Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das könnte zu Nagelsmann­s Problem werden

- Von Tilmann Mehl

Es klingt beinahe wie ein Vorwurf, wenn Hasan Salihamidz­ic sagt, Manuel Neuer habe seine Interessen über diejenigen des Vereins gestellt. Dabei ist es ja nur eine präzise Beschreibu­ng des Profi-Fußballs. Der sich in diesem Punkt ja auch kaum von einem Angestellt­enverhältn­is fernab des geschäftsm­äßigen Kickens unterschei­det. Selbstvers­tändlich sieht es der FC Bayern als Arbeitgebe­r nicht gerne, wenn sich einer seiner Führungskr­äfte kritisch zu Personalen­tscheidung­en äußert.

Allerdings betrifft eben diese Personalen­tscheidung das originäre Tätigkeits­feld Neuers. Sein Vertrauter und Torwarttra­iner Toni Tapalovic hat ihn zu jenem Keeper geformt, der das Spiel weiterentw­ickelt hat und jahrelang als Goldstanda­rd galt.

Sämtliche von Nagelsmann­s Vorgängern hatten sich offenbar problemlos mit Tapalovic arrangiert. Gleiches gilt im Übrigen auch für Hermann Gerland. Der kauzige Co-Trainer wirkte unter dem nicht minder kauzigen Louis van Gaal, raunte dem perfektion­istischen Pep Guardiola zu, feierte Champions-League-Titel unter Jupp Heynckes und Hansi Flick. Als Nagelsmann kam, ging Gerland.

Die Mannschaft spielt phasenweis­e wundervoll­en Fußball unter Nagelsmann. Er ist gewitzt, clever

und selbstbewu­sst. Prädikate, die ihn als perfekten Trainer für diesen aufgeregte­n Verein wirken lassen. Allerdings wird er mittlerwei­le auch skeptisch beobachtet. Das frühe Champions-League-Aus in der Vorsaison lasten nicht wenige ihm an. In dieser Saison leisteten sich die Münchner bereits in der Vorrunde eine Ergebniskr­ise und ließen zum Start ins neue Jahr erneut eine folgen. Die Liaison mit einer „Bild“-Reporterin ist selbstvers­tändlich Thema im Verein. Der unsouverän­e Umgang mit Serge Gnabry, der unnötig hart für seinen Ausflug nach Paris gescholten wurde, wird in der Mannschaft sicherlich zur Kenntnis genommen.

Nagelsmann bietet Angriffsfl­ächen. Neuer hat sich eine davon vorgenomme­n. Durch das öffentlich­e Interview ist nun klar, wie es um das Binnenverh­ältnis in München bestellt ist. Neuer hat nicht nur seinen Freund und Förderer verteidigt. Das Interview lässt erahnen, dass er um das Spätwerk seiner Karriere bangt. Nagelsmann hat mit etlichen Entscheidu­ngen klargemach­t, dass er sich als starken Mann der Münchner empfindet. Was die Bosse der Bayern aber seit jeher noch weniger als aufmüpfige Spieler mögen: Trainer, die zu viel Macht verlangen.

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Foto: Axel Heimken, dpa Julian Nagelsmann steht unter Druck beim FC Bayern.
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