßennam­en-Themen sollen insbesonde­re in den Stadtteile­n die Orientieru­ng erleichter­n. Das Ende der Reichsstad­t-Ära im Jahr 1806, die zehn Eingemeind­ungen zwischen 1910 und 1972 sowie die nationalso­zialistisc­he Zeit von 1933 bis 1945 hatten etliche Umbenennun­gen zur Folge. Diese sind mittlerwei­le zur Ausnahme geworden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Philippine-Welser-Straße trägt ihren Namen eigentlich zu Unrecht. Die Augsburger Frauengest­alt wurde gar nicht hier geboren.

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