Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Freistaat will schnelle Verbesserungen bei Go-Ahead sehen
Verkehrsminister Christian Bernreiter hält die Probleme bei Go-Ahead für „inakzeptabel“. Laut Ministerium hilft man bei der Suche nach Ersatztriebwagen.
Der Freistaat kritisiert Go-Ahead nach dem seit einer guten Woche andauernden Stolperstart deutlich: „Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass fabrikneue Schienenfahrzeuge nicht wintertauglich sind und bei Minusgraden auf offener Strecke liegen bleiben“, so Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) am Dienstag. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag der Landesregierung den Schienennahverkehr in Bayern koordiniert, sprach von einem „nicht akzeptablen“Betriebsstart. Es habe bereits Krisengespräche mit allen Beteiligten gegeben.
Wie berichtet, hat Go-Ahead zwischenzeitlich mit Fahrzeugausfällen von 50 Prozent zu kämpfen, nachdem in die Technik eingedrungenes Wasser zusammen mit Frost für Schäden gesorgt hatte. Man habe Go-Ahead als direkten Vertragspartner des Freistaats und auch den Zughersteller Siemens in direkten Gesprächen aufgefordert, die Probleme so schnell wie möglich zu lösen, so die BEG. Zudem unterstütze man Go-Ahead bei Gesprächen mit anderen Verkehrsunternehmen, kurzfristig Ersatz für die desolate Triebwagenflotte zu organisieren. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn hatte die Forderung nach Ersatzfahrzeugen am Montag erhoben, sollte die Triebwagenflotte von Go-Ahead nicht zügig wieder aufs Gleis kommen. Von Go-Ahead hieß es am Dienstag, dass man gemeinsam mit Siemens bei der Reparatur im Langweider Betriebswerk gut vorankomme. Die reparierten Züge liefen auch stabil. Man sei guter Dinge, demnächst wieder Züge in Doppeltraktion fahren zu können und somit mehr Sitzplätze bieten zu können. Das ausgedünnte Fahrplankonzept werde aber bis mindestens Weihnachten bleiben.
Am Dienstag stabilisierte sich die Lage für Pendler im Vergleich zum Montag wohl erheblich, weil Züge wieder planbarer fuhren. Vom Normalbetrieb ist Go-Ahead aber immer noch weit entfernt. Bernreiter will nun eine Perspektive sehen. Er sagte, es sei speziell bei den niedrigen Temperaturen nicht hinnehmbar, wenn Fahrgäste
ohne Information auf Bahnsteigen ausharren müssen. Man erwarte „schnellstmöglich wieder einen geregelten Betrieb“und „Vertragstreue“seitens Go-Ahead.
Das Verkehrsministerium gesteht Go-Ahead aber auch zu, dass das Betreiberunternehmen die Probleme mit den Triebwagen nur mittelbar zu verantworten hat. „Leider gab es in den vergangenen Jahren überall in Deutschland immer wieder technische Probleme bei Neufahrzeugen“, so Bernreiter. „Das wächst sich zunehmend zu einem strukturellen Problem der gesamten Branche aus, was am Ende die Fahrgäste ausbaden müssen.“
Für Züge, die nicht fahren oder anders als vertraglich vereinbart, fließt seitens des Freistaats kein Geld an Eisenbahnunternehmen und es werden darüber hinaus Vertragsstrafen fällig. Hintergrund:
Die Fahrkarteneinnahmen decken im Nahverkehr nur einen Teil der Kosten. Der Rest wird von der öffentlichen Hand getragen. Zur Größenordnung der Vertragsstrafen lässt der Freistaat im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Verträge nichts verlauten. Allerdings sei der finanzielle Anreiz für die Eisenbahnunternehmen „groß“, einen möglichst störungsfreien Betrieb hinzubekommen, so das Ministerium.
Wie berichtet, hat Go-Ahead unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung von Fernverkehrszügen auf der Strecke Ulm – Augsburg – München freigegeben. Fahrgäste müssen ein Ticket kaufen und können sich die Mehrkosten erstatten lassen. Wie die BEG am Dienstag erklärte, sind die vertraglich festgelegten Fahrgastrechte zudem weitgehender als die gesetzlich obligatorischen
Erstattungsansprüche. Entschädigungen gibt es demnach bei Verspätungen und bei Zugausfällen, die durch das Verkehrsunternehmen selbst verschuldet sind, ab 30 Minuten Verspätung am Zielbahnhof (25 Prozent des Fahrpreises). Ab 60 Minuten Verspätung sind 50 Prozent des Ticketpreises fällig. Zeitfahrkarten sind pauschal mit mindestens 1,50 Euro ab 30 Minuten Verspätung und drei Euro ab 60 Minuten Verspätung zu entschädigen. „Diese Kundengarantien werden von GoAhead auch erfüllt“, so die BEG.
Am Dienstag machten im Morgenverkehr wenig Go-AheadPendler Gebrauch von der Fernverkehrsregelung. Die ICE-Züge waren kaum voller als sonst, ansonsten fuhr Go-Ahead seine München-Verbindungen relativ pünktlich und ohne Überfüllung. Dabei könnte auch eine Rolle spielen,
dass viele Pendler und Pendlerinnen angesichts der Probleme in den vergangenen Tagen das Auto bevorzugen oder im Homeoffice bleiben. Von vielen München-Pendlern, die aus Zeitgründen von Haus aus eine teurere ICE-Zeitkarte haben, ist zu hören, dass sie froh sind, nicht auf GoAhead angewiesen zu sein. Der Nahverkehr, so Ralf Neugschwender, sei zwischen Augsburg und München grundsätzlich zu unzuverlässig. Das sei auch bei DB Regio der Fall gewesen. „Go-Ahead ist ein guter Ansatz, um mal genau auf die Probleme im Bahnverkehr zu schauen.“Hans-Peter Erhard, der seit 1982 nach München pendelt, sagt, er sei aktuell froh, nicht mit Go-Ahead fahren zu müssen. Wenn das 49-Euro-Ticket komme, werde er aber noch mal überlegen, weil der Preisunterschied dann schon erheblich sei.