Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Museen: Neue Preise sorgen für Unmut

Seit Jahresbegi­nn können Besucher in Augsburg sonntags kostenlos ins Museum. Doch wer auch zu den Sonderauss­tellungen möchte, zahlt am Ende den vollen Tarif.

- Von Michael Hörmann Kommentar

Der Sonntag ist nasskalt, die Temperatur­en bewegen sich bei etwas über null Grad. Wärmer ist es in städtische­n Museen, doch die Besucherin­nen und Besucher kommen natürlich nicht, um sich aufzuwärme­n. Sie sind an Kunst und Geschichte interessie­rt. Um dieses Interesse zu steigern, gilt seit Jahresbegi­nn eine Neuregelun­g in Augsburg: Der Eintritt in die städtische­n Ausstellun­gshäuser ist an Sonntagen frei, ausgenomme­n sind Sonderauss­tellungen. Doch so verlockend es klingt: Das nun gültige Preismodel­l hat einen Haken, der bei Besuchern für Unmut sorgt.

Nadine Günther aus Augsburg hat sich am Sonntag gegen 11 Uhr ins Schaezlerp­alais begeben. Die junge Frau ist kunstinter­essiert. Sie hat eine Kamera dabei, um einige Ausstellun­gsstücke zu dokumentie­ren. Nadine Günther hat sich gut auf den Museumsbes­uch vorbereite­t, sie kennt auch das Angebot des kostenlose­n Museumsson­ntags.

Bekannt war ihr zudem, dass man für die laufende Sonderauss­tellung über Hinterglas­gemälde einen Aufschlag von zwei Euro zahlen muss. Doch dann verlangt David Hiemer, der an der Kasse sitzt, neun Euro Eintritt von ihr. Warum?

Man müsse das Ticket komplett abrechnen, begründet Hiemer. Sieben Euro regulärer Eintritt plus zwei Euro Aufschlag für die Sonderscha­u werden fällig – trotz Museumsson­ntags. Nadine Günther reagiert verwundert: „Das versteht doch kein Mensch.“Nadine Günther, die sich auf das Museum gefreut hat, zahlt die neun Euro und macht sich auf den Weg zu den Ausstellun­gsstücken. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wundern sich einige Besucher über die aktuelle Regelung, von der sie oft erst an der Kasse erfahren. An der Kasse heißt es, die Mehrzahl der Sonntagsbe­sucher nutze das kostenlose Angebot für die Dauerausst­ellung, nach der Sonderauss­tellung werde selten gefragt. Vor allem Familien mit Kindern freuten sich über Nulltarif.

Christof Trepesch, Direktor der städtische­n Kunstsamml­ungen und Museen, ist erfreut, wie die Menschen auf das Angebot reagieren. Er verweist auf die aktuelle Auswertung der Januarzahl­en: „Die Entwicklun­g ist sehr positiv.“Es kämen deutlich mehr Menschen als noch vor Corona in die Museen. Die kostenfrei­en Dauerausst­ellungen seien beliebt. An den vier Sonntagen im Januar wurden 2246 Besuchende mit einem Freiticket in den Dauerausst­ellungen gezählt. Vergleichs­zahl ist ein Wert vom Januar 2019, also vor der Corona-Zeit: Am Ein-Euro-Sonntag, hier der erste Januarsonn­tag 2019, kamen 470 Besucher. Der Unterschie­d zur jetzigen Regelung war, dass der Eintritt in Dauerausst­ellungen und Sonderauss­tellungen bislang nur am ersten Sonntag des Monats für einen Euro möglich war.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion wurden im Vorjahr in den städtische­n Museen insgesamt 300.000 Besucherin­nen und Besucher gezählt. Man nähere sich den Zahlen der Jahre vor Corona an. Der

Sonntag dürfte zusätzlich­e Gäste locken, er wird sich anderersei­ts auf die Einnahmen auswirken. Kulturrefe­rent Jürgen Enninger (Grüne) sagt, dass man im städtische­n Haushalt mit einem Einnahmenv­erzicht von 50.000 Euro kalkuliere, verursacht durch den „kostenlose­n“Sonntag. Einen Überblick über den Einnahmeau­sfall werde man nach Ablauf des Versuchsja­hres haben. „Aber egal, wie hoch er ausfällt: Diese Zahl ist eine klare Investitio­n in die Zukunft unserer Stadtgesel­lschaft in Augsburg und darüber hinaus“, ist Enninger überzeugt. Man dürfe nicht allein das Finanziell­e betrachten, so der Referent: „Schließlic­h bedeutet der Genuss von Kunst und Kultur immer ein Stück Lebensqual­ität.“

Der kostenlose Museumsbes­uch an Sonntagen geht auf eine Entscheidu­ng

des städtische­n Kulturauss­chusses zurück. Enninger: „Augsburg war über viele Jahrhunder­te die Kunstmetro­pole Europas. Die Schätze dieser Zeit sind in den Dauerausst­ellungen der vier großen Häuser zu sehen.“Mit der erfolgreic­h gestartete­n weiteren Öffnung der Museen werde ein Besuch in den Kunstsamml­ungen noch attraktive­r und deutlich niedrigsch­welliger zugänglich.

Enninger spricht zudem vom „erweiterte­n Klassenzim­mer für die Schulen“. Man wisse, dass Kulturorte eben auch Bildungsor­te seien. Schüler zahlen deshalb in diesem Jahr keinen Eintritt. Es gibt ferner ein Angebot für Kinder, Jugendlich­e und junge Erwachsene: Ein U27-Ticket (unter 27 Jahre) ermöglicht ihnen grundsätzl­ich freien Eintritt. Die ersten Erfahrunge­n seien ebenfalls positiv, sagt der Kulturrefe­rent. Bereits 545 junge Menschen hätten das Ticket im Januar genutzt. Besonders beliebt waren das Schaezlerp­alais (207) und das Maximilian­museum (182).

Schüler zahlen in diesem Jahr keinen Eintritt

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Foto: Annette Zoepf Auch am Museumsson­ntag muss Nadine Günther neun Euro Eintritt zahlen, weil sie eine Sonderauss­tellung besucht. David Hiemer verkauft ihr das Ticket.

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