Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Katastrophe im Waldhotel verhindert: Notstromgerät bläst Abgase in Zimmer
Bewohner des Stadtberger Waldhotels informieren die Polizei, da sie seit Tagen ohne Strom und Heizung sind. Als die Einsatzkräfte eintreffen, schweben bereits Menschen in Lebensgefahr.
Stadtbergen Einst war es ein beliebtes Ausflugslokal und begeisterte seine Gäste vor allem durch den idyllischen Biergarten. Diese Zeiten sind jedoch für das Waldhotel in Stadtbergen schon lange vorbei. Immer wieder gab es Beschwerden über die hygienische Zuständen in dem historischen Ziegelstadel, dass sich mittlerweile auf die Vermietung von Fremdenzimmer vor allem für Zeitarbeiter konzentriert hat. Nur um Haaresbreite hat nun vor wenigen Tagen ein Großaufgebot von Ordnungsamt, Feuerwehr, Rettungskräften und Polizei eine Katastrophe mit zahlreichen Todesopfern verhindern können. Und noch immer sind die Ermittlungen der Polizei nicht abgeschlossen.
Der Notruf bei der Polizei ging gegen 19.30 Uhr ein. Einige Bewohner des Waldhotels hatten mitgeteilt, dass seit Tagen im gesamten Haus der Strom ausgefallen sei. Zimmer würden sich nicht beheizen lassen, es gebe kein warmes Wasser, alle Lichter blieben aus. Von der Einsatzzentrale wurde daraufhin das Ordnungsamt in Stadtbergen informiert, da es sich um ein technisches Problem handeln könnte und möglicherweise eine Ersatzunterkunft gesucht werden müsste. „Unsere Mitarbeiter wurden daraufhin zum Waldhotel geschickt, um die Lage vor Ort zu überprüfen“, sagt Amtsleiter Markus Voh. Sie kamen gerade noch rechtzeitig.
Als die Mitarbeiter eintrafen, waren etwa bis zu zehn Personen in dem Haus. Die Verständigung war aufgrund einiger Sprachprobleme nicht einfach. Wie prekär die Lage bereits war, ahnte daher zu dem Zeitpunkt noch niemand. Die Männer vom Ordnungsamt nahmen schließlich die Räume in Augenschein, sahen im Wohnzimmer einen Holzofen prasseln und suchten nach der Ursache des Stromausfalls. In einigen Zimmern war die Temperatur bereits gen null Grad gefallen. „Dann bemerkten sie plötzlich in einem Nebenraum ein mit Benzin betriebenes Notstromgerät“, erzählt Voh, der krankheitsbedingt von daheim per Handy den Einsatz koordinieren musste. Dieses Aggregat wurde jedoch ohne Abgasschlauch betrieben: Die Bewohner luden damit ihre Smartphones und hatten zudem einen kleinen Elektroherd angeschlossen. Einige klagten ob der schlechten Luftqualität bereits über Schwindel und Unwohlsein.
Durch die Abgase hatte sich mittlerweile so viel Kohlenmonoxid im Waldhotel angesammelt, dass akute Lebensgefahr bestand. „Wir nahmen dann direkt nach dem Eintreffen entsprechende Messungen vor“, sagt Kommandant Martin Rusch. Die Werte waren so hoch, dass die Feuerwehr sofort das gesamte Waldhotel evakuierte. Denn: Das Gift hatte sich bereits im ganzen Haus vom Erdgeschoss bis unters Dach verteilt. Rusch vergleicht die Situation mit einem Auto, das in der Garage mit laufendem Motor die Abgase vom Auspuff über einen Schlauch ins Fahrzeuginnere verteilt. „Wir nannten dies früher den ,blauen Tod’, da durch das Atemgift die Haut der Verstorbenen oft eine bläuliche Farbe annimmt „, sagt er.
Kohlenmonoxid (CO) sei extrem gefährlich, da es nicht zu riechen und zu sehen ist. Das eingeatmete Kohlenmonoxid gelange über die Lunge in den Blutkreislauf und heftet sich an das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen. Genau dort, wo normalerweise der Sauerstoff gebunden wird. Rusch sagt, dass der Betroffene gar nicht merke, dass er Gift einatme, langsam einschlafe und binnen kürzester Zeit sterbe. Zusammen mit der Polizei, die ebenfalls dazugestoßen war, und Rettungskräften des BRK wurde daher jedes einzelne der 30 Zimmer des Waldhotels durchsucht und auf den CO-Gehalt überprüft.
„Einige verschlossene Türen mussten wir aufbrechen, da wir nicht wissen konnten, ob ein Bewohner vielleicht bereits ohnmächtig auf dem Boden liegt oder nur nicht daheim ist“, so Rusch. Offenbar fanden die Einsatzkräfte zufällig in einem Zimmer auch Hinweise auf illegale Machenschaften einzelner Bewohner. Hier laufen jedoch noch die Ermittlungen, die Polizei hält sich daher bedeckt. Mehr als sechs Stunden dauerte es, bis die Messungen der Feuerwehr wieder normale Werte ergaben. Erst gegen 3 Uhr konnten die letzten Einsatzkräfte wieder abrücken. Wie es nun mit dem Waldhotel weitergehen wird, ist jedoch ungewiss.
Inhaberin Anita Strohmayr sagte auf Anfrage unserer Redaktion lediglich, dass sie sie sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht zu dem Vorfall äußern möchte: Sie selbst hätte bereits „Klagen eingereicht“. Laut Ordnungsamt führt Strohmayr das Waldhotel als eine Art „Massenunterkunft“und nicht als klassischen Beherbergungsbetrieb, da es so weniger Auflagen zu beachten gebe. Voh hat nun das Landratsamt um Überprüfung gebeten, ob diese Zimmervermietung in der aktuellen Art und Weise überhaupt zulässig ist. Schließlich sei das Waldhotel nicht zum ersten Mal durch massive Mängel aufgefallen. „Das Haus liegt zudem im Außenbereich“, sagt Voh. Ob dort eine Vermietung in der Größenordnung von rund 30 Zimmern überhaupt zulässig ist, sei fraglich. Eine Entscheidung darüber soll bereits in den nächsten Tagen fallen.