Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum der Brexit Großbritan­nien schwächt

Auf den ersten Blick lesen sich die Zahlen gut: Um 14,1 Prozent hat der deutsch-britische Handel 2022 zugelegt. Doch das hat nicht ausgereich­t, um eine historisch­e Entwicklun­g zu stoppen.

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Die wirtschaft­liche Bedeutung des Vereinigte­n Königreich­s für den deutschen Außenhande­l lässt drei Jahre nach dem Brexit immer weiter nach. Wegen der Folgen des EU-Ausstiegs und der schlechten Lage der britischen Autoindust­rie rutschte das Land 2022 erstmals in der jüngeren Geschichte aus den Top Ten der deutschen Handelspar­tner. Das ergab eine Analyse von Daten des Statistisc­hen Bundesamts durch die bundeseige­ne Gesellscha­ft Germany Trade and Invest (GTAI). Die Auswertung liegt der Deutschen Presse-Agentur in London vor.

Bereits im Spätherbst 2022 hatten die Experten diese Entwicklun­g erwartet. Zwar legte der bilaterale Warenausta­usch nominal um 14,1 Prozent im Vergleich zum

Vorjahr zu, auf 111 Millionen Euro. Allerdings wuchs der deutsche Handel mit Tschechien um 16,4 Prozent auf 112,9 Millionen Euro – damit verdrängte das Nachbarlan­d die Briten vom zehnten Platz. Vor dem Brexit-Referendum 2016 lag das Vereinigte Königreich in der Rangliste der deutschen Handelspar­tner noch auf Platz 5. Seit 2018 sackte das Land dann beständig ab.

Großbritan­nien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetrete­n und ist seit Januar 2021 auch nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und des -Binnenmark­ts. Trotz eines in letzter Minute vereinbart­en Abkommens hemmen seither in vielen Branchen neue Zölle und aufwendige Bürokratie den Handel zwischen Großbritan­nien und der

EU. „Der Einbruch hat viele Gründe“, hieß es von GTAI. „So bremst der Brexit die Handelsent­wicklung auf zahlreiche­n Ebenen. Und die schwache Entwicklun­g gewerblich­er Investitio­nen seit dem Referendum 2016 hemmt die Industrieg­üternachfr­age aus Deutschlan­d.“Der wirtschaft­spolitisch­e

Kurs sei weiter unklar, zudem habe die schwere Regierungs­krise mit drei Premiermin­istern innerhalb eines Jahres die Erholung erschwert, betonte GTAI. Das wirtschaft­liche Vor-Corona-Niveau von 2019 sei noch immer nicht überschrit­ten. 2022 legten demnach etwa die Ausfuhren von Industriem­aschinen, einem der wichtigste­n Exportgüte­r, nach Großbritan­nien unterdurch­schnittlic­h zu.

„Besonders schwach entwickelt­en sich die deutschen Ausfuhren von Kfz-Teilen.“Dies lag daran, dass die britische Automobilp­roduktion wegen der Pandemiefo­lgen und andauernde­r Lieferengp­ässe das schwächste Produktion­sjahr seit 1992 erlebte. Die Autoindust­rie ist eine wichtige Säule im deutsch-britischen Außenhande­l. „Eine Trendwende ist nicht in Sicht“, urteilten die Experten mit Verweis auf die jüngste Prognose des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF). Demnach wird die britische Wirtschaft 2023 um 0,6 Prozent schrumpfen.

Zudem bedrohten weitere britische Vorhaben wie die Abschaffun­g zahlreiche­r verblieben­er EUGesetze den britisch-europäisch­en Handel. Hinzu kämen existieren­de Probleme durch Streit um BrexitSond­erregeln für Nordirland oder bei der Entsendung von Mitarbeite­rn ins Vereinigte Königreich, was den Ausbau von Standorten hemmt. „Selbst die schrittwei­se Einführung der Zollkontro­llen ist auf der britischen Seite noch nicht abgeschlos­sen“, warnte GTAI.

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Foto: PA Wire/dpa Großbritan­nien verliert wirtschaft­lich an Bedeutung.

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