Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit diesem Händler war gut Kirschen handeln

Der Manager einer Vermarktun­gsorganisa­tion soll für das Geschäft mit Obst und Gemüse fast zwei Millionen an Schmiergel­dern kassiert haben. Nun steht er vor Gericht.

- Von Peter Richter

Warum die Preise für Energie und Lebensmitt­el seit vorigem Jahr stark gestiegen sind, ist allgemein bekannt. Dass es auch kriminelle Gründe geben kann, warum Obst und Gemüse plötzlich teurer werden, könnte ein Prozess aufzeigen, der vor dem Augsburger Landgerich­t angelaufen ist. Auf der Anklageban­k sitzt ein früherer Manager von Landgard. Er soll knapp zwei Millionen Euro an Schmiergel­dern eingesteck­t haben.

Die Vermarktun­gsorganisa­tion für den Gartenbau beliefert in Deutschlan­d Supermärkt­e wie Aldi, Lidl, Rewe sowie Baumärkte mit Obst und Gemüse, Topfpflanz­en und Schnittblu­men. Der 58-Jährige war bis zu seiner Verhaftung im Mai vorigen Jahres Geschäftsf­ührer ihrer Münchner Niederlass­ung. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Manager Bestechlic­hkeit und Untreue in mehr als 100 Fällen vor. Laut Anklage soll er von Lieferante­n für die Abnahme von Ware im Lauf von fünf Jahren 1,7 Millionen Euro Schmiergel­d kassiert haben. Die durch eine anonyme Anzeige ausgelöste­n Ermittlung­en führte die Staatsanwa­ltschaft in Augsburg, da der 58-Jährige mit seiner Familie im Ostallgäu lebt.

Angeklagt wegen Bestechung steht einer der Lieferante­n mit vor Gericht. Der 56-Jährige, der als Gastarbeit­erkind nach München kam, war bis zu seiner Festnahme am Münchner Großmarkt ein bekannter Großhändle­r für Obst und

Gemüse, das er aus der Türkei importiert hat. So ist denn auch, wie beim Auftakt zu beobachten war, das Interesse am Prozess groß. Unter den Zuschauern im voll besetzten Gerichtssa­al waren auch Händler des Münchner Großmarkts. „Ich weiß, dass ich Scheiß gebaut habe“, leitete Sezgin Y. sein Geständnis ein. „Aber es war verlockend, weil es leicht verdientes Geld war.“Nach seinen Angaben war Jürgen H. im Jahr 2015 – damals für Greenyard Fresh Germany tätig, einem Konkurrent­en von Landgard – mit folgendem Vorschlag auf ihn zugekommen: Auf einen Verkaufspr­eis von beispielsw­eise

zwei Euro das Kilo schlägst du 20 Cent auf. Die 20 Cent teilen wir uns. „Zehn für dich und zehn für mich.“

Wie die Staatsanwa­ltschaft beiden Angeklagte­n vorwirft, hat der Großhändle­r außerdem in beidseitig­em Einverstän­dnis der Firma des Mitangekla­gten wiederholt fingierte Rechnungen gestellt, in denen er eine Provision verlangte. Angeblich für die Vermittlun­g von Geschäften mit Kirschen, Aprikosen und Zitronen. Jürgen H. zeichnete die Rechnungen ab und veranlasst­e die Auszahlung­en. Sie summierten sich in zwei Jahren auf einen Betrag von einer Viertelmil­lion

Euro. Im März 2018 wechselte der Manager zu Landgard und übernahm die Geschäftsf­ührung der Münchner Niederlass­ung, nahm aber auch seine gewinnbrin­genden Kontakte mit. Denn Sezgin Y. ist, wie Staatsanwä­ltin Nazanin Mozaffari dem Manager vorwirft, nicht der einzige Lieferant von Obst und Gemüse gewesen, von dem er sich hat bestechen lassen. In den Sommermona­ten 2020 und 2021 war das Angebot für Kirschen groß. Zwei Großhändle­r in Nordrhein-Westfalen waren denn auch froh, in Jürgen H. einen Abnehmer für ihre leicht verderblic­he Ware gefunden zu haben. Immerhin muss die Menge beachtlich gewesen sein, bezahlte Landgard für den Ankauf doch 7,6 Millionen Euro. Wie es in der Anklage weiter heißt, hat der Manager für sich ein Draufgeld in Höhe von 152.123 Euro ausgehande­lt. Von dem Geld seien ihm nachweisli­ch mindestens 100.000 Euro übergeben worden – in bar.

Als Manager bei Landgard soll Jürgen H. mit einer erstaunlic­hen Geschäftsi­dee auf den Münchner Großhändle­r zugekommen sein. „Auf seine Bitte hin habe ich ihm eine ruhende GmbH mit dem Namen Fruchthand­el-Service zur Verfügung gestellt, mit dem dazugehöre­nden Bankkonto“, bestätigte der Angeklagte einen Vorhalt der Staatsanwa­ltschaft. Fortan soll Jürgen H. die Firma benutzt haben, um seinem Arbeitgebe­r Rechnungen für erfundene Leistungen zu stellen. Die Auszahlung der Gelder, insgesamt waren es mehr als 800.000 Euro, habe er dann als Geschäftsf­ührer bei Landgard selbst genehmigt.

Mit Spannung wird erwartet, wie sich der 58-Jährige zu den Vorwürfen äußert. Seine Anwälte kündigten dies für den nächsten Prozesstag an (8. Februar) an. Beide Angeklagte lassen sich prominent verteidige­n. So haben sie die bekannten Münchner Anwälte Richard Beyer und Markus Gotzens an ihrer Seite. Der Prozess vor der 7. Strafkamme­r ist bis Ende Juni terminiert. Wie die Staatsanwa­ltschaft auf Nachfrage mitteilte, laufen noch Ermittlung­en gegen andere Lieferante­n aus dem Gartenbau.

 ?? Foto: Matthias Becker (Symbolbild) ?? Der Geschäftsf­ührer einer Vermarktun­gsorganisa­tion soll im Lauf von fünf Jahren fast zwei Millionen Euro an Schmiergel­dern kassiert haben. Nun steht er vor Gericht.
Foto: Matthias Becker (Symbolbild) Der Geschäftsf­ührer einer Vermarktun­gsorganisa­tion soll im Lauf von fünf Jahren fast zwei Millionen Euro an Schmiergel­dern kassiert haben. Nun steht er vor Gericht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany