Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Spannungen unter Bettlern nehmen zu

Bettler treten wieder stärker in Erscheinun­g – wohl auch, weil der Zulauf aus Osteuropa steigt. Es kommt zu Konflikten, bei denen selten die Polizei gerufen wird.

- Von Max Kramer

Ein früher Nachmittag unter der Woche, beißend kalter Wind zieht durch die Bürgermeis­ter-FischerStr­aße in der Augsburger Innenstadt. Ein Mann – dunkel und dick bekleidet, die Mütze tief im Gesicht – trottet mit gebeugtem Gang in Richtung Moritzplat­z, rechts auf eine Krücke gestützt, in der linken Hand ein Becher. Wer an ihm vorbeigeht, bekommt das abgegriffe­ne Pappgefäß unter die Nase gehalten, der Mann stellt sich dafür seitlich in den Weg. Die meisten schauen den Mann kurz an und gehen weiter, kaum Beachtung, manch genervter Blick, gelegentli­ch ein „Sorry“. Einer oder eine von hundert wirft dann aber doch eine Münze rein. Und so dreht der Mann zwischen Moritz- und Königsplat­z seine Runden, auf wechselnde­n Straßensei­ten. Es ist einer der Fälle, die derzeit Spannungen unter den Bettlern auslösen – das berichten mehrere Personen aus der Szene.

Betteln ist in Augsburg grundsätzl­ich erlaubt, die Stadt hat aber Ausnahmen festgelegt. Die entspreche­nde Satzung stammt aus November 2017, vorangegan­gen waren damals etliche Beschwerde­n. Verboten ist Betteln demnach, wenn es bandenmäßi­g oder organisier­t betrieben wird, durch „gezielten Körperkont­akt oder Verstellen des Weges“erfolgt oder „unter Vortäusche­ns körperlich­er Behinderun­gen, Krankheite­n oder persönlich­en Notlagen“. Offizielle Beschwerde­n sind selten, Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) spricht von etwa einer pro Monat. Ein erhöhtes Beschwerde­aufkommen sei nicht zu verzeichne­n, auch wenn man allgemein im Stadtgebie­t eine „geringfügi­ge Zunahme“von Bettlerinn­en und Bettlern beobachte.

Unter Betroffene­n indes brodelt es. Peter (Name geändert) ist seit drei Jahren obdachlos, mit Almosen kommt er über die Runden. Sein Konzept: Er sitzt an der Straße – wer ihm Geld zusteckt, kann sich eine Süßigkeit oder ein Feuerzeug nehmen. „Ehrlich“nennt er das, „anders als bei denen“. Mit „denen“meint Peter rumänische Bettlerinn­en und Bettler. Diese seien seit vergangene­m Sommer wieder deutlich verstärkt in Augsburg zu sehen – und machten den Einheimisc­hen immer häufiger „Reviere“streitig, zu deren lukrativst­en belebte Plätze in der Innenstadt, Fußgängerz­onen und -passagen, belebte Geschäfte und Supermärkt­e gehörten. „Denen ist egal, wem welcher Platz gehört, die sind manchmal richtig aggressiv. Dann gibt es Stress.“Einer, den er zum Verlassen aufgeforde­rt habe, habe geantworte­t: „Wenn ich Dich nächstes Mal sehe, dann bumm, bumm.“

Die Polizei verzeichne­t nach eigener Auskunft nur selten Einsätze mit Bettlern, eine Häufung an Vorfällen sei nicht festzustel­len. Die meisten Auseinande­rsetzungen, sagt ein Bettler am Oberhauser Bahnhof, würden untereinan­der geklärt. Die Polizei informiere man nicht so gerne, man wisse ja nie. Er selbst sei kürzlich mit einem osteuropäi­schen Bettler körperlich aneinander­geraten, auch dabei sei es um einen Platz gegangen. Neben dem verstärkte­n Aufkommen, das er „voll“merke, störe ihn vor allem, dass viele Bettler aus Osteuropa aktiv – und damit unerlaubte­rweise – auf Passanten zugingen. „Damit steigt die Gefahr, dass härter gegen uns vorgegange­n wird. Wir versuchen, uns das hier zu erhalten, aber die machen das kaputt.“In den Hochphasen der Pandemie habe es deutlich weniger ausländisc­he Bettler gegeben, inzwischen bewege man sich wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.

Ein Großteil der ausländisc­hen Bettlerinn­en und Bettler stammt nach Einschätzu­ng von Hilfsorgan­isationen und Stadt aus Rumänien. Er habe dort eine Frau und ein Kind, sagt der Mann mit Krücke in der Bürgermeis­ter-FischerStr­aße. Zusammen mit zwei Landsmänne­rn schlafe er in einem Park. Mehr könne er nicht sagen, „kein Deutsch“. Ein weiterer Bettler in einer Passage stammt ebenfalls aus Rumänien, ein anderer in einer engen Gasse aus Ungarn. Was sie nach Augsburg geführt hat, wie sie hier leben, ob und wie sie organisier­t sind – niemand von ihnen kann oder will Auskunft geben. Ein freundlich­es Lächeln, „kein Deutsch“.

Bandenstru­kturen, die manche „ortsansäss­ige“Bettler hinter dem verstärkte­n Aufkommen vermuten, sind der Polizei in Augsburg und Nordschwab­en derzeit nicht bekannt. Bei entspreche­nden Zusammensc­hlüssen übernähmen die Hintermänn­er meist die Organisati­on – und auch die Verteilung des Gewinns.

Wird die Stadt auf unerlaubte­s Betteln aufmerksam, folgt ein Bußgeld bis zu 55 Euro. Laut Ordnungsre­ferent Pintsch wird normalerwe­ise das erbettelte Geld eingezogen, wenn es diesen Betrag nicht überschrei­tet. Grundsätzl­ich, betont Pintsch, wolle man Menschen in sozialer Not nicht kriminalis­ieren, „sondern sowohl mit den Möglichkei­ten der Sozialverw­altung, aber auch mit einem empathisch­en Blick der Ordnungsve­rwaltung unterstütz­en“. Zugleich sei wichtig, dass Bürger „nicht unnötig oder gar aggressiv belästigt werden und dadurch auch das Sicherheit­sgefühl der Menschen negativ beeinträch­tigt würde“.

Bandenstru­kturen sind der Polizei derzeit nicht bekannt

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Foto: Silvio Wyszengrad Offizielle Zahlen zu Bettlern in Augsburg gibt es nicht, Betroffene sprechen aber von einer Zunahme zuletzt. Grund dafür sollen auch Personen aus Osteuropa sein.

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