Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit diesem Händler war gut Kirschen handeln
Der Manager einer Vermarktungsorganisation soll für das Geschäft mit Obst und Gemüse fast zwei Millionen an Schmiergeldern kassiert haben. Nun steht er vor Gericht.
Warum die Preise für Energie und Lebensmittel seit vorigem Jahr stark gestiegen sind, ist allgemein bekannt. Dass es auch kriminelle Gründe geben kann, warum Obst und Gemüse plötzlich teurer werden, könnte ein Prozess aufzeigen, der vor dem Augsburger Landgericht angelaufen ist. Auf der Anklagebank sitzt ein früherer Manager von Landgard. Er soll knapp zwei Millionen Euro an Schmiergeldern eingesteckt haben.
Die Vermarktungsorganisation für den Gartenbau beliefert in Deutschland Supermärkte wie Aldi, Lidl, Rewe sowie Baumärkte mit Obst und Gemüse, Topfpflanzen und Schnittblumen. Der 58-Jährige war bis zu seiner Verhaftung im Mai vorigen Jahres Geschäftsführer ihrer Münchner Niederlassung. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Manager Bestechlichkeit und Untreue in mehr als 100 Fällen vor. Laut Anklage soll er von Lieferanten für die Abnahme von Ware im Lauf von fünf Jahren 1,7 Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben. Die durch eine anonyme Anzeige ausgelösten Ermittlungen führte die Staatsanwaltschaft in Augsburg, da der 58-Jährige mit seiner Familie im Ostallgäu lebt.
Angeklagt wegen Bestechung steht einer der Lieferanten mit vor Gericht. Der 56-Jährige, der als Gastarbeiterkind nach München kam, war bis zu seiner Festnahme am Münchner Großmarkt ein bekannter Großhändler für Obst und
Gemüse, das er aus der Türkei importiert hat. So ist denn auch, wie beim Auftakt zu beobachten war, das Interesse am Prozess groß. Unter den Zuschauern im voll besetzten Gerichtssaal waren auch Händler des Münchner Großmarkts. „Ich weiß, dass ich Scheiß gebaut habe“, leitete Sezgin Y. sein Geständnis ein. „Aber es war verlockend, weil es leicht verdientes Geld war.“Nach seinen Angaben war Jürgen H. im Jahr 2015 – damals für Greenyard Fresh Germany tätig, einem Konkurrenten von Landgard – mit folgendem Vorschlag auf ihn zugekommen: Auf einen Verkaufspreis von beispielsweise
zwei Euro das Kilo schlägst du 20 Cent auf. Die 20 Cent teilen wir uns. „Zehn für dich und zehn für mich.“
Wie die Staatsanwaltschaft beiden Angeklagten vorwirft, hat der Großhändler außerdem in beidseitigem Einverständnis der Firma des Mitangeklagten wiederholt fingierte Rechnungen gestellt, in denen er eine Provision verlangte. Angeblich für die Vermittlung von Geschäften mit Kirschen, Aprikosen und Zitronen. Jürgen H. zeichnete die Rechnungen ab und veranlasste die Auszahlungen. Sie summierten sich in zwei Jahren auf einen Betrag von einer Viertelmillion
Euro. Im März 2018 wechselte der Manager zu Landgard und übernahm die Geschäftsführung der Münchner Niederlassung, nahm aber auch seine gewinnbringenden Kontakte mit. Denn Sezgin Y. ist, wie Staatsanwältin Nazanin Mozaffari dem Manager vorwirft, nicht der einzige Lieferant von Obst und Gemüse gewesen, von dem er sich hat bestechen lassen. In den Sommermonaten 2020 und 2021 war das Angebot für Kirschen groß. Zwei Großhändler in Nordrhein-Westfalen waren denn auch froh, in Jürgen H. einen Abnehmer für ihre leicht verderbliche Ware gefunden zu haben. Immerhin muss die Menge beachtlich gewesen sein, bezahlte Landgard für den Ankauf doch 7,6 Millionen Euro. Wie es in der Anklage weiter heißt, hat der Manager für sich ein Draufgeld in Höhe von 152.123 Euro ausgehandelt. Von dem Geld seien ihm nachweislich mindestens 100.000 Euro übergeben worden – in bar.
Als Manager bei Landgard soll Jürgen H. mit einer erstaunlichen Geschäftsidee auf den Münchner Großhändler zugekommen sein. „Auf seine Bitte hin habe ich ihm eine ruhende GmbH mit dem Namen Fruchthandel-Service zur Verfügung gestellt, mit dem dazugehörenden Bankkonto“, bestätigte der Angeklagte einen Vorhalt der Staatsanwaltschaft. Fortan soll Jürgen H. die Firma benutzt haben, um seinem Arbeitgeber Rechnungen für erfundene Leistungen zu stellen. Die Auszahlung der Gelder, insgesamt waren es mehr als 800.000 Euro, habe er dann als Geschäftsführer bei Landgard selbst genehmigt.
Mit Spannung wird erwartet, wie sich der 58-Jährige zu den Vorwürfen äußert. Seine Anwälte kündigten dies für den nächsten Prozesstag an (8. Februar) an. Beide Angeklagte lassen sich prominent verteidigen. So haben sie die bekannten Münchner Anwälte Richard Beyer und Markus Gotzens an ihrer Seite. Der Prozess vor der 7. Strafkammer ist bis Ende Juni terminiert. Wie die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mitteilte, laufen noch Ermittlungen gegen andere Lieferanten aus dem Gartenbau.