Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Trittsicher
Marmor und Schiefer kennt jeder. Das Gestein des Jahres aber ist die Grauwacke.
Dieser Titel ist mit Vorsicht zu genießen. Sehr oft bedeutet die Vergabe für den oder die Prämierten im Grunde nichts Gutes. Das Braunkehlchen zum Beispiel: Wurde zum Vogel des Jahres 2023 gewählt, weil es um seine Zukunft schlecht bestellt ist. Kaum mehr blütenreiche Wiesen, in denen das Braunkehlchen sein Nest bauen kann. Ähnlich verhält es sich mit der Kleinen Braunelle, Pflanze des Jahres, verzieht sich wegen Überdüngung. Das geneigte Spiralzahn-Moos, Moos des Jahres, Sie ahnen es schon … Und damit zur Grauwacke, Gestein des Jahres.
Was also ist da los mit der Grauwacke? Antwort: Eigentlich gar nichts Besonderes. Deshalb aber auch der Preis, mit dem der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler bemerkenswerte Gesteine in das öffentliche Interesse rücken will. Der Schiefer zum Beispiel war auch schon dran. Schiefer kennt jeder, bei der Grauwacke aber ist es so: Der graugrüne Sandstein, der sich aus unterschiedlichen Sedimenten zusammensetzt, wird oft nicht erkannt, ja sogar schnell verwechselt. Zum Beispiel mit Granit, wovor im Übrigen einst schon der große Bergbauminister Goethe warnte! Nicht schön für die Grauwacke, die so vieles stützt, so oft getreten wird. Weil sie so widerstandskräftig ist, dient sie sich als Mauerstein, Pflasterstein, Terrassenfliese, aber auch als Schotter an. Kein Gedönsstein wie der Marmor also.
Nun aber etwas Verrücktes, das man der alltagsgrauen Grauwacke gar nicht zutraut: Ihr Name hat Weltklang. So wie der Kindergarten und das Schnitzel. Im Spanischen spricht man von grauvaca, im Englischen von greywacke. Gute Wahl also, und in dem Fall auch: Glückwunsch zum Titel!