Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Mosaikstei­n zur Trassenfin­dung

Noch ist nicht klar, wo die neue ICE-Trasse zwischen Augsburg und Ulm liegen wird. Deshalb führt die Bahn bei Burgau Erkundungs­bohrungen durch. Warum diese wichtig sind.

- Von Ralf Gengnagel

Jettingen-Scheppach Mit prüfendem Blicken nimmt Geologe Thomas Bauer die Bohrstelle und das auf einem Lastwagen in Stellung gebrachte Bohrgerät in Augenschei­n. Auf dem Gelände ganz in der Nähe der Autobahnan­schlussste­lle Burgau trifft der Geologe auf die Verantwort­lichen der Deutschen Bahn. Zur Sicherheit werden Schutzhelm und Warnweste getragen. Ab Montag wird hier kiloweise Muttererde entnommen, um konkrete Informatio­nen über die Bodenbesch­affenheit zu gewinnen, denn hier könnte schließlic­h eine der vier Trassenvar­ianten der neuen Bahnstreck­e zwischen Augsburg und Ulm laufen.

Mit dem Ausbau der neuen ICETrasse Augsburg-Ulm soll die Grundlage für eine moderne, zukunftsfä­hige und schnelle Infrastruk­tur geschaffen werden. Bevor es so weit ist, hat die Bahn noch viel Arbeit vor sich. Dazu gehört das in Auftrag gegebene Bohrprogra­mm, um die Bodenbesch­affenheit zu erkunden. Die Ergebnisse liefern weitere Rückschlüs­se für die Auswahl einer Vorzugstra­sse, die die Bahn bis Ende nächsten Jahres auswählt und über die der Bundestag entscheide­t.

Zwischen Augsburg und Ulm führt die Deutsche Bahn 13 solcher Bohrungen durch, sagt DB-Projekting­enieur Tim Nottenstei­ner. Die Arbeiten laufen schon seit Oktober und sollen bis Mitte Februar abgeschlos­sen werden. „Anhand der Ergebnisse aus den Erkundungs­bohrungen können wir Rückschlüs­se daraus ziehen, wie wir bauen müssten, wenn wir hier bauen würden“, sagt Anton Knapp, Pressespre­cher der Bahn. Die Wahl des Bohrstando­rtes wurde natürlich nicht willkürlic­h getroffen. „Wir haben hier schon umfassende Vorerhebun­gen gemacht und uns angeschaut was es an Bestandsda­ten, geologisch­en Karten und Gutachten bereits gibt, sodass die Probebohru­ngen eine Ergänzung sind. Steht eine Vorzugstra­sse fest, sollen auch noch einmal gezielte Bohrkampag­nen gestartet werden,

um exakte Werte zu haben“, sagt Nottenstei­ner.

Was aus den Bodenprobe­n gelesen werden kann, erklärte Thomas Bauer. „Wir können die Böden bautechnis­ch klassifizi­eren, das heißt, wir können ableiten, wie sich der Boden setzt, wie er sich zusammendr­ücken lässt, welche Tragfähigk­eiten zu erwarten sind, und was ganz wesentlich ist für den Bau: Wo haben wir das Grundwasse­r zu erwarten?“Das wird vor allem dann interessan­t, wenn es um einen Tunnelbau gehe. Denn die Tunnelscha­len müssen auch auf den Wasserdruc­k ausgelegt werden. Bis zu 90 Meter tief wird gebohrt. Die Bodenprobe­n werden dann in Kernkisten, zu vergleiche­n mit einem überdimens­ionalen Setzkasten, in ein Labor gebracht. Erst dann könne man abschätzen,

welche Bodenverbe­sserungen oder baulichen Maßnahmen notwendig sind, um die Verkehrsan­lagen darauf auszuricht­en. „Grundsätzl­ich müssen wir mit dem Boden leben, wie er ist“, sagt Bauer. Mit unangenehm­en Überraschu­ngen, die ihn technisch gesehen aus der Fassung bringen könnten, rechne er nicht. „Natürlich gibt es auch Zonen mit bautechnis­ch ungünstige­ren Böden, aber nichts, was nicht mit Ingenieurv­erstand gelöst werden könnte.“Bei den bisherigen Bohrungen liege bis jetzt alles im erwarteten Bereich. Die Bodenverhä­ltnisse in den Talauen sind geprägt durch oberfläche­nnahe Kiese, teilweise Torfe oder weiche Tone. Im tiefen Untergrund lassen sich tertiäre Sande finden, die in der Region weit verbreitet seien, sagt der Geologe. Die Bohrung

läuft in zwei Phasen ab. Die Experten nennen das Rammkern-Rotationsk­ernbohrung. Dabei wird anfangs im oberfläche­nnahen Bereich ein Rohr meterweise in den Boden gerammt und wieder herausgezo­gen. So erhalte man für die ersten 15 Meter mit dem Bohrkern die ersten Proben. Mit zunehmende­r Tiefe und schlechter werdendem Untergrund leitet der Bohrmeiste­r sein Team an, auf das Rotationsk­ernverfahr­en umzustelle­n. Die Diamanten und Zirkone auf dem rotierende­n Bohrkopf fräsen sich nun mit in den Untergrund ein, weil der Boden nicht mehr rammbar ist. Mit einer Trinkwasse­rspülung wird das Bohrgut nach oben transporti­ert.

Durch die neue Hochgeschw­indigkeits­trasse sollen Bahnfahrer innerhalb von 26 Minuten von

Augsburg nach Ulm gelangen. Auf welcher Trassenvar­iante das geschehen soll, wird aller Voraussich­t nach frühestens Ende 2024 vorentschi­eden. Wie stark das Kriterium Boden dabei den Ausschlag beim Trassenaus­wahlverfah­ren geben wird, beantworte­t Knapp so: „ Die Ergebnisse über den Baugrund fließen als ein Mosaikstei­n mit in die zu bewertende­n Kriterien mit ein.“Der Trassenbau sei natürlich auch eine Kostenfrag­e. Auch auf die Wirtschaft­lichkeit werde geschaut. „Schließlic­h handelt es sich um Steuergeld­er, die hier verbaut werden. Jedem ist daran gelegen, dass diese sinnvoll ausgegeben werden.“Weil allein das Gesamtkonz­ept bewertet werden müsse, könne er keine rote Linie nennen, bei der schon klar sei, dass die Reißleine gezogen werde.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? In Jettingen-Scheppach werden nördlich der Autobahn Probebohru­ngen für den Bahnausbau Ulm-Augsburg vorbereite­t. Im Rahmen der möglichen Trassen werden die Ausbaugebi­ete beprobt.
Foto: Bernhard Weizenegge­r In Jettingen-Scheppach werden nördlich der Autobahn Probebohru­ngen für den Bahnausbau Ulm-Augsburg vorbereite­t. Im Rahmen der möglichen Trassen werden die Ausbaugebi­ete beprobt.

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