Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rathauschefs und Pfarrer grüßen im Weihnachts-Talk auf Youtube
Gersthofens Rathauschef Michael Wörle hat etwas auf dem Herzen und wählt dafür ein ungewöhnliches Format und einen ungewöhnlichen Standort: den Glühweinstand.
Gersthofen Draußen liefen die letzten Vorbereitungen für den Gersthofer Weihnachtsmarkt auf Hochtouren, da wurde es drinnen besinnlich. In der heimeligen Waldschänke kam’s schon einen Monat vor dem Fest zum Weihnachtstalk. Es sprachen sich aus der katholische Stadtpfarrer von Gersthofen, Markus Dörre, der evangelische Dekan Frank Kreiselmeier und Bürgermeister Michael Wörle. Der hatte zu der Runde eingeladen und etwas auf dem Herzen.
Weil in dem kleinen Stübchen des Glühweinausschanks das große Publikum keinen Platz hat, der Bürgermeister aber viele Menschen erreichen möchte, wurde das Gespräch aufgezeichnet und ist kurz vor dem Fest auf dem YouTube-Kanal der Stadt Gersthofen zu sehen. Dort stehen ansonsten ein paar kurze Filmchen über den Gersthofer Kunstpreis und das Grüne Herz und nun eben der Rathaus-Talk zum Fest, den die städtische Pressesprecherin Wera von Witzleben moderierte. Thema des Austauschs: „Wertschätzung und Respekt füreinander.“
Wobei Gastgeber Wörle nicht viel Ermunterung brauchte, um seinem Herzen Luft zu machen. Falschnachrichten und Anfeindungen aus dem Internet machen
dem Rathauschef Sorgen. Er vermisst Respekt und Vertrauen in Stadträte und Stadtverwaltung. „Wir machen doch nicht Politik, um die Leute zu ärgern“, sagte Wörle. Viel mehr gehe es darum, die Interessen einer leisen Mehrheit zu wahren und „nicht der lauten Minderheit die Macht zu geben“. Stadtpfarrer Dörre verwies darauf, dass die Gesellschaft sich
„seit drei Jahren im Krisenmodus“befindet.
Die Menschen hätten das Gefühl, sie müssten jetzt aufpassen, dass die nicht untergehen. Dörre: „Wir laufen Gefahr, das Mitgefühl zu verlieren.“Der Ton sei ohne Zweifel rauer und lauter geworden und das liege an der Verstärkung
durch die sozialen Medien, findet Kreiselmeier. „Extreme Töne gab es schon immer.“
Durch diese sieht Wörle die Grundwerte der Gesellschaft attackiert und fürchtet schon jetzt um die öffentliche Debatte, wenn die Landtagswahlen näher rücken. Der Wahlkampf polarisiere, führe zu einer Verrohung der Strafe und am Ende seien „wieder die Rattenfänger“unterwegs.
Gegen das Misstrauen, das der Politik entgegenschlage, helfe nur Transparenz, sagte Kreiselmeier, der dem Bürgermeister ein wenig Trost zusprach. Wenn einem Kritik entgegenschlage, müsse man sich daran erinnern: „Der meint ja nicht
mich.“Gemeint seien vielmehr die Umstände. Am Ende wollten die beiden Pfarrer auch so schwarz nicht malen.
Dörre äußerte die Hoffnung auf einen Mut-Winter statt des befürchteten Wut-Winters und führte als Hoffnungszeichen die große Solidarität an, die den Geflüchteten aus der Ukraine entgegengebracht werde. Kreiselmeier setzt auf die Jugend. Dort registriere er eine große Zuhörbereitschaft und viel guten Willen. „Das sollten die Älteren hinschauen, da wächst was anderes nach.“Und Wörle: Wünscht sich fürs neue Jahr, dass in der Debatte die kollektiven Interessen der Stadtgesellschaft im Blick bleiben und vor allem mehr Gelassenheit. „Wir müssen uns ja nicht über alles aufregen.“