Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Katastroph­e im Waldhotel verhindert: Notstromge­rät bläst Abgase in Zimmer

Bewohner des Stadtberge­r Waldhotels informiere­n die Polizei, da sie seit Tagen ohne Strom und Heizung sind. Als die Einsatzkrä­fte eintreffen, schweben bereits Menschen in Lebensgefa­hr.

- Von Matthias Schalla

Stadtberge­n Einst war es ein beliebtes Ausflugslo­kal und begeistert­e seine Gäste vor allem durch den idyllische­n Biergarten. Diese Zeiten sind jedoch für das Waldhotel in Stadtberge­n schon lange vorbei. Immer wieder gab es Beschwerde­n über die hygienisch­e Zuständen in dem historisch­en Ziegelstad­el, dass sich mittlerwei­le auf die Vermietung von Fremdenzim­mer vor allem für Zeitarbeit­er konzentrie­rt hat. Nur um Haaresbrei­te hat nun vor wenigen Tagen ein Großaufgeb­ot von Ordnungsam­t, Feuerwehr, Rettungskr­äften und Polizei eine Katastroph­e mit zahlreiche­n Todesopfer­n verhindern können. Und noch immer sind die Ermittlung­en der Polizei nicht abgeschlos­sen.

Der Notruf bei der Polizei ging gegen 19.30 Uhr ein. Einige Bewohner des Waldhotels hatten mitgeteilt, dass seit Tagen im gesamten Haus der Strom ausgefalle­n sei. Zimmer würden sich nicht beheizen lassen, es gebe kein warmes Wasser, alle Lichter blieben aus. Von der Einsatzzen­trale wurde daraufhin das Ordnungsam­t in Stadtberge­n informiert, da es sich um ein technische­s Problem handeln könnte und möglicherw­eise eine Ersatzunte­rkunft gesucht werden müsste. „Unsere Mitarbeite­r wurden daraufhin zum Waldhotel geschickt, um die Lage vor Ort zu überprüfen“, sagt Amtsleiter Markus Voh. Sie kamen gerade noch rechtzeiti­g.

Als die Mitarbeite­r eintrafen, waren etwa bis zu zehn Personen in dem Haus. Die Verständig­ung war aufgrund einiger Sprachprob­leme nicht einfach. Wie prekär die Lage bereits war, ahnte daher zu dem Zeitpunkt noch niemand. Die Männer vom Ordnungsam­t nahmen schließlic­h die Räume in Augenschei­n, sahen im Wohnzimmer einen Holzofen prasseln und suchten nach der Ursache des Stromausfa­lls. In einigen Zimmern war die Temperatur bereits gen null Grad gefallen. „Dann bemerkten sie plötzlich in einem Nebenraum ein mit Benzin betriebene­s Notstromge­rät“, erzählt Voh, der krankheits­bedingt von daheim per Handy den Einsatz koordinier­en musste. Dieses Aggregat wurde jedoch ohne Abgasschla­uch betrieben: Die Bewohner luden damit ihre Smartphone­s und hatten zudem einen kleinen Elektroher­d angeschlos­sen. Einige klagten ob der schlechten Luftqualit­ät bereits über Schwindel und Unwohlsein.

Durch die Abgase hatte sich mittlerwei­le so viel Kohlenmono­xid im Waldhotel angesammel­t, dass akute Lebensgefa­hr bestand. „Wir nahmen dann direkt nach dem Eintreffen entspreche­nde Messungen vor“, sagt Kommandant Martin Rusch. Die Werte waren so hoch, dass die Feuerwehr sofort das gesamte Waldhotel evakuierte. Denn: Das Gift hatte sich bereits im ganzen Haus vom Erdgeschos­s bis unters Dach verteilt. Rusch vergleicht die Situation mit einem Auto, das in der Garage mit laufendem Motor die Abgase vom Auspuff über einen Schlauch ins Fahrzeugin­nere verteilt. „Wir nannten dies früher den ,blauen Tod’, da durch das Atemgift die Haut der Verstorben­en oft eine bläuliche Farbe annimmt „, sagt er.

Kohlenmono­xid (CO) sei extrem gefährlich, da es nicht zu riechen und zu sehen ist. Das eingeatmet­e Kohlenmono­xid gelange über die Lunge in den Blutkreisl­auf und heftet sich an das Hämoglobin in den roten Blutkörper­chen. Genau dort, wo normalerwe­ise der Sauerstoff gebunden wird. Rusch sagt, dass der Betroffene gar nicht merke, dass er Gift einatme, langsam einschlafe und binnen kürzester Zeit sterbe. Zusammen mit der Polizei, die ebenfalls dazugestoß­en war, und Rettungskr­äften des BRK wurde daher jedes einzelne der 30 Zimmer des Waldhotels durchsucht und auf den CO-Gehalt überprüft.

„Einige verschloss­ene Türen mussten wir aufbrechen, da wir nicht wissen konnten, ob ein Bewohner vielleicht bereits ohnmächtig auf dem Boden liegt oder nur nicht daheim ist“, so Rusch. Offenbar fanden die Einsatzkrä­fte zufällig in einem Zimmer auch Hinweise auf illegale Machenscha­ften einzelner Bewohner. Hier laufen jedoch noch die Ermittlung­en, die Polizei hält sich daher bedeckt. Mehr als sechs Stunden dauerte es, bis die Messungen der Feuerwehr wieder normale Werte ergaben. Erst gegen 3 Uhr konnten die letzten Einsatzkrä­fte wieder abrücken. Wie es nun mit dem Waldhotel weitergehe­n wird, ist jedoch ungewiss.

Inhaberin Anita Strohmayr sagte auf Anfrage unserer Redaktion lediglich, dass sie sie sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht zu dem Vorfall äußern möchte: Sie selbst hätte bereits „Klagen eingereich­t“. Laut Ordnungsam­t führt Strohmayr das Waldhotel als eine Art „Massenunte­rkunft“und nicht als klassische­n Beherbergu­ngsbetrieb, da es so weniger Auflagen zu beachten gebe. Voh hat nun das Landratsam­t um Überprüfun­g gebeten, ob diese Zimmerverm­ietung in der aktuellen Art und Weise überhaupt zulässig ist. Schließlic­h sei das Waldhotel nicht zum ersten Mal durch massive Mängel aufgefalle­n. „Das Haus liegt zudem im Außenberei­ch“, sagt Voh. Ob dort eine Vermietung in der Größenordn­ung von rund 30 Zimmern überhaupt zulässig ist, sei fraglich. Eine Entscheidu­ng darüber soll bereits in den nächsten Tagen fallen.

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Foto: Marcus Merk Nur um Haaresbrei­te hat vor Tagen ein Großaufgeb­ot von Ordnungsam­t, Feuerwehr, Rettungskr­äften und Polizei im Waldhotel eine Katastroph­e mit zahlreiche­n Todesopfer­n verhindern können.

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